Die HBO-Serie The Pacific – Sinn oder Irrsinn von Kriegsfilmen
Die ewige Faszination des Kriegs im Film, lässt sich aus meiner Sicht mit einer Frage des aufgeklärten Zuschauers begründen: Was ist die Logik?
Jeder große Kriegsfilm benötigt einen Kontrast zur blutigen Auseinandersetzung. So ist es in Coppolas Meisterwerk „Apokalypse Now“ die ästhetische Faszination, in Michael Ciminos „The Deer Hunter“ ist es die private Sicht auf die Opfer des Krieges, in Terrence Malicks unterschätzten „The Thin Red Line“ ist es der Blick auf die Schöpfung und die Natur und in Stanley Kubricks „Full Metal Jacket“ geht es um die Eingliederung der Privatperson als Soldat in eine fürchterliche Militärmaschinerie. Die Logik des Kriegsfilms unterliegt also dem Gegenüberstellen von zwei Dingen.
Die Frage nach einem pädagogischen Sinn des Genres haben wir dabei weitestgehend überlebt. Hier und da wird es noch ein paar verwirrte Pädagogen geben die das Label Antikriegsfilm verwenden, allerdings sind das auch die Menschen, die vom Kino und vom Film nichts verstehen wollen.
Gewalt und Tod sind natürlich ein fester Bestandteil dieses Genres. Aber auch hier ist sich jeder seines Glückes Schmied:. In zahlreichen Diskussion über dieses Thema, mit Filmignoranten ziehe ich im entscheidenden Moment meine „The Brigdge on the River Kwai“-Jokerkarte. Daivd Lean ist es in diesem Film gelungen einen großen typischen Kriegsfilm zu drehen, ohne (kaum)explizite Gewalt oder Kriegshandlungen zu zeigen. Die Schauspieler tragen den Film und daher kann er auch als große , außergewöhnliche Filmkunst herhalten und eben als Gegenargumentation für Kriegsfilmverweigerer.
Steven Spielberg und Tom Hanks entspringen nicht dem gleichen Kaliber, wie Sir David Lean. Sie entstammen beide einer anderen Filmgeneration. Für Spielberg ist der Film immer die Möglichkeit gewesen, den Zuschauer zu unterhalten und ihn ähnlich wie Hitchcock, mit einer unbekannten Variablen zu konfrontieren. Hauptreferenz ist dabei immer noch sein Fernsehfilm „Duell“. In dem ein PKW-Fahrer von einem LKW-Fahrer gejagt wird. Der Film kommt ohne jegliche Dialoge oder Handlungen aus. Das Geschehen auf der Leinwand, die Suspense, ist der Star. Bevor Spielberg altersmilde und detail versessen wurde, hatte er auf gleichem Qualitätsniveau „Der weißen Hai“ (als abstrakten Abgesang gegen den Viatnamkrieg) gedreht. Noch heute sieht er sich beide Filme alle zwei bis drei Jahre an, um selbst zu sehen, warum er damals angefangen hat Filme zu drehen. Tom Hanks hingegen ist ein intuitiver Schauspieler. An seiner Filmografie kann man ablesen, dass es ihm um die grenzliche Erfahrung des Schauspielers in seiner Rollen auswahl geht. Somit kann der Film „Der Soldat James Ryan“ von 1998 auch als Basis für die gemeinsame Zusammenarbeit bei den Fernsehserien „Band of Brothers“ und „The Pacific“ herhalten. Spielberg versteht den Krieg als das Böseste was der Mensch geschaffen hat. Hanks stellt dabei den Überhelden James Ryan dar. Leider scheitert der Film an seiner übersteigerten patriotischen Haltung und vergisst streckenweise die angesprochene Logik des Kontrasts.
Interessanter Weise gelingt beiden Produzenten dann aber mit „Band of Brothers“ eben genau das zusammenfassende und richtige Rezept: Das Portrait der jungen amerikanischen Soldaten, die eben nicht nur für Amerika in den Krieg ziehen, sondern gegen das unbekannte, böse Kämpfen müssen und erst in den furiosen letzten 3 Folgen verstehen, dass es dabei nicht um den Stolz eines Landes geht, sondern um die Freiheit, die Menschlichkeit und den Sieg des Guten über das Böse. Das hat diese Serie zu einem Meilenstein in der Fernsehgeschichte und als echten Standpunkt für die Menschlichkeit gemacht. Filmisch aber eben auch großartig kontrastiert („Reflektion über die Zivilisiertheit“) und den wichtigsten Mitteln der Filmkunst versehen: Epic, Zeit, Suspense und perfekte charakterliche Zeichnung der Protagonisten.
