Carsten „Erobique“ Meyer und Sophia Kennedy – Moments of Pleasure – Depot2 /Schauspiel Köln, 13.11.2013

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  14. November 2013, 11:41  -  #Populäre Musik

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Keine Umleitung, klares Wort! Ich bin Fan. Und zwar schon lange! Eigentlich noch länger, als diese bereits geschriebenen Artikel:

http://www.lomax-deckard.de/article-wie-soll-es-weiter-gehen-erobique-jacques-palminger-songs-for-joy-38571279.html

http://www.lomax-deckard.de/article-erobique-hans-nieswandt-koln-heinz-gaul-02-marz-2013-115907570.html

http://www.lomax-deckard.de/article-carsten-erobique-meyer-macht-schone-musik-114908265.html

…aber es wäre zu vollendet, wenn man noch die Safari zu Fischmob und International Pony unternehmen müsste. Zu groß der Bauchladen, zu lange die Geschichte. Konzentration also auf die Gegenwart und den gestrigen Abend:

Gemeinsam mit der 23-Jährigen Chansonette (falsch), Sängerin (zu wenig!), Darstellerin (auch), Croonerin (ja, so ne Mischung halt) Sophia Kennedy, ebenfalls aus Hamburg, steht der deutsche Rick Rubin Carsten „Erobique“ Meyer also auf der ungewohnten Theaterbühne. Wie dieses Konzert in der Halle, im Kontext „Schauspiel“ zustande kam. Ist mir unklar. Staatsakt vertreibt, Conway veröffentlicht, das Konzept im Schauspielhaus Köln bleibt unklar. Erschließt sich aber, nach 5 weiteren Absätzen.

Bereits nach der zweiten Nummer geht man der spexschen Frage nach, „warum das eigentlich so lange gedauert hat, bis es mal guten, hiesigen und verhuschten Schlafzimmer –Disco-Pop à la Nite Jewel & Co gab?

Ich würde sogar noch weiter gehen und sagen, dass es schon erstaunlich ist, dass das was Sophia Kennedy und Carsten Meyer aufführen, noch keiner gemacht hat. Und ich gehe steil! Ich kenne die Antwort, im Gegensatz zum Spex, die „gerade keine passende These zur Hand hatten“.

Einerseits denke ich das es erst seit einigen Jahren ein Publikum gibt, welches aufgeklärt genug ist, Popballaden mit betörenden Orgelsounds und drübergelegten 1980er Synthie-Pattern augenzwinkernd zu verstehen. Weil man dafür sicherlich die ein oder andere Platte, die den Weg aus der Subkultur in die nächste kommerzielle Liga geschafft hat, gehört haben sollte. Und dabei spreche ich gar nicht mal von den Carpenters, Herb Alpert oder anderen alt-bekannten Musikjournalien „Standardnamen“, sondern auch oft gehörte und verkaufte Scheiben wie AIR’s  Score zu „The Virgin Suicides“ exkl. dem Soundtrackhit bzw. Klassiker von  Todd Rundgren „Hello It’s Me“ oder dem durchaus kommerziell erfolgreichen  Reissue der grandiosen Blackbyrds von vor ein paar Wochen. „Die Leute hören das!“ Anderseits gibt es halt Musiker wie Carsten Meyer die ausgebildet und universal interessiert sind. Mit anderen Worten keinen  qualitativen Unterschied zwischen Housemusik und orchestraler Filmmusik machen. So lange die Interpretation stimmt bzw. der besondere musikalische Moment vorhanden ist.

