Gedanken stellen eine neurophysiologische Aktivität dar - Besprechung des neuen Buches von Sascha Pranschke

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  21. August 2009, 08:28  -  #Kommunikation



Die Reise des Helden ist die älteste Geschichte der Welt. Als Grundstruktur ist sie in den Mythen, Märchen und Geschichten von heute eingewoben, die davon erzählen, wie eineR aufbricht, das große Werk zu vollbringen.

 

Ich hatte im Frühjahr diesen Jahres eine nächtliche Diskussion um diese Theorie der „ältesten Geschichte der Welt". Natürlich konnte ich das Wissen meines Gesprächspartners nicht teilen und habe verschiedene Gegenbeispiele genannt. Jedoch ohne Erfolg.

 

Alle Filme, Bücher, Geschichten die ich seit dieser schönen Frühlingsnacht wahrgenommen habe, wurden dieser neuen Prüfung unterzogen. Und in der Tat es stimmt! Diese älteste Geschichte der Welt scheint eine Parabel für den Lebensweg der Menschen zu sein. Das macht sie so spannend und deshalb muss sie immer und immer wieder erzählt werden, damit wir nie vergessen, wozu wir auf der Erde sind und was wir hier zu tun haben.

 

Kürzlich habe ich das neue von Sascha Pranschke gelesen. Es hat den Titel „Den Regen lieben“.

 

Der Roman handelt von der 17-jährigen Clara die wegen des Todes ihres Vaters gezwungen ist den Sommer bei ihren Verwandten auf einem Bauernhof im Norden Deutschlands zu verbringen.

 

Wer mich kennt, weiß um meine oftmals genannte Liebe zum Kammerspiel. Die klassische Definition für ein Kammerspiel ist ein Schauspiel im intimen Rahmen. Klar! Ich weite es gerne aus und definiere auch das Spiel an einem Ort. Das Vorzeigebeispiel für dieses Genre ist Hergés oftmals zitierte meisterliches Comic
„Die Juwelen der Sängerin“. Aufgrund eines Unfalls von Kapitän Haddock sind alle Charaktere „gezwungen“ den Sommer auf Schloß Mühlenhof zu verbringen.

 

Das Sujet von „Den Regen lieben“ ist der Hof des Onkels. So ein enger Raum kann schnell langweilig werden, wenn nichts aufregendes passiert oder die Romanfiguren langweilig sind. Die Beschreibung der Charaktere und deren Einführung in eine Geschichte, ist eine Kunst die ich immer wieder bei guten Autoren bewundere. Paul Auster ist z. B. Meister in diesem Fach. Oftmals benötigt er nur ein Satz und man meint, die Romanfiguren bereits immer zu kennen. Sascha Pranschke gelingt dies teilweise, allerdings scheint es auch nicht sein Ziel zu sein. Viele seiner „fein gezeichneten Figuren“ bleiben bis zum Ende geheimnisvoll und unnahbar.

 

Clara selbst scheint ein unerträgliches pubertäres Mädchen zu sein. „Du bist zu stolz“ wird ihr oftmals vorgeworfen. Gefunden hat sie sich selbst noch lange nicht und muss auch noch herbe Schicksalsschläge hinnehmen. Erst als sie ihr Talent für das Malen entdeckt, scheint es ihr besser zu gehen und wir Leser lernen sie besser kennen.


Sascha Pranschke wurde 1974 in Hannover geboren. Er ist ausgebildeter Gärtner und Diplom-Kulturwissenschaftler. Nach Stationen in Straßburg und Köln lebt er seit 2006 in Dortmund und arbeitet als freiberuflicher Texter und Dozent für Kreatives Schreiben. Das erste Kapitel seines Romans Veits Tanz wurde beim internationalen Wettbewerb der Burgdorfer Krimitage (Schweiz) ausgezeichnet. Weitere Auszeichnungen: 1. Preis des Wettbewerbs der Zeitschriften TextArt und criminalis sowie Arbeitsstipendien des Landes Niedersachsen.


Eine interessante Biographie für einen Autor. Hat er sich auch erst beim Schreiben gefunden? Insgesamt wirkt das ganze Buch sehr biografisch. Was den Leser aber nicht stören sollte.
Ich persönlich finde es immer wichtig, die Biografie des Künstlers zu kennen. Das ist der Grund warum ich mich seit über zwei Jahrzehnten mit Filmen und Musik beschäftige. Mich interessiert der Mensch hinter seiner Kunst. Und meistens sind es die Seelenverwandten die meine Helden sind!


Im Vergleich zu Sascha Pranschkes erstem Buch „Veits Tanz“ ist dieser Roman kein typischer Genreroman. „Veits Tanz“ ist ein Kriminalroman, egal wie man es wendet, es bleibt so. In diesen Zeiten einen Kriminalroman zu schreiben, bedeutet Mut zu haben. Von den Bücherstapeln in den Buchhandlungen unserer Städte habe ich bereits in einem früheren Eintrag geschrieben. Dort geht man schnell unter, man wird als Autor nicht wahrgenommen  Es gibt zu viele davon! Offensichtlich wird auch durchschnittliches gerne gelesen, insbesondere in diesem Genre. Wer will in dem Gewirr schon ein echtes Meisterwerk entdecken. Klar spannend sind sie auf ihre Weise alle!


