Don Ellis - Soaring
Auf der Suche nach Fusionen verschiedener Stile in der Musik bin ich bei Don Ellis gelandet. Der Name war mir nicht unbekannt, doch konnte ich ihn nicht so recht zuordnen, bis mir einfiel, dass Ellis derjenige war, der die Musik zu dem bahnbrechenden Polizeifilm 'French Connection' von William Friedkin geschrieben hatte, eine von 2 Filmmusiken die er in seiner Karriere schrieb.
Ellis ist eine interessante Persönlichkeit, da er im Laufe seiner musikalischen Laufbahn viel experimentierte und versuchte verschiedene musikalische Mittel und Stile miteinander zu kombinieren. Er spielte hauptsächlich Trompete, aber auch Schlagzeug und komponierte sehr viel selbst. Beide Eltern hatten ihre beruflichen Wurzeln in der Kirche, der Vater war Methodist und die Mutter Organistin. Das hört man auf 2 Stücken in 'Soaring' deutlich heraus, die einen choralen und gospelhaften Charakter haben. Tommy Dorsey und seine Big Band waren der Auslöser für seine Jazz-Begeisterung, nebst Louis Armstrong und Dizzy Gillespie. Er spielte eine Zeit lang in der Glenn Miller Band und bei Maynard Ferguson. In New York kam er später in Berührung mit der Avantgard-Szene und auch hier sind die Einflüsse von Charles Mingus und Eric Dolphy auf 'Soaring' unüberhörbar. Nachdem er einige Zeit durch Europa getourt war, mit einem Aufenthalt in Polen und der Teilnahme an einem Jazz Workshop des NDR in Deutschland kehrte er an die West Coast zurück und beschäftigte sich mit indischer Musik und formierte das 'Hindustani Jazz Sextett' in das er Instrumente wie die Sitar und Tablas integrierte. Aufnahmen dieser Gruppe wurden leider nie veröffentlicht.
1967 veröffentlichte er das Album 'Electric Bath', was auch in den Charts sehr erfolgreich war (der Track 'Indian Lady' wurde sehr populär), für den Grammy nominiert wurde und auf dem er akustische Instrumente mit Elektronik kombinierte, v.a. die Trompete. Für die 'electrophonic trumpet' verstärkte er den Klang der Trompete und veränderte ihn auf verschiedenste Arten elektronisch. 'Autumn' und 'Haiku' sind weitere grossartige Alben dieser Innovationen. Über letzteres werde ich noch schreiben. MPS (Vergessene Helden: Hans Georg Brunner-Schwer) hat es jüngst mit anderen in einer sehr schönen CD Edition veröffentlicht. Er arrangierte nebst seinem grossen Engagement auf dem Gebiet des Jazz auch PoP Songs für Größen wie 'The Carpenters'. Tragischerweise schränkte eine Herzerkrankung seinen Enthusiasmus schwer ein und er verstarb im Alter von nur 44 Jahren an den Folgen eines Herzinfarktes. Unglaublich wenn man bedenkt, was er in diesem jungen und leider kurzem Leben musikalisch alles bewirkte und entwickelte. Fast ein 'vergessener Held'.
'Soaring' ist sehr vielfältig und bietet einen Mix aus allem was das Herz begehrt. Keineswegs dominiert Ellis mit seiner Trompete, wenn auch er auf den meisten Stücken den Lead Part spielt.
'Whiplash' beginnt mit fetten Bläsern, einer elektrischen Gitarre, Rock Elementen, zarten Streichern und man ist mittendrin im Ellis'schen Kosmos. Eine wunderbare Up-Tempo Nummer mit einem Trompeten Solo von Ellis. Alles sehr groovy und funky und von einer motivierend-heiteren Stimmung. Toller Big Band Sound. 'Sladka Pitka' wurde von dem Keyboarder Milcho Leviev beigesteuert und basiert auf einem bulgarischen Folk Song. Nach einem Intro mit Streichern und Holzbläsern geht es sofort über in einen Swing Modus auf dem die Bläser den Ton angeben, im Hintergrund spielen das Fender und die E-Gitarre. Eine schöne Melange aus Big Band und Fusion mit exzellenter Gitarre und Fender Rhodes, sowie einem treibenden Schlagzeug. Erst spät setzt Ellis mit seiner Trompete ein und nimmt das hohe Tempo auf. Furios! Um es salopp zu formulieren:'Die Post geht ab!'. Gegen Ende hört man die verfremdete Trompete und die erwähnten elektronischen Klänge bis die Bläser und die Band alles auflösen. 'Go Back Home' beginnt im Gestus eines Themas für z.B. für eine Fernsehserie wie 'Dragnet'. Das Saxophon spielt und sofort liefern die Bläser und die Rhythmussektion des passenden Background. Wenn es ein Pendant im Jazz zum 'Stadion-Rock Gegröle' gäbe, dann dieses Stück. Mainstream in Reinkultur! 'Invincible' ist der erste Höhepunkt. Das Saxophon spielt in einer sehr lyrisch-beschreibenden Art nur begleitet von Streichern in tiefen Oktaven. Später setzen mehr Saiteninstrumente ein. Ein sehr einnehmender Anfang. Dann ändert das Stück plötzlich seine Richtung, klingt ein wenig jovialer und auf einmal setzt die Big Band in klassischer Manier ein. Ein unerwarteter Stimmungswechsel. Tolles Arrangement. Das Saxophon steigt wieder ein und elegische Streicher konterkarieren das heftig improvisierende Blasinstrument, welches gegen Ende wieder die Melodie vom Anfang aufnimmt. Grossartiger Jazz! 'Image of Maria' ist der gleichnamigen Künstlerin gewidmet, die das Artwork zu diesem Album gestaltete: wunderschöne Musik. Ellis spielt mit seiner Trompete eine Ballade begleitet mit countryesk-folkigen Klängen des Pianos und warmen Streichern im Hintergrund. 'Sidonie' beginnt mit flirrenden Streichern und einem ebensolchen Schlagzeug. Ellis spielt am Anfang wieder einen sehr warmen und weichen melodischen Ton, wiederum begleitet von Streichern im Hintergrund. Dann steigt die Stimmung von leiser Melancholie in verhaltenen Optimismus und das Tempo wird zunehmend schneller. Er improvisiert auf der Trompete angepeitscht durch die Bläser der Big Band. Klasse Sound. Erinnert manchmal an Randy Brecker oder umgekehrt. Das letzte Stück 'Nicole' ist eine ruhige, langsame Ballade. Ein Beispiel für das grossartige Können dieses Musikers. Trompete, Klavier und Orchester/ Streicher im Einklang. Ein sehr schöner Abschluss eines beeindruckenden Albums.
Ein wirklich vielseitiger und begabter Musiker.
Es gibt noch so viel zu entdecken in der Musik.
'Soaring' bedeutet aufstrebend oder aufsteigend.
Rick Deckard