Die Sterne

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  20. Juni 2012, 15:38  -  #Populäre Musik

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„Verstehen ist nicht dasselbe wie Überstehen, aber auch schön“, hat Sterne-Sänger Frank Spilker mal irgendwann gesungen! Viele andere Slogans und Kampfansagen auch! Auch gab es unzählige Konzerte, Erinnerungen, Platten, Erlebnisse, Videos, Artikel und Interviews. Natürlich wunderbare Platten, Lieder, Melodien und immer wieder Texte, die mehr als wichtig für einen (mich!) geworden sind.

Die Sterne waren halt immer da! Das könnte ich nun lapidar sagen! Aber ab wann waren sie wirklich für mich da? Vielleicht eine sehr uncoole Bekenntnis, aber für mich erst ab „Universal Tellerwäscher“ und dem 1994er Album „In Echt“. Cooler wäre das Hochhalten der Debütmaxi „Fickt das System“ (L’Age D’Or) aber so ist es nun mal nicht.

Wenn ich heute das Nachfolge Album „Posen“ höre, bin ich oft zeitlich irritiert. August 1996, Popkomm Köln. Kantine (damals noch in Nippes). Es spielen Die Sterne, Die Goldenen Zitronen und Die Lassie Singers. Im Butzweiler Hof findet das Bizarre Festival statt. Es spielen Iggy Pop, Nick Cave und Tocotronic. Weitere Highlights der Clubkonzerte: Goldie, George Morel, Andreas Dorau und Tricky! „Scheiß auf deutsche Texte“ ruft Spilker, eine komische Zeit und irgendwie habe ich den Eindruck es ist noch länger her!

„Von allen Gedanken schätze ich doch am meisten die interessanten“ (1997), dann die bekannte Reise nach Nordamerika mit dem Goethe-Institut. 1999 „Big in Berlin“. Frank Will verlässt die Band, Richard von der Schulenburg folgt. 2002 „Irres Licht“, 2003 das Live-Album und die DVD-Addition „Live im Westwerk“, 2004 das mir unbekannte Album „Das Weltall ist zu weit“. Grandios dann „Räuber und Gedärm“ (2006) und 2008 ein recht durchschnittliches Soloalbum von Frank Spilker. 2009 das viel gerühmte Elektro-Album „Der Riss“, zuletzt interessanter und langlebiger als gedacht: 24/7.  http://www.lomax-deckard.de/article-24-7-3-42-die-sterne-47263940.html

„Dass gestern wie heute wird, heute wie morgen und dass in diesem Laden herzlich wenig passiert“, könnte fast ein Zugeständnis an das Lebenswerk sein. Denn natürlich haben die drei Hauptakteure Spilker, Wenzel und Leich immer wieder versucht sich selbst zu finden und neu zu erfinden. Ein Punkt der so nachvollziehbar ist, aber ja bei bedeutenden Bands nachweislich nie notwendig war!

Die Sterne waren immer da und ich bin sehr froh darüber!

Letzte Woche konnte ich endlich Frank Wierkes Film über die Sterne sehen! Vor solchen Filmen haben langjährige Bewunderer einer Band oftmals Angst. Denn die Gefahr das Mythen, Tüten und Kopfgebilde auf einmal zusammenbrechen ist groß. Der beobachtende Blick des Dokumentarfilms ist authentisch. Der Filmemacher hat die Band ein Jahr, still, begleitet. Alles spricht für sich selbst.

Die Sterne werden so gezeigt wie sie sind und das schönste daran ist, dass man sich den Stil-, die Lebens- und Arbeitsweise, das Unaufgeregte, das Schlaue, das Unterhaltsame, das Schöne, die Menschen und den entstehenden Musikprozess genauso vorgestellt hat.

Am Anfang des Jahres erschien das Jubiläumsalbum „Für Anfänger“. Eine Mischung aus alten Perlen, neuen Mischungen und Coversongs. Wiedermal eine richtige Entscheidung. Denn die Sterne zu entdecken, bedeutet nicht nur Vergangenheit zu entdecken, sondern zeitgemäße Popsongs. Wäre es nicht zu albern, würde ich ergänzen für Jung und Alt!

Seit letzter Woche höre ich alle Sterne Platten wieder und wieder bei allen Autofahrten und habe sie ständig im Kopf.

Sterne hören hatte früher mal was damit zu tun Haltung zu zeigen, für etwas einzustehen, sich für etwas Besseres zu halten, zu wissen, dass man gute Musik hört. Für meinen Kollegen und Freund Rick Deckard haben sie sogar etwas mit musikalischer Sozialisierung zu tun. Heute wo solche Attribute nicht mehr wichtig sind, hat das Sterneuniversum etwas mit Bedeutung, Qualität und Bewahrung zu tun.

Immerhin spreche ich hier von einer deutschen Band, die über 20 Jahre alt ist, nicht immer kommerziell erfolgreich war, unfassbare industrielle Veränderungen überstanden hat und immer glaubwürdig geblieben ist.

Andere Bands sind inzwischen weg, andere Sänger und Künstler aus der gleichen Liga haben verloren oder eben nicht genug Substanz gehabt.

„Ich bin ein Trademark“ hat Udo Lindenberg kürzlich über sich selbst in der taz gesagt. Oh, Gott denkt man sofort, wenn man „den“ denkt. Es gibt längere und kürzere Halbwertzeiten bei deutschen Künstlern. Insbesondere im Mainstream endet das oftmals peinlich. Schlimmsten Falls machen die coolsten von Ihnen ein Musical (Gunter Gabriel, Palminger,Strunck und Schamonie) oder Kunst (Kamerun) oder sonst irgendwas (Superpunk).

Vielleicht bleiben die Besten von ihnen sich einfach treu. Die Absurdität Namen wie Lindenberg, Gabriel und Palminger in einem Zusammenhang zu nennen, zeigt bereits die ganze Schwierigkeit des kompletten Themas und der Kontexte auf. Während ich das hier schreibe und zum zweiten Mal „Posen“ höre wird mir bewusst, dass die Sterne zu all‘ dem nicht gehören und auf eine sympathische Art und Weise über den Dingen stehen ohne das sie das gewollt haben. Es hat sich einfach alles so entwickelt und die Sterne waren immer da! Vielen Dank die Herren, bitte weiter machen…

„Any Major Dude Will Tell Me“

Aus Altona und Los Angeles

Alan Lomax

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