Der zweite Weltkrieg war unübersichtlich! So ist mir der Pazifikkrieg im Detail weites gehend unbekannt! Mallicks „Thin Red Line“ spielt zwar auch in Guadalcanal, entscheidend ist das aber nicht. Im Gegensatz zu dem uns (inzwischen hoffentlich) nachvollziehbaren Einsatz der Amerikaner in der Normandie, dürfte der Angriff der Japaner auf „Pearl Harbor“ in unseren Köpfen sein. Der damit verbundene Eintritt der USA in den zweiten Weltkrieg in de Pazifikkrieg war allerding mit anderen Problemen behaftet als mit den bekannten Problemen der Alliierten in Europa. Der Krieg wurde weites gehend auf pazifischen Seeraum ausgetragen und die Soldaten mussten teilweise Mann gegen Mann im Dschungel kämpfen. Nachschub von schwerem Gerät war aussichtslos, Malaria an der Tagesordnung und Essen ein ständiges Problem.
Spielberg produzierte vor einigen Jahren gemeinsam mit Clint Eastwood die beiden Filme „Flags of Our Fathers“ und „Letters from Iwo Jima“. Gezeigt werden dort, einmal aus amerikanischer Sicht und einmal aus japanischer Sicht, die Schlacht um die Insel Iwo Jima. Beide Filme stehen für eine eigene Brillanz im Genre „Kriegsfilm“. Es ist nicht verwunderlich, dass Spielberg, maßgeblich an den Filmen beteiligt war. Sein ganzes Lebenswerk ist von einem roten Faden der Detailverliebten Besessenheit für einzelne Themen durchzogen. Der Pazifikkrieg nimmt in der Summe nun einen großen Teil seines gesamt Werks ein. Der Kampf um Okinawa und Iwo Jima führte letztendlich zur vermeidlichen japanischen Kapitulation. Er endet mit einer wahnsinnigen Kamikazeaktion der japanischen Soldaten. Einem weiteren traurigen Höhepunkt aus dem nicht nachvollziehbaren Tun des Menschen. Doch damit nicht genug. Letztendlich sahen die Amerikaner keine andere Möglichkeit, als den Abwurf einer Atombombe gegen ein reales Ziel. Ähnlich geistesgestört wie die Anführer der Deutschen, rief die Regierung und die Militärs des japanischen Kaiserreichs, das Volk zum Endsieg mit allen Mitteln oder zur Selbstaufgabe auf. Hiroschima bildet dann das traurigste Finale der gesamten Geschichte und der Menschheit.
Genauso schwer, wie diesen Aufsatz über diese ganzen Zusammenhänge in Kurzform zu erstellen, muss es sein, diesen ganzen geschichtlich wichtigen Dingen eine Dramaturgie, einen inhaltlichen Sinn zu verleihen. Egal, ob es nun die beiden Eastwoodschen Meisterwerke sind oder eben eine Miniserie (diese offizielle Bezeichnung von HBO ist eine Farce) ist.
Wesentlich finde ich, dass man über die Logik des Kriegsfilms, die ganze Kunst, des Kinos mit am besten begreifen kann.
In „Flags of our Fathers“ zeigt uns Eastwood sein filmisches Genie: Zu Ehren einiger Generale wird ein Essen organisiert. Nach dem der Kinozuschauer das fürchterliche Blutbad von Iwo Jima gesehen hat, serviert ein Kellner einen Kuchen, der die Form der Insel hat. Der Kellner gießt Erdbeersauce über den Kuchen, die Unerträglichkeit für den Zuschauer erreicht seinen Höhepunkt. Die Erhabenheit des Kinos, dem Zuschauer unfassbare Situationen zu beschreiben und vorzuführen erreicht seinen Höhepunkt. Jedoch benötigt man dafür die Größe eines Doppelfilmes der auf drei Zeitebenen (x2) spielt (Eastwood) oder einer über 600 Minuten andauernden TV-Serie (Spielberg).
Die erste Folge von „The Pacific“ bestätigt dann auch direkt, die hohe Erwartungshaltung, der thematischen Fortsetzung von „Band of Brothers“. Kein geringerer als die HBO-Legende Tim van Patten (Sopranos, Deadwood, The Wire; rechts im Bild mit Mrs. Soprano) durfte dann auch in die Geschichte einführen. Wir lernen die Familien der Soldaten kennen und bauen erste Ängste auf, was das weitere überleben der sympathischen jungen Männer angeht. Die alte Frage, warum ziehen Männer freiwillig in den Krieg, befällt einen automatisch. Die DVD ist opulent ausgestattet. Zu jeder Folge gibt es historisch begleitendes Material. Welches man auf gar keinen Fall ignorieren sollte. Denn Produzenten und Regisseure unterstellen dem Publikum ein Interesse für Geschichte. Anders kann es nicht zu erklären sein, dass nach der Einführung der Hauptcharaktere übergangslos und rabiat die ersten Gefechte auf den Salomonen-Inseln gezeigt werden….
Der Kriegsfilm ist eines der klassischen und wichtigsten Genres des Kinos. Die besten Filme, die leidenschaftlichsten Geschichten und die absurdesten Ereignisse können einen normal denkenden Menschen nicht kalt lassen. Die Auseinandersetzung mit dem Filmischen im Kontrast zum Menschlichen, das aufsaugen des Geschichtlichen im krassen Gegensatz zum Unerträglichen, dass macht den Sinn aus und lässt die Frage des Irrsinns erst gar nicht zu!
Ich freue mich auf die weiteren Folgen und immer auf großes Kino!
Alan Lomax