„Die Welt des Clutchy Hopkins“ – "Die Welt des Clutchy Hopkins" - Eine gewöhnliche Plattenbesprechung- Teil 6 – Walking Backwards

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  7. Oktober 2011, 17:51  -  #Populäre Musik

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Teil 6 

n.) 2008 

Die Platte „Walking Backwards“ ist Clutchy’s zweiter Longplayer. Abgesehen von dem unfassbar erdigen „For the Love of a Woman“, übrigens eine reine Instrumentalscheibe. Die Legenden und Geschichte, um diese Platte und dem echten oder unechten Leben des Musikers, soll mal nicht Bestandteil dieses Eintrags sein. Was heute zählt ist die Musik und die bildet, wie bereits berichtet, die Eröffnung eines neuen Universums für mich. 

Wie könnte man sich nun also diesem langsamen, feinsinnigen Werk annähern? Ein erster gedanklicher Versuch ist ja die immer gern genommene Schublade. Schränkchen der Musikgeschichte auf und Vergleichbarkeiten gesucht. Okay, warum auch nicht! 

Der erste gesamt Eindruck hinterlässt doch eine gewaltige Erinnerung an die von mir so ungeliebten Portishead. Die langsamen, schleppenden Beats, die düstere Stimmung. Allein die Samples und das Djing fehlen und werden von warmen Orgeln und elektronisch stimmigen Pianos ersetzt. 

Natürlich ist das aber nur atmosphärisch bedingt, den Clutchy Hopkins ist ein Mosaik von musikalischen Stimmungen, nicht auf der Jagd, nach der Genreableitung und schon gar nicht auf der Suche nach dem Trip Hop. 

Beim zweiten durchhören denkt man daran, in welcher Stimmung der Musiker wohl war, als er aufgenommen hat. Auf der Suche nach dem richtigen Wort, fällt mir Gedankenlosigkeit ein, dann Gleichmütigkeit. Es wäre falsch die Wörter entspannt oder relaxed zu verwenden. Überhaupt denkt man bei der gesamten Entdeckung des Universums Clutchy Hopkins oft an die Zweitauswahl von Wörtern und ist automatisch auf der Suche nach längstvergessenen Synonymen. Vielleicht auch nostalgischen Worten und Gedanken. 

„Para Los Ninos“ ist so ein Paradebeispiel dafür. Die Blockflöte, die anmutenden indianischen Gesänge, die kulturelle amerikanische Verhaftung, lässt einen doch daran denken, dass die Kunstgeschichte der USA doch älter ist als der Blues und den so genannten Marching Bands des Süd-Westens. Spätestens ab dem mit einem glänzenden Funkriff angereichten Mittelteil, lässt uns Clutchy, aber diese Idee bereits wieder vergessen. 

Überhaupt „vergessen“. Ein weiteres passendes Wort. Beim durchgängigen hören der Platte, vergisst man schnell alles, weil sie ebenso spannend, entspannt, Gedanken verloren und doch kompakt ist. 

Ob es nun Money Mark, CutChemist, Shawn Lee, DJ Shadow oder das gesamte Ubiquity Team im Ferienlager ist, die Erfindung Hopkins ist musikalische Magie, insbesondere auch in der Wurzel der gesamten Idee. 

Walking Backwards als Manifest! Genau das ist es! Mal hinsetzen und überlegen, wie es dazu kommen konnte, dass Plattenbesprechungen und somit die infizierte öffentliche Darstellung der einzigartigen Kunstform und Wichtigkeit Musik so verkommen musste, dass erst ein Panoptikum an gefakten Geschichten erfunden werden musste, um die Heldenverehrung eines Stars, eines Idols, die des selbst darstellenden Musikstars, erfunden werde sollte, um dann daraus wiederum eine abstrakte kognitive Heldenverehrung abzuleiten? 

