Der Medicus - Philipp Stölzl

von Rick Deckard  -  13. Juni 2014, 17:51  -  #Filme

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Alle Jahre wieder. Nach Umberto Eco's 'Der Name der Rose' und zuletzt 'Das Parfüm' von Patrick Süskind, nun 'Der Medicus' von Noah Gordon. Bestseller-Verfilmungen sind eine sichere Bank. Die Millionen Leser hat man als Zuschauer schon mal garantiert sicher, zu groß die Neugier, ob die eigene Vorstellung entsprechend umgesetzt wurde? Man vergleicht immer so gerne.

Dieses Mal ist es wieder das finstere Mittelalter. Morgenland und Abendland. Orient meets Okzident. Ich erinnere mich sehr gut an die 80'er Jahre, als das Buch die Runde machte und einen Hype herauf beschwor, wie einst diese Potter Romane. "Hast Du 'Der Medicus' schon gelesen?" Ich konnte die Frage nicht mehr hören. Nein, hatte ich nicht. Belletristik und auch noch in den Charts? Nein Danke!

Der deutsche Regisseur Philipp Stölzl hat sich des Themas angenommen und daraus einen opulenten Film gedreht, der sich ohne weiteres mit grossen Hollywood Produktionen messen lassen kann. Das gilt jedoch nur für die erste Hälfte des Films. Der Beginn und der Aufbau der Geschichte sind verheißungsvoll. Der Film schwelgt in malerischen Bildern, die von Kameramann Hagen Bogdanksi, wunderschön eingefangen wurden.

Wir werden Zeuge einer klassischen Geschichte über Verlust, Tragik, Hoffnung und Neuanfang. So wie bei Süskind der Protagonist gut riechen konnte, kann in dieser Geschichte der Hauptdarsteller den Tod durch Berührung voraussehen. Fehlen noch ein paar Schinken über den Geschmacks-, Hör- und Sehsinn.

Da es im finsteren Europa mit der ärztlichen Heilkunst nicht weit her ist und der Tod der Mutter unseren Helden noch immer betrübt, beschliesst Robert Cole, nachdem er sieht wie ein jüdischer Medicus die Augenerkrankung seines Meisters heilt, den Meister aller Klassen aufzusuchen. Der nennt sich Ibn Sina und leitet eine Arztschule in Isfahan.

Das Problem ist nur, dass es für einen damaligen Christen wohl nicht gerade ungefährlich war, so weit in den Osten zu reisen. Also nennt sich Rob leichter Hand Jesse Ben Benjamin und macht sich auf den Weg. Doc Sina ist ein cooler Typ und wird von keinem anderen verkörpert als Gandhi, äh Pardon, Ben Kingsley. J.B. Benjamin kommt nach einer strapaziösen Reise am Ort der Bestimmung an und wird, als er sich bewirbt, vor die Tür gesetzt. Da taucht plötzlich ein Fremder auf und nimmt sich seiner an ... .

Soweit so gut. 

An der ersten Stunde gibt es rein nichts zu mäkeln, prächtige Unterhaltung. In der zweiten Hälfte wird alles bieder, vorhersehbar, Klischee beladen und konventionell. Boy meets Girl, Girl belongs to someone else, die Pest wütet und das Schicksal nimmt seinen Lauf. Das ist keineswegs langweilig, nur nicht längst so fesselnd wie der Anfang. Olivier Martinez als Regent liefert eine schauspielerische Trash-Leistung der absoluten Extraklasse. Unfreiwilligen Humor nennt man das.

'Der Medicus' ist gutes Kino, gute Unterhaltung und damit hat es sich. Er ist bis auf die o.g. Ausnahme gut besetzt, hervorragend fotografiert und die Komposition von Ingo Ludwig Frenzel bietet einen Old School Score, der auch abseits des Film hörenswert ist. Hätte man nicht so viele Zugeständnisse an den Mainstream gemacht und einige provokante als auch noch heute aktuelle Themen nicht so schablonenhaft und albern angerissen: Es wäre ein grossartiges Epos geworden. Hier gibt es Tipps: David Lean, Anthony Mann, Richard Brooks ... .

Hätte, wäre, wenn.

In Zukunft wünscht man sich mehr solcher Großproduktionen, aber mit mehr dramaturgischem Schliff, besserem Timing und mehr Mut.

Aus der Wüste,

Rick Deckard

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