Die Mathematik der Anna Depenbusch

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  23. März 2011, 08:25  -  #Populäre Musik

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Es ist schon merkwürdig wie sehr äussere Umstände, so will ich es mal nennen, Einfluss auf die Musik haben können, die man hört. Gestern war ein so schöner Tag, dass ich es mir nicht nahm mit dem Fahrrad eine kleine Runde zu drehen. Überall grün und goldgelber Sonnenschein. Später als ich im Garten sass kam der unweigerliche Drang Musik zu hören, deutschsprachige Popmusik, schöne Melodien sowie nachvollziehbare und verständliche Texte. Erinnerungen an vergangene Zeiten kamen hoch, als da einst Bands wie Kante, Tocotronic, Blumfeld, Die Sterne, Rocko Shamoni, Kettcar, Paula und Tomte sich auf dem Plattenteller drehten.

Was tun? Forschen! Na ja, forschen ist etwas übertrieben, sagen wir suchen. Ich fand über diverse Umwege: Frau Depenbusch und ihre Mathematik.

Ein schönes und hörenswertes Album dachte ich, nachdem etwas über eine Stunde verflogen war, wobei sich durchaus widersprüchliche Gedanken im Kopf breit machten und sich gegenseitig die Hand gaben. Ich versuchte zunächst verkrampft die Musik und das Album irgendwo in meinem musikalischen Kosmos einzuordnen. Schlimm oder? Kaum, dass man etwas hört, will man es irgendwo einsortieren, damit Ruhe und Harmonie herrscht. Ich liess den Gedanken aber gleich wieder fallen und beschäftigte mich mit der Musik.

Der Reiz des Albums liegt ganz offensichtlich in der musikalischen Vielfältigkeit: Lieder, Blues, Chansons, PoP, Schlager, Rock geschwängert mit Blues, hier und dort Tupfer von Jazz, ja sogar überlebensgrosses Entertainment war da zu vernehmen. Dieser stetige Wechsel der Stile lässt einen aufhorchen. Langweilig wurde es zu keinem Zeitpunkt.

Auch die Produktion, soweit es die heimischen Boxen erahnen lassen, klingt vorzüglich: Sauber, kristallklar, dynamisch und über allem schwebt die Stimme der Frau Depenbusch. Eine Stimme, die einem auf der einen Seite suggeriert "Los komm, lass uns Pferde stehlen!", auf der anderen Seite aber auch Grenzen aufzeigt und nicht völlig nahbar ist. Über diese Stimme bin ich mir noch nicht im klaren. Ich liebe die menschliche Stimme, das schönste Instrument!

Worum geht es? Um das grosse Thema der Popmusik: Die Liebe. Um Beziehungen, das Gefühl des verlassen sein, Irrungen und Wirrungen, Frustration, aber auch Hoffnung. Es geht also um viel und hier konnte ich mir am Ende keinen Reim machen, ob das Album in sich stringent ist oder nicht. Es beginnt mit einem lockeren und sehr fröhlich-ironischen Ohrwurm mit Namen 'Tim liebt Tina', zeitgleich einem der besten Titel. Ein Song, der einen zum lachen bringt, aber auch nachdenklich stimmt. Das Album endet mit einem schwermütigen Abgesang bezogen auf den Verlust eines Liebenden. So frisch und amüsant es beginnt, so schwer und melancholisch endet es. Ich meine das aber keineswegs negativ.

Was liegt dazwischen? Nun nichts geringeres als Berlin, Astronauten, Hollywood, Madame Clicquot, Ebbe und Flut und eine Haifischbarpolka! Songs mit wirklich schönen Melodien, beseelt mit Einflüssen des Country, Dancefloor PoP, Schlager und auch kammermusikalischen Tönen. Das erfordert beim hören schon eine gewisse Flexibilität.

Ein Highlight ist 'Astronaut' mit einem wunderschönen Streicher-Arrangement, einem romantischen Text und grossen Gesten. Sowieso ist ein Orchester auf eine sehr angenehme Weise in das Album eingebunden.

Was bleibt unter dem Strich am Ende des Tages? Die Erkenntnis, dass Mathematik eine sehr ästhetische Wissenschaft sein kann, lässt man das äussere, also Zahlen und Formeln bei Seite. Um die Mathematik der Anna Depenbusch zu verstehen, muss man sich auf ihr Universum einlassen, was Zeit und Muße und v.a. Toleranz erfordert, dann erschliessen sich einem neue Welten.

Ach ja und wo sortiere ich die Musik nun ein? Unter 'Neuentdeckungen mit Hoffnung für die Zukunft'!

Rick Deckard

link zur Homepage von Frau Depenbusch mit Videos, u.a. aus Ina's Nacht und vielen anderen Informationen.

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