Das weisse Band - Eine deutsche Kindergeschichte. Ein Film von Michael Haneke
Ich bin noch immer zutiefst beeindruckt von diesem Film und er geht mir seit gestern Abend nicht mehr aus dem Kopf. Selten gab es Filme, die mich so beschäftigt haben wie der neue Film von Michael Haneke. Das hat viele Gründe, aber der wichtigste ist, dass er mich kontinuierlich zum denken anregt und mich in vielem auch bestätigt hat. Seit ich diesen Film gesehen habe, kreisen alle Gedanken um den Inhalt dieses Films. Er ist bestechend in seiner Inszenierung und inhaltlich, trotzdem angesiedelt in der Mitte der 2. Dekade des vergangenen Jahrhunderts, ein zeitloser Film. Er ist eine Parabel (link zu der Definition) und als eine solche übertragbar auf alle Kulturen, Religionen und Länder dieser Welt.
Der Film hat mich insofern beeindruckt, als dass ich selbst ein fragender Mensch bin und immer versuche den Dingen auf den Grund zu gehen. Ich suche Antworten. Das paradoxe ist, dass der Film diesbezüglich keine Antworten liefert, sondern selbst Fragen aufwirft, die es zu beantworten gilt. Dieser Film ist keinem zu empfehlen, der klassisches Unterhaltungskino sucht mit einer Einleitung, einem Mittelteil und einer Auflösung am Ende. So leicht macht Haneke es dem Zuschauer nicht. Er fordert einen auf aufzupassen und genau hinzusehen und sich anschliessend seine Gedanken zu machen. Wenn man so will, dann ist das Kunst.
Erstaunlich ist, dass der Film trotz aller dieser Vorgaben auf hohem Niveau unterhaltsam ist. Er spielt in der norddeutschen Tiefebene in einem Dorf, einer dörflichen Gemeinschaft, kurz bevor der erste Weltkrieg beginnt. Der Zuschauer bekommt die damaligen gesellschaftlichen Strukturen gezeigt, in der der Adel, die Kirche und die Bauern in einer zweckdienlichen Gemeinschaft leben. Innerhalb dieser Strukturen geschehen mysteriöse Dinge. Seltsame Unfälle und Folter überschatten die Tagesordnung. Man erhält Einblicke in die Erziehung von Kindern und wird Zeuge unmenschlichen Verhaltens, welches sich nicht in spektakulären Szenen äussert, sondern in Blicken, Gesten und Dialogen. Die Atmosphäre in diesem Film ist sehr bedrückend und unruhig. Das liegt v.a. an der Inszenierung und an der Kamera von Christian Berger. Solche Ausleuchtungen, solche Bilder in schwarz-weiss habe ich selten zuvor gesehen. Beeindruckende Einstellungen, die aber nie für sich alleine stehen, sondern die Idee des Films vollends unterstützen.
Es wäre ein leichtes hier im Blog zu schreiben, worum es eigentlich in dem Film geht. Wie gesagt, am Ende des Films steht man nicht auf und jubelt voller Euphorie und schreit die Floskeln heraus über grossartige Filme und Regisseure. Diese Euphorie stellt sich sich ganz langsam und ganz allmählich ein, wenn der Film anfängt nach und nach zu wirken, dann erst wird man sich bewusst, was für eine meisterhafte Leistung 'Das weisse Band' ist. Ich muss sagen, dass ich Haneke nach diesem Film bewundere. Er hat genau das gemacht, nach dem gesucht und geforscht, wonach ich ständig gefragt habe. Er liefert eine mögliche Erklärung, wenn nicht eine definitive Antwort auf viele Fragen und für diese Idee, diesen Mut und diesen Eifer kann man vor diesem Regisseur und Menschen nur den Hut ziehen.
Ich schliesse mich mit diesen Zeilen der Idee des Regisseurs an: schriebe ich hier über die Aussage des Films, würde ich es allen, die den Film noch nicht gesehen haben das Essen fertig zubereitet auf den Tisch stellen. Aber diese Mühe muss sich jeder selbst machen, denn genau darin liegt die Idee: entdecken, nachdenken und verstehen. Er macht einem sicherlich auch Kopfzerbrechen, aber wann kann man von einem Film sagen, dass er das tut?
An Mr. Lomax: Gerade für Sie ist das ein MUSS und PFLICHT. Leider eignet sich dieses Medium nicht für eine sinnvolle Diskussion, aber ich VERSPRECHE Ihnen, dass nachdem Sie den Film gesehen habe, wir eine sehr gehaltvolle und interessante Diskussion führen werden. Sie werden vieles von dem worüber wir uns immer unterhalten hier zu sehen bekommen und auch ich sage es Ihnen nochmals zu, dass ich mich, sobald auch nur ein Funke von etwas mehr Zeit zu erkennen ist, Edgar Reitz und 'Heimat' zuwenden werde. Aber bis dort hoffe ich inständig, dass gerade Sie sich diesen Film ansehen werden.
Ein brillanter Film.
Ein extrem intelligenter Film.
Ein Meisterwerk der Filmgeschichte.
In seiner Aussage universell und zugleich herausfordernd.
Rick Deckard
P.S. Für die, die keine Lust haben sich diese Mühe zu machen hier einige Links in denen vieles erklärt und aufgelöst wird:
link Artikel auf Zeit.de
link Artikel auf sueddeutsche.de
link Interview mit Michael Haneke auf taz.de
link zum Beitrag auf arte.tv
link Artikel auf Spiegel.de
link Artikel auf Welt.de
link zu gesammelten deutschen Pressestimmen auf film-zeit.de