Body and Soul - Joe Jackson
Ein Mann sitzt in Gedanken versunken und blickt nach oben. Was mag er wohl denken? Oder denkt er gar nicht und schaut in die Ferne oder einfach nur an die Decke? Von der Strenge des Blickes abgeleitet scheint er sehr fokussiert auf etwas. Vielleicht ist er aber einfach nur müde von der Aufnahme-Session und raucht in der Pause eine Zigarette? Wir werden es nicht erfahren. Vor ihm fast wie ein Sprachrohr oder Alpenhorn ein Saxophon. Fast demütig verschwindet der Charakter hinter dem Instrument. 3 Farben dominieren das Cover von Body and Soul, dunkles, schmutziges Rot, Weiss und Schwarz. Erinnert fern an das 'Aja' Cover von Steely Dan und natürlich an die grosse Cover Art von Blue Note und Musikern wie Dexter Gordon oder Sonny Rollins. Joe Jackson steht selbstbewusst im Vordergrund, mit Stilsicherheit und klein aber prägnant 'Body and Soul' am rechten Rand. Was für ein schönes Cover!
Und eben dieses Cover verleitete mich gestern umgehend das Album zu laden. Sehr häufig habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Musik in gewisser Weise mit dem Artwork korreliert. Irgendetwas wollen die Künstler ja immer ausdrücken und der erste Schritt den Käufer zu animieren nebst anderen wichtigen Entscheidungen ist das Bild auf der CD oder der LP. Apropos LP: ich hätte mir gestern so sehr gewünscht einen Plattenspieler hier stehen zu haben. Dieses Album muss man auf LP besitzen und hören, soviel steht seit gestern fest. Ich stellte mir vor, wie ich die Platte aus dem Cover hole, den Tonarm auflege und der Musik lausche. Bald ist es soweit, Ende des Jahres werde ich mir einen Plattenspieler leisten. Es geht nicht mehr anders. Ausserdem kann man diese schönen Alben auch wunderbar an die Wand hängen!
Joe Jackson ist ein merkwürdiger Kandidat, immer schon gewesen. Kandidat in Bezug auf die Aufnahme der persönlichen 'Hall of Fame' oder die Theke da oben. Eine faszinierende Mischung aus Anspruch und Eigenständigkeit verbunden mit exzessivem Hang zum Mainstream. Jedes mal wenn ich seine Musik höre ergeht es mir so und auch gestern war es wieder der Fall. Mich verwundert meine kritische Haltung selbst ein wenig, da doch genau das mein Anspruch an die PoP Musik ist, also warum dann diese Haltung? Vielleicht liegt das an einer Erwartungshaltung die sagt: Mensch Joe! Du kannst noch mehr, lass doch diese allgemein gültigen und bekannten musikalischen Floskeln! Konzentrier Dich auf Dein Können! Andererseits aber ist genau diese Mischung aus künstlerischem Anspruch und Befriedigung musikalischer Bedürfnisse aller das, was ein Joe Jackson Album oder dieses so reizvoll macht.
Was gestern wieder auffiel und in jedem Stück mehr als präsent war, war der Klang und Sound des Albums. Alles wirkt präzise, sauber und glasklar, was natürlich durch das komprimierte Dateiformat noch klarer und sauberer wirkt. Wie das wohl auf Platte klingt oder CD? Ich las vorhin, dass das Album in irgendeiner Turnhalle aufgenommen wurde mit mehreren Mikros, die von der Decke hingen. Ausserdem schien der Herr gesteigerten Wert auf den Klang gelegt zu haben. Man hört alle Instrumente deutlich heraus, insbesondere das Klavier. Aber auch Saxophon, Trompete und die Bläser sind deutlich heraus gezeichnet. Ich habe gestern lange darüber nachgedacht, ob das klassische Mucker-Musik ist? Dann aber kamen Zweifel auf, wegen 80'er Synthesizer-Passagen die wieder in Euphorie-Wellen endeten aufgrund wunderbarer Jazz Elemente, Funk, exzellenten Arrangements und wunderbaren Melodien. Das ist PoP Musik mit Appeal, "banal" und anspruchsvoll zugleich. Bitte das "banal" nicht überbewerten.
Das ging mir gestern durch den Kopf:
The Verdict beginnt mit Klavierakkorden in hoher Tonlage, es kommen brachiale Bläser dazu und alles klingt sehr erdig. Jackson führt die Musik immer wieder zu seinem Piano zurück und will die Oberhand behalten. Ein Hybrid dieser Song aus 'Piano Man', Rock Riffs und Big Band Sound. Lässt einem keine Zeit zum nachdenken.
