'Der Fall Serrano'
Der Auftakt zu einer neuen Reihe mit Filmen aus Frankreich beginnt mit 'Mort d'un pourri', im deutschen 'Der Fall Serrano', einem Politthriller aus dem Jahr 1977 unter der Regie von Georges Lautner, einem der erfolgreichsten Regisseure des Landes, der u.a. mit Belmondo und 'Der Profi' einen Mega-Hit landete. In diesem Thriller mit Alain Delon in der Hauptrolle, der den Film auch zeitgleich produzierte, geht es um die Korruption in der Politik, der Gesellschaft im allgemeinen.
Eines morgens erhält Xavier Marechal, gespielt von Delon', Besuch von seinem Freund Philippe Dubaye, dargestellt von Maurice Ronet, einem Abgeordnetem, der Marechal gesteht einen Mord an einem anderen Politiker im Affekt begangen zu haben, der eine Akte angelegt hatte mit Notizen, Rechnungen und anderen Belegen die nachweisen können, dass alle Politiker mit Rang und Namen in Bestechungen und obskure Machenschaften verwickelt waren. Aus Furcht über die Entblössung seines anderen 'Ich' und dem Ruin seiner politischen Karriere bittet er seinen Freund um ein Alibi für die Tatzeit. Dieser willigt ohne zu zögern ein und gerät damit in einen unaufhaltsamen Strudel von Überwachung, Morden und eskalierender Gewalt. Hochrangige Politiker, Geschäftsleute und Kriminelle versuchen nun in den Besitz dieser Akte zu gelangen, die so hoch brisant ist, dass selbst ein Menschenleben nichts mehr Wert ist.
Das bemerkenswerteste an diesem Film ist der von Delon porträtierte Charakter des Xavier Marechal. Einem unbeirrbaren und unbestechlichen Menschen, der bis zum Schluss seinem toten Freund gegenüber, mit dem er zusammen im Algerien-Krieg gedient hatte, loyal bleibt. Ihm und seinen eigenen Prinzipien. Fast kommt er einem vor wie Don Quijote. Kein Geld, keine Drohung lässt ihn von seinem Pfad abweichen, bis er am überraschenden Ende den Mörder seines Freundes stellt.
Delon wirkt in seiner Darstellung sympathisch, glaubwürdig und zeigt keineswegs die bekannten Manierismen aus vielen anderen seiner Filme. Sein Schauspiel ist ökonomisch und der Rolle vollkommen angemessen. In weiteren Rollen sind zu sehen Ornella Muti, Stephane Audran, Mireille Darc und vollkommen fehlplatziert aber trotzdem beeindruckend Klaus Kinski als undurchsichtiger Manipulator im Hintergrund Nikolas Tomski (!). Lautner selbst sagte, dass er angenehm überrascht von Kinski war und in ihm einen freundlichen und kooperativen Darsteller fand. Klaus Kinski verkörpert einen skrupellosen und undurchsichtigen Charakter, dem selbst die Polizei und die Politik nichts an haben können und hat im letzten Drittel des Films einen fast visionären und wahrhaftigen kleinen Monolog im Hinblick auf die Wirkung und Macht des Geldes als auch auf den 'Lauf der Dinge'.
'Der Fall Serrano' ist komplex, spannend, zynisch und hintergründig. Er reiht sich definitiv in die Reihe der grossen Politthriller ein, die einst Constantin Costa-Gavras aus der Taufe hob. Das Anliegen solcher Filme ist ehrenhaft und respektabel, aber letztendlich werden auch diese Filme nur das bleiben was sie sind: (in diesem Fall: gehobene) Unterhaltung. Regisseur Lautner und sein Hauptdarsteller verstehen es den Zuschauer vom Anfang bis zum Ende an die Hand zu nehmen und sezieren als auch charakterisieren sehr genau den 'Moloch' Politik. Das was gezeigt wird ist nicht neu, aber darum geht es nicht, sondern viel mehr um die Aufdeckung der "Wahrheit". Spinnt man den Gedanken aus dem Film für die Realität weiter, und dafür ist er alle male wichtig, dann kann einem Angst und Bange werden.
Resigniert stellt dies Delon am Ende auch fest.
Der berühmte französische Kamermann Henri Decae liefert routinierte. z.T. aber auch sehr intensive und sehr schön ausgeleuchtete Bilder, wie z.B. Anfangs und am Ende im Apartment von Marechal, wo Figuren in der Halbtotalen bewusst im Gegenlicht fotografiert werden. Die Musik schrieb Philippe Sarde ausgelegt als kleine sinfonische Partitur vorwiegend mit Streicherensemble unterstützt von improvisiert wirkenden Saxofon-Soli gespielt von keinem geringeren als Stan Getz. Die Titelsequenz ganz am Anfang spielt hierbei gekonnt mit den Erwartungen des Zuschauers und stimmt ihn ein auf die bevorstehende Reise!
Es gibt sehr viele wunderbare und atmosphärisch dichte Momente in dem Film, skurrile und sympathische Gestalten wie beispielsweise einem Comic-Zeichner und Künstler, sehr viele Aufnahmen von Paris, die einen wieder auffordern diese wunderschöne Stadt zu besuchen.
Michel Audiard, der Drehbuchautor und Alain Delon wurden beide im folgenden Jahr für den Cesar nominiert.
Der französische Kriminalfilm/ Thriller ist und bleibt etwas besonderes, v.a. stilvolles, das hat 'Mort d'un pourri' wieder einmal und nach über 30 Jahren seiner Erstveröffentlichung bewiesen.
Fortsetzung folgt mit 'I wie Ikarus' mit Yves Montand in der Hauptrolle, der im Januar erstmalig (!) auf DVD veröffentlicht wird.
Rick Deckard