Dark Shadows von Tim Burton

von Rick Deckard  -  3. Oktober 2012, 14:11  -  #Filme

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Wir wägen gegeneinander ab, erst das Negative, dann das Positive.

Was hat Burton hier versucht? Einen Mix zwischen klassischem Vampirfilm, Old School-Grusel, dem Genre des Zeitreisefilms, Komödie und Drama zugleich.

Kann das gelingen? Nein.

Ist es gelungen? Nein.

Der Beginn des Films ist "Burton pur": Dunkelheit, Bedrohung, Düsternis, Tragödie, Drama, Schwärze und Nacht. Das gelingt ihm sehr gut. Als der Wechsel in die Neuzeit erfolgt, versucht der Regisseur eine elegante Mischung aus verschiedenen Genres herbei zu zaubern und diese zu erhalten. Das ist definitiv zu viel. Im ersten Moment überkommen einem wohlige Schauer, im nächsten driftet alles ins alberne ab. Dieser stetige unausgegorene Mischmasch ist das grösste Manko. Hat man sich emotional auf eine Stimmung eingestellt, folgt abrupt ein harscher Wechsel. Das hätte gut gehen können, wenn sich Regisseur und Drehbuchautor an die Stilismen eines oder zweier Genre gehalten hätten.

Apropos Autoren: Ein weiterer Nachteil ist, dass dem Zuschauer im Prolog nicht ganz ersichtlich wird, woher der Charakter der Eva Green plötzlich kommt und wie und warum die Beziehung zu Barnabas Collins aka Johnny Depp gesucht wird. Das passiert zu schnell, vermutlich nur, um ein Motiv für die folgende Handlung zu liefern - der Zuschauer ist aber nicht dumm. Daher mangelt es der Handlung auch den ganzen Film hindurch an Plausibilität (wohl wissend, dass es sich um einen Kinofilm handelt). 

Eine weitere Schwäche ist die Optik. In Zeiten perfekter Visualisierungsmöglichkeiten kommt der neue Film von Burton fast fahrlässig daher, was die Ausleuchtung, die Kamera und auch die Spezialeffekte betrifft, phasenweise wirken die Bilder wie ein aufgebauschter Fernsehfilm. Das enttäuscht, gerade weil Tim Burton auch stets ein Meister der Bildgestaltung war (ist).

Kommen wir zum Positiven. Gerade zu Beginn des Films ist von dieser Optik einiges zu sehen, binnen weniger Minuten wird der Zuschauer förmlich in die Bilder hineingesogen und dann Macht Burton etwas, was das Herz eines jeden Cineasten höher schlagen lässt: Er lässt sich Zeit und leitet nach dem Prolog eine Titelsequenz ein, etwas was im modernen Kino, aus welchen Gründen auch immer, nicht en vogue ist. Zu einem Klassiker der Popmusik gleitet die Kamera durch die Lüfte. Wahrlich ein grosser Moment. Ach ja, die Musik! Ein weiterer Pluspunkt des Films. Die Auswahl der Songs, die Zusammenstellung des Soundtracks hat es in sich. Nicht nur, dass die Songs perfekt gewählt sind, es ist ein Who's Who der Popmusik-Kultur: The Moody Blues, Iggy PoP, Donovan, The Carpenters, Barry White und Alice Cooper. Dazu werden die Bilder in einigen Szenen so grossartig zur Musik geschnitten, dass man schmunzeln muss. Auch die orchestrale Filmmusik von Danny Elfman hat es in sich. Der Stammkomponist verzichtet auf gothischen Bombast und seine stereotypen Kinderchöre, sondern schreibt eine düstere, melodische, dramatische und sehr passende Musik zu den Szenen.

Ein weiteres positives Element sind die Einzeiler, die Dialoge, die für den Charakter des Barnabas Collins geschrieben wurden. Der Film ist phasenweise äusserst komisch, hat in diesen Momenten ein perfektes Timing und verleitet nicht nur einmal zum Lachen. Der Kontrast zwischen Vergangenheit und Moderne (im Film die Siebziger Jahre) ist hierfür maßgeblich. Immer wenn Depp damit konfrontiert wird, resultieren die witzigsten Szenen, gar gepaart mit beissender Kritik (siehe z.B. die Sequenz, nachdem Depp dem Sarg entstiegen ist).

Die Besetzung ist grossartig und alle Akteure nehmen ihre Rollen durchaus Ernst ohne den Humor aussen vor zu lassen. Es gibt ein Wiedersehen mit Michelle Pfeiffer (die ihre Rolle fast ein wenig zu Ernst nimmt) und Helena Bonham Carter, sowie ein Cameo einer (Horror-)Schauspiellegende. Den Gegenpart von Johnny Depp verkörpert Eva Green, die höchst lasziv und verführerisch Depp um den Finger zu wickeln weiss und eine Mischung aus Femme fatale und Sirene auf die Leinwand zaubert.

Wie wägt man nun beides gegeneinander ab?

Die Emotionen diesbezüglich durchlaufen bereits beim Sehen eine Achterbahnfahrt:Mainstream, Kult und Trash geben sich wechselseitig die Hand. Fast hat man das Gefühl, die Produzenten oder das Studio hätten Tim Burton ins Handwerk gepfuscht. Wäre der Regisseur einer Linie Treu geblieben und hätte den Schwerpunkt auf die Komödie gelegt, wäre ihm ein grossartiger Film gelungen, das Potential war da. So verbleibt ein schaler Beigeschmack und die Hoffnung, dass Tim Burton sich auf seine einstigen und wahren Qualitäten besinnt, die positiven Gründe belegen dies nur allzu gut.

Dark Shadows ist ein mäßig spannender und wenig origineller Film geworden mit frivol-komödiantischen Elementen, der mehr verdient hätte.

Rick Deckard

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