Playlist Haldern 2009 - To Whom It May Concern
Mixed Tape – Haldern Pop 2009
Wir fahren jedes zum Haldern Pop Festival. Eine schöne Tradition ist es geworden, dass wir uns gegenseitig Mixed-Tapes aufnehmen. Da wir im Durchschnitt 10 Menschen sind, bekomme ich also jedes Jahr ungefähr die gleiche Anzahl CDs mit der Musik der mitreisenden Gang. Wenn das mal eine schöne Tradition ist! Natürlich muss ich auch an alle anderen ein Tape aufnehmen.
Tapes nehme ich inzwischen seit ca. 1986 auf. Es wurde viel über diesen „Sport“ geschrieben. Allen voran der Autor Nick Hornby. Er hat mit seinem Buch „High Fidelity“ einiges kaputt gemacht. Weil er Geheimnisse gelüftet hat! Darüber muss man sich hinweg setzen, auch wenn Rob Gordon vieles richtig gemacht hat.
Die Regeln für uns, sind zudem gestrafft: Uns werden Motten vorgegeben. Diese harte Arbeit erfüllt jedes Jahr wieder unser Serienstar Ewing. Auch Ewing wird progressiver (war er immer schon). Somit haben wir in diesem Jahr folgende Aufgabe erhalten:
„In diesem Jahr habe ich ausschließlich von Klaus Kinski gern und oft zitierte Gedichte und Balladen Villons und Rimbauds ausgewählt. Haltet Euch dran!“
Nun steht man also da und soll ein Tape erstellen, welches zum einen den Anspruch der Dichter entspricht und zum anderen auch cool sein soll/muss. Also irgendwas von einem selbst vermittelt wird. Dies alles zusammenzubringen ist eine Herausforderung die gerechtfertigt ist, aber auch Freiheit voraussetzen sollte.
Ich habe mich über Kinski, der mir vorgegeben Ballade und einem Gleichnis an mein Mixed-Tape genähert. Da Musik schon lange nicht mehr für sich alleine steht, Menschen Erklärungen benötigen -und ich im übrigen auch- nehme ich mir die Freiheit meine Herangehensweise zu dokumentieren und die Notizen in meinem blog zu veröffentlichen.
Nach und nach hat sich die Playlist und die Covergestaltung -also das Gesamtkonzept- wie ein Mosaik zusammengesetzt.
Initial und Motivation war folgende Aussage von Klaus Kinski:
„Ich würde am liebsten auf die Straße gehen und den Menschen helfen, indem ich ihnen die Schmerzen abnehme. Da ich aber weiß, dass man in den wenigsten Fällen dazu fähig ist, möchte ich ihnen wenigsten von einem Podium aus sagen, was ihnen als Gleichnis zur Wahrhaftigkeit zurück verhelfen kann.“
1.) Aphex Twin – Rhubarb
Nach langem hin und her, habe ich mich doch für ein klassisches Intro entschieden. Eine ruhige Ambientnummer von Richard D. James. Dessen elektronische Musik und insbesondere seine Videos ich schon immer bewundert habe. Allerdings in der Gänze noch nie entdecken konnte. Menschen die sich mit elektronischer Musik der letzen 20 Jahre auseinandergesetzt haben, werden um Aphex Twin nicht herum kommen. Vordergründig mag der Track unspektakulär klingen. Nimmt man sich aber Zeit, wird man die Schönheit des Synthteppich entdecken, der an die schöne Filmkomposition von Angelo Badalamenti „Twin Peaks“ erinnert.
Jeder Leser muss selbst verstehen, was ein Autor geschrieben hat und sich von der Biographie des Schreiberlings entfernen, hat Mrs. Lomax gesagt. Bei der Lyrik sehe ich das genauso. Was die beiden Dichter also geschrieben haben, bleibt im Herzen des Lesers oder nicht. Die Interpretation von Kinski steht als eigene Kunstform. Alles zusammen muss nicht erklärt werden. Ich mag Erdbeeren am liebsten ohne Eis und ohne Sahne und schon gar nicht mit Rhabarber. Ein komisches Gemüse. Eine treffende Metapher?
2.) The Radio Dept. – The Worst Taste in Music (Extended)
Einen Song den ich wegen des Titels und der Nähe zur Gleichung gewählt habe. Im gesamt Zusammenhang scheint, diese Nummer nur konsequent. Das Drama der Songstruktur ist steigernd, also perfekt als Nummer 2. Außerdem ist Radio Dept. immer verträumter Pop. Ein Narr, wem das nicht gefällt. Ein Traum, auch im Sinne meiner Lieblingsfilmemacherin. Ein Lied um den Arm aus dem Autofenster zu halten und Flugzeug zu spielen, um sich seinen Gedanken hinzugeben und trotzdem über allem zu stehen. „To Close your Eyes, kiss the skies“ ; ...um natürlich zeitgleich an die Menschen in den Fußgängerzonen zu denken, die im selben Augenblick von ihrer Aufgabe getragen werden. Den täglichen Aufgaben die marginal sind, im Vergleich zur freien Zeit, die ich gerade so liebe. Die ja auch –natürlich- mit Haldern zu tun hat, aber auch mit dem Blitzkrieg gegen die bürgerliche Mitte.
