Halbes Festival – Haldern Pop 2009

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  20. August 2009, 12:30  -  #Konzerte



Es war zeitlich nicht das beste Wochenende für das Haldern-Pop-Festival. Wir selbst waren zu einer Hochzeit eingeladen und mussten somit bereits am Samstagvormittag den Niederrhein verlassen. Halbes Festival!

 

Zeitgleich fand in Köln die c/o Pop statt. Das einst und vermutlich immer noch gefühlte „kleine Festival“ unserer Heimatstadt, stellt längst die Ablösung für die Popkomm dar und macht Köln wieder zur „Hauptstadt der Popkultur“. Weiterhin hat die Verlegung um ein Wochenende in diesem Jahr dazu geführt, dass einerseits einige unserer langjährigen Mitreisenden fehlten.

 

Offensichtlich wurde es in diesem Jahr vielen Menschen erlaubt auf den Festival-Campingplatz zu übernachten, ohne das ein Ticket vorhanden war und somit auch kein Interesse an dem sehr guten musikalischen Programm bestand.

 

Noch immer ist es zwar so, dass die Mehrzahl der Besucher gute Menschen sind, die durchaus sympathisch erscheinen, aber eine große Anzahl von Proleten verpesten mehr und mehr die Luft.

 

Vor einigen Jahren gab es mal das treffende Festivalmotto „Respekt vor der Freizeit“. So soll es wieder werden. Vielleicht gibt es eine Chance, vielleicht liegt es aber auch an der schlimmen gesellschaftlichen Entwicklung und der fehlenden Empathie der jungen Menschen.

 

Ansonsten bleibt das Haldern-Pop-Festival ein First Class Festival. Die Organisation ist perfekt, das Musikprogramm einzigartig und die Atmosphäre auf dem Reitplatz lässt einem in den ersten Stunden vor Glückseeligkeit die Tränen in die Augen treiben.

 

Eingangs hatte ich bereits erwähnt, dass ich Samstag keine Bands mehr sehen konnte. Ich kann hier nur auf unseren Serienstar Ewing setzen, der diese Zeilen vielleicht liest und somit aufgefordert wird, die Erlebnisse im Kommentar zu posten.

 

Meine Highlights:

 

1.)     Colin Munroe der alle Erwartungen übertroffen hat. Munroe durfte am Freitagabend im Spiegelzelt spielen, hatte aufgrund des Zeitplans genügend Zeit einen Soundcheck durchzuführen und ich hatte somit genügend Zeit ihn dabei zu beobachten. Munroe spielte sein erstes europäisches Set. Entsprechend waren er und seine beiden Musiker (Gitarre/Midi und Schlagzeug) aufgeregt.  Das vierzig Minuten Konzert war für mich so überwältigend, dass ich es gerne als „Wiedergeburt der Popmusik“ bezeichnen möchte. Colin Munroe hat von der Ausstrahlung, von der Bühnenpräsenz und von seiner umfangreichen Stimme das Potenzial ein großer langfristiger Musikakt zu werden, der bald über seinen ersten „kleinen“ Auftritt in Deutschland lachen wird. Vielleicht aber auch in irgendwelchen kleinen miesen Diskos landen wird (sic!). Man wird sehen. Seine Musik ist ein popmusikalisches Panoptikum des guten Geschmacks. Angeführt von der Idee HipHops Beats zu sampeln, diese aber nicht mit Rapgesängen zu füttern, sondern mit popgesanglichen tollen Melodien zu durchfluten. Es gab während des Konzertes diesen Moment, als ich dachte, dass hier gerade was besonders passiert und sich ein Zauber auf das Publikum überträgt, der schwer zu beschreiben ist. Vielleicht war es aber auch nur meine eigene Euphorie, die zusätzlich von der Kunst des großartigen, treibenden und unfassbar groovigen Schlagzeugers untermauert wurde. Highlights waren das freundliche „Will I Stay“ und der wirklich großartige Megamix von „Flashing Lights“ des sowie schon genialen Kayne West. Lesen Sie hierzu auch gerne http://lomax.over-blog.de/article-31471748.html


2.)     Final Fantasy überzeugt mit schwermütiger, schwieriger Loop-Performance zur besten Sendezeit. Unfassbar, dass ein Festival sich so etwas traut. Owen Pallett, hauptberuflicher Mitstreiter der legendären „The Arcade Fire“ passte irgendwie perfekt zur untergehenden Abendsonne und den ersten Momenten auf dem alten Reitplatz ich fand es einfach nur wunderschön. Die Stimmung war perfekt, entspannt und einfach zauberhaft.


3.)     Athlete in den frühen Samstagmorgenstunden fand ich passend, hymnisch und richtig gewählt. Es gab zwischenzeitlich einige Längen und uninspirierte Nummern die ich nicht wahrnehmen konnte. Der Überhit „Wires“ hat aber für alles entschädigt und macht glücklich für die nächsten 365 Tage.


4.)     Am Donnerstag haben wir noch die Baddies und die Broken Records halb wahrgenommen. Auch wir sind saufende Proleten, sind aber in der Lage Konversation mit unseren holländischen Nachbarn zu betreiben...

 

Trotz der wunderbaren Erinnerungen, der schönen Atmosphäre, der guten Musik und dem perfekten Gesamteindruck, bleibt ein fader Beigeschmack.

 

Haldern-Bands wie Loney Dear, Dear Reader etc. müssen dringend ausgetauscht werden, sonst wird das geliebte Festival noch mehr ein Labelfestival.

Natürlich muss auch die Raum 3 Konzert- & Veranstaltungs GmbH sehen wo sie finanziell bleibt und aus professioneller Marketingsicht bin ich ein Befürworter des integrativen Marketings. Im Popgeschäft lähmt dieser Ansatz aber oftmals und lässt keinen Platz für freie Gedanken. Das diesjährige Motto „Kommuplikation“ war perfekt gewählt und steht auch für unsere Grundaussage und Kritik in diesem blog. Das fehlende Vermögen den Dialog zu suchen und das trotz der neuen Technologien die Interaktion nicht genutzt wird. Darum wird es auch weiterhin gehen.

 

Das bemängelte und oftmals kritisierte Booking kann ich nicht nachvollziehen. Zu mindest der Samstag war vollgepackt mit Highlights und wichtigen zeitgemäßen Bands, die in der Form auf keinem anderen Festival in Europa zu finden sind. „Alles bleibt Anders“ gab es glaub ich auch schon mal als Motto. Jetzt könnte ich kreativ werden, konzentriere mich aber auf das Lieblingsmotto „Respekt vor der Freizeit“ und das bringt wirklich alles zusammen.

Bis zum nächsten Jahr Haldern.

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