Die andere Heimat - Chronik einer Sehnsucht von Edgar Reitz
Im Jahr 1982 habe ich verstanden, dass Fernsehen als Medium mehr ist als Unterhaltung. Mit dem ersten Teil von Edgar Reitz Heimat Trilogie war es bereits um mich und einen klein Teil meiner Familie geschehen. Noch Stunden nach der Ausstrahlung saßen wir im Wohnzimmer (damals rauchte man dort noch) und haben uns die Geschichten meiner Mutter angehört, die von ihrer Zeit und dem Ort erzählte, wo sie als junges Mädchen aufgewachsen ist. Das war zwar nicht im Hunsrück, sondern im Weserbergland, aber die Paralleln zu Dorfstrukturen, Wünsche und Ängsten der Menschen, Erlebnisse der Kriege, dem normalen Leben und der Charakterisierung der Deutschen waren frappierend ähnlich.
Bis 2004 ging es im Prinzip so weiter. Mit Heimat 3 - Chronik einer Zeitwende, beendete Reitz sein Opus Magnus. Ein letztes Mal unterhielt ich mich mit meiner Mutter über die Geschehnisse in Schabach, dem kleinen Dorf, welches uns beide sehr verbunden hat, da wir eine gemeinsame fiktionale und cineastische Gleicheit rausgefunden hatten.
Ein Jahr später erkrankte meine Mutter an Demenz. In der letzten Woche ist sie nach langer Krankheit, friedlich eingeschlafen. Eine Woche später nun erscheint Edgar Reitz Ende der "Heimat" Saga und somit die Vollendung seines Meisterwerks. Man muss das jetzt schon so sagen, ohne den Film gesehen zu haben, da es unmöglich ist, dass er dieses, sein Thema auch nur Ansatzweise versaut. Edgar Reitz Prequel erzählt die Vorgeschichte der Heimat-Trilogie und beginnt im Jahre 1842, bestimmt atemberaubend meisterlich.
Die Bilder des Sets und der Trailer sind schon jetzt so wahrhaftig, einzigartig und unvergesslich, dass es einem förmlich das Bewusstsein aus Körper und Geist sprengt.
Es soll ja Menschen geben, die "Heimat" nie gesehen haben und ewig gegen das Deutsche Fernsehn, mindestens aber gegen das Autoren Kino der 1970er und 1980er wettern. Diese Menschen sollten sich mal diesem Meisterwerk annehmen, welche es als einzige deutsche Filmproduktion mit Werken von David lean, F.F. Coppolla, Sergio Leone Michael Cimino oder Martin Scorsese aufnehmen kann.
Chronik einer Sehnsucht läuft am Donnerstag (03.10) in den deutschen Kinos an. Für meinen persönlichen derzeitigen Gefühlszustand ist das alles Programm und verzeihen Sie mir meine Gefühlsdusseligkeit: Ich wünschte ich könnte nach dem Film mit meiner Mutter in der Küche sitzen, ein paar Zigaretten rauchen und über das Weserbergland sprechen bzw. über Brauweiler (Aachen), wo meine Großeltern einst aufbrachen, um ein besseres und gesünderes Leben (Lunge) im Weserbergland zu führen. Und zwar mit einem Bollerwagen, aber das ist eine andere Geschichte....
Alan Lomax