Der Greifer

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  16. Januar 2010, 13:08  -  #Filme

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Es ist interessant Filme nach Jahrzehnten wieder zu sehen, die einem beeindruckend in Erinnerung geblieben sind und dabei zu beobachten, wie sich die Wahrnehmung über die Jahre geändert hat. Irgendwann in den 80'er Jahren habe ich zum ersten mal 'Der Greifer' mit J.P. Belmondo in der Hauptrolle im Fernsehen gesehen und viele Szenen waren in Erinnerung geblieben. Das war auch der Grund diesen Film vom Regisseur Philippe Labro nochmals zu sehen. Zum einen, da mich momentan französische Filme interessieren, zum anderen um heraus zu finden, ob der Effekt der Gleiche ist.

Gestern musste ich Abstriche machen. Die Sehgewohnheiten und auch die Seherfahrung haben sich im Laufe der Zeit doch erheblich geändert und man achtet sehr genau auf Details wie Schauplätze, Schauspieler, Dialoge, Handlung und die Gesamtstimmung. Als jemand der damals gerade dabei war das Kino zu entdecken spielte das damals keine grosse Rolle. Da war man auf den Star und die Schauwerte fixiert und entdeckte Frankreich über das Medium Kino - da waren andere Dinge viel interessanter: Action, Spannung, Dramatik.

Ich muss gestehen, 'Der Greifer' ist kein schlechter Film, aber einer mit Schwächen. Belmondo war in den Siebziger Jahren, um genau zu sein 1976, der absolute Superstar in Frankreich für das Actionkino. Insofern ist der Film ganz präzise auf Ihn zugeschnitten und die gesamte Handlung dreht sich um ihn und seinen Charakter. Er behält als Roger Pilard genannt 'Der Greifer' stets die Fäden in der Hand, ist souverän und behält stets die Kontrolle über den Verlauf. Wenn man William Goldmans Bücher über den Film und die Kunst des Drehbuchschreibens gelesen hat, dann muss das genau so sein: Der Star steht im Mittelpunkt.

Das Manko an dem Film ist aber, das die Charaktere zu wenig differenziert sind und der Zuschauer nicht viel über ihre Motive erfährt. So war Pilard einst ein Grosswildjäger (!), der nun für die Polizei in einer Art geheimen Sonderkommission Aufträge erledigt, die an der Grenze zur Legalität liegen. Wie kommt ein Grosswildjäger dazu als Kopfgeldjäger zu arbeiten? Im Film wird dies so erklärt, dass Pilar den Menschen für das "unberechenbarste, bösartigste und feigste aller Tiere hält". Da steckt sicherlich ein grosses Maß Wahrheit drin, ist aber zu wenig um die Beweggründe der Protagonisten zu erklären. 

Belmondo mimt diesen Charakter mit der ihm bekannten Mischung aus Komik, Lässigkeit und Ernst. Natürlich wird er als Schauspieler nicht gefordert und kann seine Darstellung auf Witz und Coolness verteilen. Leider kann ich kein französisch und ich bin mir sicher, dass er im Original weitaus ernsthafter klingt. Die Synchronisation ist z.T. eine Katastrophe und in vielen Situationen wird Belmondo ein flapsiger Spruch auf die Lippen gelegt der gänzlich unpassend ist. Aber trotzdem macht ihn auf der anderen Seite genau diese Mischung auf der Leinwand sympathisch. 

Sein Gegenspieler L'Eprevier ("Die Bestie") ist da viel interessanter und wird in beeindruckender Art von Bruno Cremer verkörpert, der diesem Kriminellen einen perfekt dosierten Hauch Sadismus und Eiseskälte verleiht und damit seinen Szenen eine nachdrückliche Leinwandpräsenz verleiht. Sein Spiel ist zurückhaltend und sehr genau den Situationen angepasst, ebenso seine Körpersprache. Der Zuschauer erfährt bald, dass er im normalen Leben als Steward auf Langstreckenflügen arbeitet und alleine in einem Haus am Ausgang eines kleinen Ortes in Nordfrankreich lebt. Eben diese zwei Gesichter lassen ihn noch diabolischer erscheinen. Aber auch hier erfährt der Zuschauer wenig über die Motivation des Täters: was treibt einen Steward auf den kriminellen Pfad? Warum vertreibt er sich die Zeit zwischen den Flügen mit Raubmorden? Cremer ist ein französischer Schauspieler, gab sein Debüt mit Alain Delon in 'Die Killer lassen bitten' und wurde mit der Verkörperung des Kommissar Maigret berühmt. 'Der Greifer' verdankt viel von seiner Popularität seinem Spiel.

Beiden Gegenspieler ist nur eine letzte gemeinsame Szene vergönnt, in der der Kampf "Gut gegen Böse" kulminiert. Hier wären mehr 'Kontakte' wünschenswert gewesen.

'Der Greifer' ist in seinem Stil und seiner Erzählweise sehr uneinheitlich, es gibt viele Nebenschauplätze und Nebenhandlungen, die das Tempo des Films verwässern und zum eigentlichen Verlauf wenig beitragen. Labro ist ganz klar ein Bewunderer von Melville und Peckinpah, wie er selbst auch zugegeben hat. Sehr viele Momente in 'Der Greifer' erinnern deutlich an die Bildsprache von Melville. In einer etwas längeren Sequenz bei der es zu einem Shoot Out auf einem Bauernhof kommt erkennt man überdeutlich den Einfluss von Peckinpah, wobei man auch sagen muss, dass stilistisch einige Momente dieser Schiesserei ganz grosser Trash sind, aber in der Form, dass man lachen muss und nicht überkritisch wird.

Ein grosses Plus an 'Der Greifer' ist das Titelthema und die Musik von Michel Colombier, aber über diesen interessanten Musiker, Komponisten und Künstler werde ich in einem separaten Artikel schreiben, denn ich warte noch auf noch auf meine Filmmusik-Sendung mit französischen Scores.

Eines wird einem bewusst: man verliert in mancherlei Hinsicht die "Unschuld" in der Betrachtung von Filmen über all die Jahre, was zum einen gut ist, da man vieles objektiver sieht, zum anderen aber schlecht, da der Zauber der bewegten Bilder verloren geht. Trotzdem war der Film sehenswert und sicherlich eine nochmalige Betrachtung wert.

Rick Deckard

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