Nur die Interessanten

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  4. September 2009, 15:09  -  #Kommunikation

'Die Sterne' haben Recht. Aber es geht (leider) nicht um diese grossartige Gruppe, sondern um die Gedanken zum Wochenende. Und womit sonst sollte es auch losgehen, als mit der guten alten Tante Musik. Gerade eben war ich wieder bei meinem beliebten Online Store und wollte Musik laden um etwas für die Kolumne 'Download' beizutragen, aber es endete bei 2 mickrigen Tracks, definitiv zu wenig. Dass heisst: Vor einigen Tagen hatte ich bereits 10 Tracks gekauft, aber die sind nicht der Rede wert. Vorhin habe ich bei einem Stück Frankfurter Kranz mit einem gepressten Kaffee über das neue Willie Nelson Album in einem bekannten Jazz Magazin gelesen. Der Schlusssatz der Kritik lautete:" ... für ein Publikum, das auch in Zeiten wie diesen noch unbeirrt den amerikanischen Traum träumt." Recht haben sie die Damen und Herren, auch ich gehöre zu denen, die Zeit lebens diesem Traum hinterher jagen werden. 'To Hell' mit dem Lehman Bros.,ich lasse mir meine Träume nicht verleiden, durch kein Geld der Welt! Gerade heute morgen als mein Radio-Wecker mich um 06:00 Uhr aus dem Bett schmiss fragte doch einer dieser idiotischen Moderatoren, "... jetzt da die Krise vorbei (!) ist: Wie haben Sie denn die Krise erlebt?" Ja ist denn alles nur noch Event in heutigen Tagen? Zurück zu Onkel Willie, dem Joint rauchenden Troubadour. Ich lud natürlich die Tracks in denen er mit den Damen Krall & Jones im Duett singt und einen Klassiker: 'Nearness Of You'. Fürwahr ein Klassiker! Warum soll ich es weiter begründen? Ich liebe die Stimme von Willie Nelson und wenn ich ihn höre, dann mit Ihm den amerikanischen Traum. Solche Inhalte können Stimmen auch vermitteln, man kann es kaum glauben.

Angeregt durch den Lomax'schen Link gestern war ich erfreut die neue EP von 'Element Of Crime' zu sehen und horchte hinein und schnell wieder heraus. Regener singt da mal wieder knarzig von irgendwelchem Provinz Trash. Ich weiss: Die EOC Fans erwarten natürlich genau das, aber
ich eben nicht. Gut, man kann sich nicht alle Jahre neu erfinden, aber ist es denn nicht Originalität die Mühe erfordert und ein gewisses Mass an Talent voraussetzt welches erforderlich ist, diese immer wieder auf das neue zu fördern? Warum soll ich mir die neue Scheibe von denen anhören, wenn zum x-ten mal alles so klingt wie vorher? Das ist mir zu langweilig. Da kann ich auch gleich die alten Scheiben heraus kramen. Freund Jochen D. hat mit 'Hiob' eine erste Single aus dem neuen Album heraus gekoppelt und er dreht ab: raue Gitarre, fühlbarer Bass und unverständlicher Text. Trotzdem gut. Da steckt mehr dahinter und ich werde erst nach Genuss des ganzen Albums richten. Das klingt jetzt etwas zu martalisch, ich meine natürlich urteilen. Ende September ist es soweit. 

Was sehe ich da? 'Prefab Sprout' hat ein neues Album draussen? Hmm, soll ich, oder soll ich nicht? Ich hörte hinein und war enttäuscht. Das klang alles so, wie es bei P.S. eben klingt und noch ein bisschen schlechter. Nee Freunde, das ist nichts für mich. Paddy McAloon in Ehren, aber die Songs landen mit Sicherheit nicht auf meiner Festplatte. In einer anderen Ecke des Anbieters sah ich diesen Ufo-Jäger mit seiner neuen Single, lud einen Jazz- und einen Soundtrack und verliess meinen Online Händler um mich meinem Kranz und dem Kaffee zu widmen.


Es gibt doch nichts schöneres als zum bevorstehenden Wochenende sich durch eine Zeitschrift zu blättern, in diesem Fall über Jazz. In unsäglich schlechten rosafarbenen Klamotten ist da Roy Hargrove auf dem Cover abgebildet. Nichts gegen Geschmack, sich darüber streiten wollen etc., aber, um es in wunderbarem Neu-Deutsch zu sagen, Rosa ist ein 'No-Go'. Das geht gar nicht. Was mich wohl auf den kommenden Seiten erwartet? Terry Callier sehe ich da und Max.Bab. Überfliege die 'Notes from New York' und lese einen interessanten Artikel mit der Überschrift 'The Real Change - Was hat den Jazz verändert'. Gäbe es diese Veränderungen doch bloss jetzt, in diesem super langweiligen, von Konformismus, Kapitalismus, Gleichgültigkeit, Langeweile, Konsum und Egoismus geprägtem Jahrzehnt. Nur: Wie soll sich Kunst aus eben diesen genannten Attributen heraus ändern oder weiter entwickeln? Ein Widerspruch in sich! Dann kommen Sie, die über die grössere Artikel verfasst werden: Jan Garbarek, Courtney Pine und andere. Aber auch wieder ein Blick zurück in die Historie, über einen Stil der sich 'Rocksteady' nannte und den Reggae beeinflusst haben soll.