Das besondere an dieser Platte ist, dass einem der ganze Zustand des Musikhörens und des Sammelns, das tägliche Beschäftigen mit seinen Helden und die ewige Junkie-Mäßige Suche nach dem strahlenden Hit bewusst wird. Bei „Rocktober“ gibt es wiederum im Mittelteil eine wunderbare Harmonikapassage, die sehr diffus wirkt, weil sie eben so harmonisch Harmonika ist. Danach kommt ein kurzer mit einem einfachen Set gespielter HipHop-Beat, bevor sich die Orgel in hohen Tönen in einer Interpretation des Hauptthemas verliert. Collagenartig meint man jetzt zu verstehen, aber es ist nicht so. Keine Aneinanderreihung von Stilen und variablen Möglichkeiten, sondern eine Zustandsbeschreibung. 

Sehr schnell wird man mit sich selbst einig, dass das alles hier kein Zufall ist, sondern wohl komponierte Musik, die nicht nur das Ohr und das Herz berührt, sondern zusätzlich und sehr bewusst auch den Verstand, ohne dabei tiefgründige Gespräche über Musik mit sich selbst zu führen, sondern einen bewusst zu einen generischen Prozess hinleitet. 

Die Musikindustrie gibt es nicht mehr und die Musik, der Künstler steht direkt dem Hörer gegenüber. Das ist eigentlich der faktische Hauptgrund und der thematische Zusammenhalt des Hopkins Universums. Diese Platte und der programmatische Titel ist die Filmmusik dazu. 

Die Zukunft hat bereits begonnen, sagt man heutzutage gerne. Mit „Walking Backwards“ könnte man meinen, will uns Lomax nun das Gegenteil beweisen. Das ist es aber nicht. Es ist vielmehr das Opus Magnum einer Zeit die zu ende ist, nun aber neu beginnt. 

Interessierte und Verfolger können sicherlich nachvollziehen, dass man als Musikabhängiger dazu neigt, mehr in Werke zu interpretieren, als es eigentlich notwendig ist. Die Inflation des Wortes Meisterwerk steht für diesen Dauerzustand. 

Schöpferische Kunst ist für den Konsumenten immer vielseitig interpretierbar. Es gibt natürlich Künstler die erhaben den Konsens erreicht haben. Wegen einem Zufall, wegen Talent oder einfach nur aufgrund der Tatsache am richtigen Ort, zur richtigen Zeit gewesen zu sein. Diese ganzen Ansammlungen von Menschen und Gruppen kann man prominent mit Namen wie den Beatles, den Stones, mit Elvis, mit James Brown, mit R.W. mit Mozart oder mit Miles Davis belegen. Wer will schon was gegen diese Popstarts sagen? Es gibt auch keine Grund dafür. Aber der Mensch ist immer auf der Suche. Gibt er sich mit dem zufrieden was er hat, ist er innerlich gestorben. 

Ein Song auf dem Album heißt „3D Element“. Dabei erklingt eine ganz einfache Harmonie, die schnell von einem akustischen Beat unterlegt wird. Dazu werden mehr als gleichgültig einige passende atonale Melodien gespielt, bevor das ganze finster von  einer Orgelkaskade abgeholt wird, dann in einer loungigen Pianomelodie endet. Man könnte leicht sagen, dass ist alles! Aber es ist mehr, es ist das dritte Element der musikalischen Ganzheit.  Aber was ist das? Mal sehen! Demnächst... 

Übrigens hat sich heute Clutchy Hopkins bei uns per Mail gemeldet. Er will wissen, wie wir auf seine Musik gestoßen sind. Die Mailadresse ist valide und deutet auf den Verfasser der Seite www.clutchyhopkins.com (Offizielle Seite) hin. Derzeit soll er ja in einer Höle in der Mojave Wüste leben. Hoffentlich ist seine Internetverbindung ständig bereit, denn dieses Kapitel ist noch lange nicht beendet und so beende ich heute mit dem geheimen Wunsch, als erster deutscher Mensch, ein Interview mit dem Wüstensohn zu führen. Und zwar beim Frühstück in der Kölner Altstadt!!! 

Alan Lomax 

Der sechsteTeil von „Die Welt des Clutchy Hopkins – 360 Grad Musik oder ein integrativer Ansatz um Musik zu verstehen, lesen Sie demnächst auf www.lomax-deckard.de

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