Boxhagener Platz – Matti Geschonneck und was passiert, wenn man doch „rüber gemacht hat“
Mal wieder einen deutschen Film sehen. Mit einer deutsch-deutschen Thematik. Das habe ich mir gestern Abend gedacht. Also, arte an und den Film „Boxhagener Platz“ von Matti Geschonneck gesehen.
Natürlich wird auch hier inzwischen automatisch die Vergleichsschublade in meinem Hirn aufgezogen. Allerdings kommen die vergleichbaren Streifen „Sonnenallee“ (Haussmann) und das „Leben der anderen“ (Donnersmarck), wesentlich professioneller, cineastischer, internationaler daher. Das liegt nicht unbedingt an der etwas steifen Inszenierung, sondern vielleicht auch daran, dass wir eine Milieustudie zu sehen bekommen, die versucht den Geruch der Straße, des ostdeutschen Proletariats abzubilden. Ein unliebsames Sujet.
Der jugendliche Holger erlebt im Bezirk Friederichshain, zwischen FDJ und Familie, im Jahre 1968, das Leben der Erwachsenen. Seine Oma serviert ihm Kohlrouladen, seine Eltern haben Eheprobleme, das Viertel „Boxhagener Platz“ erlebt seinen DDR-Alltag.
Stilistisch ist der Film gut zwischen Tragödie und Komödie angelegt. Dabei bleibt der Streifen von 2010 allerdings permanent unbedeutend und verliert sich in der Vielfalt der Handlungsstränge und der Unfähigkeit des Filmemachers, seinen guten Schauspielern (allen voran Michael Gwisdek), eine charakterliche Tiefe und dem Film damit Schärfe zu verleihen.
Was passiert, wenn man das Proletariat des Osten verlassen hat und man die resoluten Familienoberhäupter nicht mehr ertragen konnte, deswegen in den Westen geflüchtet ist und man so diese triste Atmosphäre der DDR nicht mehr erleben musste, haben mir ein paar Tage zuvor Nina Hagen und Katharina Thalbach gezeigt. In der wirklich besten Dokumentarreihe des deutschen Fernsehens „Durch die Nacht mit…“ sah man die beiden Ex-Ost-Damen-Jetzt-West-Prominenz durch das Nachtleben von Ibiza ziehen.
Das war 60 Minuten erschütterndes Fernsehen, da die Verstörtheit und der betrunkene Zustand von Katharina Thalbach und die peinliche Ernüchterung darüber von Nina Hagen fast greifbar waren. Ob daran nun, wie bei Holger am Boxhagener Platz oder die angeborene Exaltiertheit der Damen die kruden Kunstfamilien daran schuld sind? Man wird es nie erfahren...
Mehr über Berlin, demnächst von unserem Hauptstadtkorrespodenten Rick Deckard!
Alan Lomax