Auf den folgenden Seiten sehe ich eine ganzseitige Werbung: Barbra Streisand und nicht! Barbara bringt ein neues Album heraus. Gähn. Auf dem Cover sitzt sie auf einem Sofa, kuschelt mit einer Decke und das Album ist betitelt: 'Love Is The Answer'. Huaaah. Ich denke sofort an die Renter gestern. Dort wurde auf einem öffentlich-rechtlichen Kanal gezeigt, warum hiesige Rentner nach Karlsbad fahren um sich dort für 3 Wochen zu erholen. Genau diese kaufen sich wahrscheinlich solche Alben, zünden Kerzen in silbernen Kerzenständern an, trinken weiss der Gott was und hören diesen Mist. Aber wie Platon einst sagte: "Suum quique!" Ich schätze Frau Streisand, so ist das nicht, aber wer braucht denn dieses neue Album? Schlimm genug zu lesen: Produced by Diana Krall & Tommy LiPuma. Ich lese eine Artikel über Charlie Mariano und Rolf Kühn, sehe auf jeder 2. Seite diese skandinavischen Miezen, die mal wieder in reizenden Posen auf irgendwelchen Barhockern und Stühlen für ihre neuen Alben werben ... . Grauenvoll!

Nun gut, ich will auch nicht zu kritisch gegenüber allem sein, aber das was die populäre Musik incl. des Jazz in den 00'er Jahren bietet ist v.a. eines: Pure Langeweile. Nichts, was man nicht in dieser oder jener Form und Art einmal gehört hätte. Keine neuen Impulse, keine neuen Gedanken, keine impulsiven, mutigen Experimente, nichts neues. Und bevor die stereotypen Gegenargumente kommen: Doch, diesen Anspruch darf man an die Kunst haben, zu der letztendlich die Musik auch zählt. Die ganz schlauen fragen dann (mit dieser altklugen Betonung in der Stimme):"Was ist denn für Dich neu?" Was für eine originelle Frage! Neu ist etwas, was nicht alt ist. Tja, die Geschicht sollte man dann schon kennen, wenn man solche Fragen stellt.



Eine Zeit lang habe ich überlegt, ob man nicht gesättigt sei, ob der ganzen Überflutung durch die Medien, Internet usw. aber habe diese Frage für mich mit 'Nein! beantwortet. Damit macht mann es sich zu leicht. Letztlich nichts anderes als eine Ausflucht. Lomax hatte vor einiger Zeit mal einen Artikel zur Jugendkultur geschrieben:  Eurosport 2 - Battle of the Year . Da denke ich muss man wieder ansetzen. Wo, wenn nicht in der Jugend erwachsen neue Ideen? Nur, und ich möchte jetzt weiss Gott nicht klingen wie meine Vorväter!, wenn man sich in der aktuellen Jugend"kultur" umsieht, erkennt man nichts weiter als Hedonismus. Egal wohin man auch sieht. Das war in den vergangenen Jahrzehnten, insbesondere in denen des vergangenen Jahrhunderts anders. Nur dort wo Polaritäten geschaffen werden, wo Gedanken und Ideen keimen und Dinge hinterfragt werden, wo der Anspruch an einen selbst nicht erlischt, nur dort werden und wurden doch in der Vergangenheit grosse Dinge erschaffen, sei es in der Musik, bildenden Kunst, Literatur oder selbst bei "profanen" Dingen wie im Kino. Aber was zählt heute? Komasaufen, Daddeln, Party, "Cool Sein", ehrlich gesagt fällt mir nicht mehr ein um es etwas provokativ zu formulieren. Das sind keineswegs polemisierende Argumente, sondern Dinge über die ich mir schon länger sorgfältig Gedanken mache und ich bin mir schon bewusst, dass nicht alle Jugendliche usw. und so fort. Aber ich kann nicht umhin kommen zu sagen, dass der Kapitalismus, so sehr wir ihn doch alle schätzen, faul und träge macht. Konsumieren statt Produzieren lautet die Devise. Kein Wunder wenn man stets und ständig, sei es in der Tageszeitung oder im Fernsehen, mit Werbung auf subversivste Art und Weise beeinflusst wird die einem suggeriert, man sei nur dann glücklich wenn man besitzt und kauft.

Aus einer solchen Stimmung und Befindlichkeiten heraus kann glaube ich nichts produktives erwachsen, v.a. nichts, dass Akzente setzten kann.

Am kommenden Wochenende werde ich mich zurückziehen und etwas tun, was jüngst eine Filmmusik-Komponistin so vortrefflich definierte und über das ich einen ganzen eigenständigen Blog Beitrag schreiben könnte, als man sie fragte was denn Kino für sie sei:

"Eine andere Realität leben."

Das macht kluge Menschen aus. Ich glaube das ist die beste und bestimmendste Definition die ich je zum Thema Kino gelesen habe.

Ich werden diese Realität am Wochenende leben mit Alan J. Pakula und 'Klute' als auch mit Jean Pierre Melville, Belmondo und 'Pierrot Le Fou'.

Doch vorher höre ich die 'Sterne' und lausche Ihren Gedanken.

Ein guten Start in zwei freie Tage, die Millionen von Arbeitnehmern so sehr schätzen.

Rick Deckard 
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