Und so stehen die beiden obersympathischen Musiker auf der total leeren Theaterbühne des Depot 2 vor ca. 100 Zuschauern! Vor ihnen 2 Flamingos (Alliteration für Entertainment = Crooner = Sinatra), ein ausgestopftes Lamm (Alliteration für Bodenständigkeit = handwerkliche musikalische Kunst = George Gershwin), einem Zirkuspferd (Alliteration für Spaß und schnelle Unterhaltung = Pop Humor = Lindley Armstrong „Spike“ Jones) und natürlich einer Diskokugel (Alliteration = …eine handsignierte Patti La Belle CD von mir, wer es weiß). Natürlich sind Meyer und Kennedy Außenseiter, Freaks, Darsteller. Und sie lieben es, sie leben, diese Rolle. Meyer in schwarzem Second-Hand Smoking und „Harvard“-Pudelmütze, Kennedy in einem weißen, engelsgleichen Kleid.

Sie steht vor einem Keyboard, kann die ganz großen Gesten und wirkt überhaupt nicht peinlich, wenn sie die Arme predigend erhebt und vorher den 20 EURO Ventilator vom Saturn anstellt, damit ihr dünnes Haar, dramatisch im Wind weht. Er Ketterauchend, leicht versoffen, aber geschmeidig, das schusselige, derb hanseatische musikalische Genie gebend. Tatsächlich ein Schauspiel! Nein, natürlich nicht „Die Schöne und das Biest“, sondern ehr „Porgy & Bess“, ohne afroamerikanische Darsteller.

Eine Stunde hören wir wunderbare Musik, auf die man sich nicht einlassen muss, sondern die sich weitestgehend einschleimt. Carsten Meyer könnte diese Liaison zum Weltruhm führen, wenn er nicht so voller Melodien, Ideen und Vielfalt stecken würde. Der Mann ist einfach voller Töne und Harmonien die offensichtlich raus müssen und eben nicht minimiert werden können (dürfen!). Was man ja oft von Popmusik erwartet oder ihr oktroyiert wird.

Daft Punk zeigen derzeitig auf dem neuen Album, wie man reduziert, um erfolgreich zu sein. Leider wird die Platte „Random Access Memories“ auch schnell langweilig, weil ihr eben der Soul entzogen wurde, die Spontanität und das Warme! Erobique geht ehr den Weg eines Stevie Wonders und reitet mühelos über die Oktaven, durchkämmt sie und geht verschwenderisch mit Klangfarben um, dass es nur so eine Wonne ist.

Natürlich muss das nicht jedem gefallen! …und Musiktheorie ist langweilig! Trotzdem können Grundkenntnisse in Harmonielehre nicht schaden. Und ich bin froh, dass Meyer dem Mittel der Reduktion (Heinrich Schenker) nicht nachgeht. Hat er in seinen Projekten noch nie und ordnet sich daher auch selbst (vielleicht ungewollt) in die Welt der Komponisten, Arrangeure und Meistermusiker ein, als im ewigen Erfolg der Reduktion verortet zu werden.

Man kann diese Theorie stützen, nacherleben bzw. könnte ich sie mit Hörbeispielen „Popmusikalisch“ belegen. Kein Mensch, wird es tun, aber trotzdem hätte es einen Wert (oder ich kann mir zumindest kritische Kommentare ersparen, weil sich keiner traut!). Also, denken sie einmal an die französische Band J.U.S.T.I.C.E und die ehemalige Carsten Meyer Band „The International Pony“. Hören sie die Platten und überlegen einmal, warum beide Bands schematisch gleich klingen, aber formbildend komplett unterschiedlich sind.

Und so ist dann mit trivialen Popballaden und der wunderbaren Musik von Sophia Kennedy und Carsten „Erobique“ Meyer auch. Sie ist ironisch, fesselnd, schön, tanzbar und irgendwie kitschig, aber schick! Genau wie der kurze Abend, der Auftritt und dem Gefühl, wenn man die Halle verlässt, dass nun irgendwas zwischen „Rebellion“ und „Würde“ passieren muss oder eben das die beiden irgendwie was mit „Sex“, „Erotik“ und „Weltmännischem“ zu tun haben (My Mouth / Bass ist Boss)

Alan Lomax

 

Weil es so schön ist und etwas im Zusammenhang steht, mit dem da oben:

http://www.bpb.de/mediathek/609/my-mouth-beautiful-day

 

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