Cha Cha Loco ist Latin flavored rhythm intoniert vom Piano. Interessanter Wechsel. Wo führt das Album hin? "Cha Cha Loco" wird fast verächtlich gesungen bevor für eine kurze Zeit Bacharach-jazzige Attitüden wieder davon wegführen um einen wieder daran zu erinnern, dass man in Kuba am Strand tanzt und Rum trinkt. Aha! Ein Saxophon wagt sich fast verschämt aus dem Konglomerat. Dekonstruktivistischer Latin PoP. Tolle Nummer.
Not Here, Not Now verbreitet melancholische Grundstimmung. Warmer Gesang. Die Synthies stören nicht. An wen erinnert mich bloss diese Stimme? Der Klang dieser Stimme trägt dieses Lied vom Anfang bis zum Ende und ist dominant. Schöne Trompete ab 3:33. Diese kleinen solistischen Einwürfe sind charming. Klavier und Spieler sind eine Symbiose. Eine schroffe Ballade, das ist genau die Kunst einen solchen Song nicht zur Schmonzette zu machen.
You can't get what you want geht sofort in die Beine. Bekannt. Aha Effekt. Kenne ich doch! Exzellente Gitarre im Hintergrund. Ganz grosser Song. Erinnert sofort an die guten Momente in den 80'er Jahren. Erinnert an Style Council. Schöner Groove. Perfekter PoP. Vordergründig einfacher Bass später mit stylish-jazziger Gitarre und Solo. Herrlich frische Bläser, Akzente setzend. Muss tief durchatmen. Solche Songs rufen immer eines an Assoziationen hervor: Sonne, Freiheit, Style, Abend und Spass. Grossartig Joe Jackson!
Go for it. Was ist das? Erinnert an Disco Anfänge. Go for it! Jackson singt mit Chor und immer wieder hört man diese Orgel im Hintergrund. Treibender, stampfender, stapfender Main Stream Rhythmus. Erinnert an Parties im Jugendheim im Alter von 16 Jahren. Oder spielen mir meine Assoziationen einen Streich? Merkwürdiger Track. Ab 2:41 dann wieder Bläser, die völlig anders klingen als dieser Song. Jackson dreht durch! Schweiss treibende Musik. Brachial, muskulös und laut.
Loisaida. Die Sonne geht auf..., oder unter? Ein wehmütiges Saxophon macht den Anfang. Stimmung nur schwer zu fassen. Das Klavier pumpt in die vollen. Eine Trompete spielt. Tief durchatmen. Grosser Sound. Singt hier keiner? Ein Intro! Ab 2:14 trägt das Klavier die Stimmung mit Akkorden weiter. Die linke spielt verstohlen und ängstlich-erwartungsvoll im Hintergrund. Dann Sax und Bläser und alles geht in Van Dyke Park'sche und Wilson'sche Höhen. Klasse Non-Vocal Musik. Sehr schönes Arrangement. Das also ist Loisaida.
Happy Ending. Ein Duett. AAAh! Das kenne ich doch auch. Mann O Mann - das ist Joe Jackson!? Kult! Gross! Wunderbar! Was für SCHÖNE Erinnerungen an die 80'er Jahre. Ein Hit! Das ist ein perfekter PoP Song. Sax und Klavier harmonieren. Mit wem singt er da? Das wird die Hymne für diesen Sommer!
Be My Number Two. Immer wieder herrlich dieses Piano. Jackson wirkt in seinem Gesang manchmal wie ein Jüngling der sich weigert erwachsen zu werden. Viele Erinnerungen an alle bekannten Piano-Männer werden wach. Traumwandlerisch schön. Das wird immer wieder gespielt werden. Einziges Manko: Er hätte den Song nur mit seiner Simme und Klavier enden lassen sollen.
Heart of Ice. Ein toller leiser ewig anhaltender Eröffnungsbeat. Spannender Anfang. Wow! Hier und da Einsprengsel von einer Flöte, den Bläsern. Sixties Feeling. Ab 1:41 kommt das Piano, Bass und Schlagzeug. Sax spielt die Melodie auch. Die Füsse wippen unentwegt mit. Wann kommt die Auflösung? Oder ist das die Lösung? Ja, stimmt. Interessanter Ansatz. Schon wieder ein Non Vocal Nummer. Mir gefällt das. Da ist sehr sehr viel Potential zu erkennen. Warum hat der nicht hier weiter gemacht der Joe? Ab 05:04 dann Gesang, als sei das jetzt vollkommen normal. Ein guter Abschluss eines muckrigen Albums.
Ich verstehe schon: Das ist Musik für den Körper und die Seele.
Erstklassiges Album.
Rick Deckard
P.S. Perfekter Master-Plan Mr. Lomax!