Meine Name ist Ursula Gerhard!
Ich bin 59 Jahre alt und arbeite im Schauspielhaus Bochum als Platzanweiserin.
Das mache ich seit 1979. Ich habe noch die letzten Monate der Intendanz von Peter Zadek miterlebt. Dann Claus Peymann ertragen müssen. Ich kann Ihnen sagen, dass ich alles erlebt habe. Die großen Klassiker, modernes und noch moderneres Theater. Unter Leander Haussmann wurde einmal „Die Vögel“ von Aristophanes aufgeführt. Dort wurde ein lebendiges Huhn geschlachtet. Ich habe schlimmeres gesehen. In „König Ödipus“ von Sophokles wurden Geschlechtsteile gezeigt, aber es gab auch schöne Momente. Z. b. Hanna Schygulla bei den Webern oder Harald Schmidt (ein sehr netter Mann) als Ibsens Peer Gynt.
Gerne beobachte ich auch die Gäste und Zuschauer. Ich mag es wenn sich der Vorhang hebt und wenn die Ruhe nach der Aufführung in den Saal tritt, wenn ich die letzten übriggebliebenen Programmhefte einsammele.
In letzter Zeit geht es uns nicht gut. Die Zuschauer bleiben weg, Kollegen aus der Technik sind bereits entlassen worden. Ich bin ja nicht damit einverstanden, aber mich fragt ja auch keiner. Auf der letzten Betriebsversammlung wurde erzählt, dass man versuchen will neue Zielgruppen anzusprechen, um so ein neues junges Publikum für das Theater zu begeistern.
Mich fragt ja keiner, aber hat doch sonst auch geklappt, warum also alles ändern. Ich finde ja sowieso, dass früher alles besser war, auch wenn es uns nicht so gut ging. Ach ja, äh, eigentlich wollte ich über den vergangenen Dienstag berichten. Ein Abend wo so eine Musikgruppe bei uns im Theater gespielt hat. Mogwai! Was soll das denn bedeuten und woher kamen die ganzen Menschen. Ich habe noch nie von denen gehört!?
Vor dem Konzert -wenn man das so nennen kann- gab es einen Film zu sehen. Dort wurde fast 90 Minuten ein Fußballer gezeigt. Keiner hat gesprochen. Das muss doch total langweilig sein. Die jungen Leute sind sitzen geblieben und haben zu geschaut. Wahrscheinlich alles Fans von diesem Zidane!?
Danach dann diese Musik. Das war schrecklich! Keiner hat gesungen und es war unglaublich laut. Ich glaube man nennt das Hardrock. Mein Enkel hört auch solche Sachen. Neulich war er bei Metalika. Auch schrecklich laute Musik, er hat mir mal was vorgespielt.
Ehrlich, ich habe für vieles Verständnis, aber für diesen Krach. Kein Wunder, wenn dieses Land in der Krise steckt und alle arbeitslos sind. Wenn junge Menschen solche Musik hören, können die doch nur Drogen nehmen und kein Interesse an den anderen Menschen haben.
Zum Glück habe ich mir Ohropax ins Ohr gesteckt. Trotzdem es war fürchterlich. Aber nach dem Konzert habe ich mich kurz mit einem jungen Mann unterhalten. Herr Lomaz oder so. Ich habe ihn gefragt, ob ihm die Aufführung gefallen hat. Er antwortet mit komischen kurzen Sätzen: „Es war genial“, „Badcat an Ende war ein epochales Weltklang veränderndes Spektakel“, „lange nicht mehr so einen grandios knackigen und lauten Sound gehört“, „Die langsamen trockenen Rhythmen werden live im besser“ oder „Mogwai lösen Glücksgefühle in mir aus, wie es kaum andere Bands schaffen“.
Ein netter junger Mann, aber ich habe keine Ahnung wovon er spricht….