Ben Stiller - Das erstaunliche Leben des Walter Mitty
Man könnte wohl sagen das Walter Mitty eine Legende in Hollywood ist. Der Autor James Thurber hat die Kurzgeschichte bereits 1939 für den „New Yorker“ geschrieben! Danny Kaye gab den Walter-Mitty 1947 in einem lustigen, für die Zeit gemäßen Sing-und Tanzspiel. Jim Carrey sollte dann in den 1990er folgen. Sogar Spielberg war im Gespräch den Stoff erneut zu verfilmen. Ben Stiller übernahm dann 2011 das Projekt und verwandelte den Streifen in einen medienkritischen Blockbuster.
Alles was wir in dem Film zu sehen bekommen macht Sinn, ist schön, tut gut, fühlt sich warm und richtig an. Insbesondere Walter Mitty’s Tagträume machen in der ersten Hälfte des Filmes viel Spaß und lassen Freiraum für schöne Anspielungen und gelungene Querverweise. Die wohl denkwürdigste Sequenz ist die Anspielung an David Finchers Pathos „Der seltsame Fall des Benjamin Buttons“, die man als Stillers gelunge Kritik an den Wahnsinn der digitalen Bilderflut verstehen darf.
Leider ist das auch zugleich die größte Kritik an dem Film. Die schöne, aus cineastischer Sicht, Möglichkeit des direkten Vergleichs und gleichsamen verträumten Vorteils der analogen Fotokunst in einer digitalen Welt ist leider nicht gelungen, obwohl Mitty (Ben Stiller) ja tief unten im Keller das Fotoarchiv des legendären „Life-Magazin“ verwaltet.
Überhaupt hinterlässt der Film den Eindruck, dass Ben Stiller künstlerisch mit dem Stoff überfordert war. Es gibt zwar duzendende von wunderschönen, kontextuellen Sequenzen, die allerdings mit dem Verlauf der Geschichte, häufig nichts zu tun haben. Es fehlt die geschlossene Bogen, die berühmte Dramaturgie die diesen Film leider nur zu einem guten Film macht, obwohl er das Potenzial gehabt hätte einer der großen Blockbuster und gleichzeitigen sinnvollen Filme dieses Jahrzehnts zu werden.
Aus meiner Sicht hat Stiller einen wesentlichen Fehler gemacht. Er hat seine eigene vorhandene midlife Krise in den zentralen Mittelpunkt des Filmes gestellt und dabei vergessen, welche romantische, tief mystische Kraft die geniale Geschichte von Thurber eigentlich hat.
Der überforderte Walter Mitty kämpft in der zweieinhalbseitigen Geschichte nicht nur gegen die Tücken der modernen Welt, sondern auch gegen die Natur, gegen sich selbst, gegen die Gesellschaft und gegen das Gewissen.
Stiller setzt genau das um, vergisst dabei aber die Stilistik und rückt sich selbst in den Mittelpunkt. Wahrscheinlich hätte dem Film ein anderer Hauptdarsteller und gleicher Regie oder einem anderen Regisseur mit gleichem Hauptdarsteller gut getan. Zu viel Stiller also?
Ehr zu wenig Tim Burton! Unweigerlich muss ich an sein Meisterwerk „Big Fish“ denken. Ein ähnlich opulent ausgestattetes und hoffnungslos romantisches Märchen mit dem Hauptmuster Träumerei als Vernunft. Burton allerdings gelingt eine schwelgerische, expressive Bildkomposition und eine „Hommage ans Geschichtenerzählen und ans Kino“ (Lexikon des Internationalen Films), während Stiller es verpasst eine Hommage an das analoge Fotografieren zuerschaffen und sich in der privaten Komplexität seiner Gedanken verliert.
Allerdings sind Ben Stillers Gedankenwelten schön anzusehen und so ist dieser Film zumindest ein erstklassiger „Wohlfühl-Film“ geworden, der einem den Glauben an das Gute und Wahrhaftige zurück, gibt. Und das ist ja wohl schon mal was!
„Das Leben sehen, die Welt sehen, Augenzeuge großer Ereignisse sein, die Gesichter der Armen und das Gehabe der Stolzen erblicken – Maschinen, Armeen, Menschenmassen, Schatten im Dschungel und auf der Mondoberfläche; die Werke des Menschen sehen, seine Gemälde, Bauwerke; Dinge wahrnehmen, die Tausende von Kilometern entfernt sind, hinter Mauern, in Innenräumen, an die heranzukommen gefährlich ist; Frauen, die Männer lieben, und Scharen von Kindern; sehen und am Sehen Freude haben; sehen und staunen; sehen und belehrt werden.“
Absichtserklärung „Life Magazin“ (1936)
Alan Lomax