3.) Roxy Music – Same Old Scene
Sagen wir mal so: Eine Angebernummer und eine Weichenstellung für kommende Tracks. Ich habe es mit der Nummer 3 am schwersten gehabt. Eine Veränderung musste her. Etwas frisches, Weg weisendes, aber auch im Kopf bleibendes. Roxy Music habe ich nie so gemocht. Aber „Same Old Scene“ gehört zu den relevantesten Songs von Roxy Music. Auch wegen der Countermelodie im Mittelteil des Songs, vielleicht aber auch wegen dem sehr guten, arroganten Text. Lesen, schlauer werden, zusammenhänge erkennen! Ein Puzzlespiel, ein Saxophon, eine schmierige Melodie, eine Tanznummer und eine Hilfe, aber auch ein Schmerzmittel.
4.) Beck – Everybody Gotta Learn Sometimes
Dieser Song spricht für sich selbst und ist mein persönlicher Schlüssel für den Sommer und für meine momentane Haltung für alles was mit Kunst in der Popkultur zu tun hat. Bitte unbedingt, den dazugehörigen Film ansehen! Ich habe „Eternal Sunshine of the spotless mind“ in alle Richtungen beworben, aber nie ein Feedback erhalten. Für mich einer der wichtigsten Filme der letzten 20 Jahre. Und denkt daran: „...wer jetzt die Lust verliert, der wog bei Weibern, Wein und Kartenspiel nicht einen Poppenstiel.“
5.) Flare Acoustic Arts League – Love finds Andy Warhol
Nach dem „Highlight“ einen Song zu finden der reinhaut war schwer. Der Kontext musste gehalten werden und viele vergleichbare Möglichkeiten sind den Mitreisenden bekannt. Eine langweilige Nummer zu platzieren kommt nicht in Frage. Der Text und Titel sind natürlich perfekt. Aber auch die schwere Melancholie und die Zuversicht des Songs sind perfekt als Mittelteil dieser Compilation. Ich wollte mich auch nicht von den schönen Melodiebögen entfernen. Außerdem ohne viel Tamtam zum Ende kommen.
Mit dieser Magnetic Fields gleichen Nummer habe ich das Konzept meiner CD endlich selbst verstanden. Es geht um Darstellung, um Empathie und gegenseitigen Respekt.
„Seid was ihr wollt: Soldaten, Schuster, Opernsänger, Produktenhändler oder auch nur Hundefänger, ob ihr verlaust seid oder an der Börse spekuliert, mit Haifischflossen, Niggerschweiß und Kaffeebohnen, ob sich die geraden oder die krummen Wege lohnen; nur wo ihr euer Geld verliert, bei Weibern, Wein und Kartenspiel, da wiegt ihr allesamt nicht viel.“
6.) International Pony – Still So Much
Ich brauche Beruhigung. Etwas zum Tanzen, aber auch etwas um ne’ Wurst zu holen. Bitte auch einfach im Sitzkissen hinhocken, ausruhen und wirklich gute Musik genießen, die nix mit Loungemusik zu tun hat. Lounge Mixe sind neben Liegefahrradfahrer, dass schlimmste was es gibt in unserem Post-Materiellen Leben. Das Interlude ist eine Variante des „International Pony Themes“, welches ich so liebe. Dieses Zwischenspiel zieht sich seit Jahren wie ein roter Faden durch meine Lieblingsmusik.. Ich möchte Euch teilhaben lassen, Euch Mensche da draußen, Euch Ballspielmeister und Produktenhändler!
7.) Ennio Morricone – Per Qualche Dollaro in Più – Titoli – la Resa Die Conti
Wenn es ein Mensch auf subtile Art und künstlerische Weise geschafft hat aus Klaus Kinski innerhalb einer Sekunde, zu einem völlig unbegreiflichen Monster zu machen, dann war es Ennio Morricone. Nicht durch Worte, nicht durch dessen geisteskranken Gesichtsausdruck, sondern erst durch Morricones tonmalerisches Make-Up mit Tuba und einem schrillem Geigencluster, „der wie ein Feueralarm in einer amerikanischen Schule klingelt und ein unkontrollierbares Gefühl schierer Panik auslöst.
8.) Wolf Parade – We built Another World
Schwerer als etwas nach Morricone zu stellen, ist es auf einen 8.000 Meter hohen Berg zu steigen. Ich habe mich für eine Hymne von Wolf Parade entschieden. Einer Band die ich bereits seit längerer Zeit bewundere und versuche zu entdecken. „We built Another World“ wird getragen von einer schöner Grundmelodie und einigen mehrstimmigen Gesängen, die sich später zusammenfügen. Mein Anspruch bleibt das Gleichnis. Letztendlich immer mit dem Wunsch nach einer neuen Welt. Wäre ich dann glücklich?! „Aber vor allem Übel kann mich nur der eigne Dalles retten“
9.) The Smith – Please, Please, Please, Let me get what I want
Good Times For A Change, See, The Luck I Have Had, Can Make A Good Man, Turn Bad
Alan Lomax