„Den Regen lieben“ hingegen ist ein mutiger Familienroman. Die Worte und Sätze in „Den Regen lieben“ sind sprachlich genauso wundervoll, wie der Titel. 
Das Buch strahlt die Atmosphäre eines heißen Tages aus. Die Charaktere wirken wahr und wirklich.


Aber für mich bleiben viele Fragen offen. Einige davon werde ich auf meiner Terrasse persönlich in einer noch nicht terminierten Nacht mit dem Autor persönlich klären können. Andere Fragen stelle ich zur Disposition!


Zurück zum Krimigenre und Veits Tanz: Wie eine Seuche legt sich uns Lesern seit Jahren die Berufsgattung der Gerichtsmediziner, Pathologen, Forensiker und Anthropologischen Forensiker auf. Kaum noch ein Krimi, wo der Mörder der Gärtner ist und der Detektiv ein Detektiv. Schön wenn Autoren versuchen Genres zu knacken und sie neu besetzen. Bei Sascha Pranschkes erstem Buch hat man genau diesen Eindruck. Die Verlässlichkeit nicht schon wieder einem Klischee zu verfallen. Mit ausgefallenen Wendungen, merkwürdigen Personennamen und einigen guten Tricks, schafft der Autor es genau diesen Klischees aus dem Weg zu gehen.


Unter Berücksichtigung dieses Wissen ist es interessant, dass der Autor in seinem neuen Buch, seine Charaktere mit verschiedenen Eigenschaften ausstattet um sie so schärfer zu zeichnen, aber gleichzeitig Gefahr läuft, sie mit Klischees auszustatten.

Somit ist die Hauptfigur Clara neben ihrem Talent der Malerei mit einem soliden Grundwissen in der Biologie ausgestattet. Dinge die sie nicht versteht, aber in der Natur beobachtet liest sie in ihren Biologiebüchern nach.


Unter anderem scheint sie das Limbische System zu faszinieren.


Das Limbische System ist das Ergebnis eines mehrjährigen Forschungsprojektes, das die neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse der Hirnforschung, der Evolutionsbiologie, der Neurochemie und der Psychologie miteinander verknüpft und für verschiedene Anwendungsbereiche anwendbar macht.


Mich interessierte dieses Interesse des 17-jährigen Mädchens insbesondere, weil ich mich beruflich mit dieser Messung der „Emotionen“ und dem „Verstehen“ beschäftige. Die Limbic Types sind derzeit das weltweit beste und wissenschaftlich fundierteste Motiv- und Persönlichkeits-System für die Marketingpraxis.


Als Marketingberater muss ich mir tagtäglich vorwerfen lassen, dass ich Menschen zu sehr in einen Topf stecke, sie pauschalisiere und verallgemeinere.

Ein Schriftsteller muss sich offensichtlich mit ähnlichen Konfrontationen auseinandersetzen.

„Den Regen lieben“ setzt sich mit der Betrachtung von unterschiedlichen Blickwinkeln auf ein und die selbe Sache auseinander.


In unseren Gehirnen werden Botenstoffe freigesetzt, die in den sogenannten synaptischen Spalt führen. Diese Freisetzung, aber auch die Interaktion der Botenstoffe mit den Rezeptoren der Nervenzellen, führt zu Änderungen des Aktionspotenzials der Zelle und löst letztendlich unser Denken und Agieren aus.

Die Faszination der Neurochemie, dass damit verbundene Interesse mit dem Gehirn und der Frage, warum wir Dinge tun und so werden wie wir sind, ist für mich die Quintessenz in diesem Buch.


Im Neuromarketing gibt es eine handfeste, für Konsumenten geheime Regel. Ich verrate sie Euch: 70%-80% aller Kaufhandlungen finden unbewusst statt. Dies ist der Mythos des rationalen Kunden!
Ich glaube, dass man diese unfassbare Erkenntnis auf Ereignisse, Schicksale und Lebensveränderungen des Menschen spiegeln kann. 70% - 80% aller Handlungen finden unbewusst statt.


Künstler und Schriftsteller sind dafür da uns aus dieser Lethargie zu befreien und uns zum Denken zu motivieren.
Obwohl ich kein Künstler bin, verfolge ich die gleiche Motivation als Mensch. Ob es nun mit diesem blog stattfindet, meinem oftmals aggressiven Benehmen -dummen Menschen gegenüber- oder bei meinem Beruf, es gilt die Motivationsstrukturen zu öffnen.


Aktion ->Reaktion!

„Den Regen lieben“ kann man so verstehen, wenn man es will. Und es gibt wahrscheinlich noch hundert weitere Denkansätze für dieses vielschichtige Buch . Man kann sich das Buch aber auch nehmen, es lesen und sich einfach unterhalten lassen. Es funktioniert auf beiden Ebenen. Je nach dem, wie die Motivationsstrukturen des Lesers sind.


Das Buch funktioniert in beide Richtungen, das ist wirklich große Kunst.

Leseprobe und Bestellmöglichkeit und weitere Informationen:



http://www.pranschke-schreibt.com/
http://www.allitera.de/Pranschke%2C+Sascha%3ADen+Regen+lieben_Allitera_978-3-86906-042-2_t.html

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