Patton
Nicht nur musikalisch, sondern auch im Kino waren die 60'er und 70'er Jahre bewegende, innovative und Massstäbe setzende Jahrzehnte. Zu den grossen Regisseuren dieser Zeit gehört zweifelsohne Franklin J. Shaffner, der mit 'Planet Of The Apes' und 'Papillon' zwei der grossartigsten Filme dieser Ära schuf und die längst den Status von Klassikern erreicht haben, ersterer aus meiner Sicht noch mehr ist, nämlich ein Meisterwerk des Science Fiction Films. Ein sehr versierter Regisseur, der es schaffte Kunst & Kommerz geschickt zu kombinieren und deswegen auch grosse Erfolge an der Kinokasse erzielte. Später folgten noch 'Island In The Stream' nach einer Geschichte von Hemingway und der etwas zwielichtige und krude 'Boys from Brazil', aber da war sein Stern bereits am verglühen.
1970 widmete er sich einem der schillerndsten und widersprüchlichsten Charaktere des II. Weltkriegs zu, dem General George S. Patton, der durch den ganzen Film überragend von seinem Namensvetter George C. Scott verkörpert wird in einer schauspielerischen Tour der Force und zurecht den begehrtesten aller Filmpreise für seine Leistung erhielt, diesen aber nicht annahm mit der Begründung "Er stehe nicht in Konkurrenz zu anderen Schauspielern" "... und wolle nicht an der Fleischbeschau (Oscar Zeremonie)" teilnehmen. Damit reihte er sich in die Garde derjenigen ein, die diese Veranstaltung als unsinnigen Kommerz betrachteten, siehe Marlon Brando und Woody Allen.
Das Drehbuch zu diesem Film schrieb F.F. Coppola zusammen mit Edmund H. North und wurde prompt mit einem Oscar dafür ausgezeichnet. Coppola selbst stand kurz vor seinem Durchbruch mit 'Der Pate' im darauf folgenden Jahr. Das Drehbuch ist hervorragend, ausserordentlich komplex und beinhaltet nicht nur eine sehr präzise Charakterisierung des Generals, sondern vermag diesen auch in den Kontext der Historie um die bewegenden Ereignisse des WW II einzubetten. Es hat keine Längen, ist sehr spannend, unterhaltsam und liefert eine Steilvorlage für epische Filmkunst. Die Fotografie für einen solchen Film ist überdurchschnittlich, der Kameramann Fred. J. Koenekamp wurde für den Oscar nominiert. Sowohl die in prächtigem Cinemascope gedrehten Aufnahmen der Landschaft, als auch die stillen leiseren Momente des Films, gerade die in geschlossenen Räumen sind wunderschön ausgeleuchtet und beeindrucken auch heute mit interessanten Perspektiven. Aufnahmen im Gegenlicht und grandiose Kamerafahrten, Bilder der Totalen von den Gesichtern, alles fügt sich wunderbar in den Rahmen. Ich bedauere zutiefst, dass ich dieses Jahr nicht während der Berlinale an der 70 mm Retrospektive teilnehmen konnte. Was muss das für eine Freude gewesen sein solche Filme im Kino zu sehen und zu hören!
Jerry Goldsmith schrieb eine seiner besten Filmmusiken der 70'er Jahre zu 'Patton'. Sein berühmtes Thema mit den im Echo verhallenden Trompeten wurde stilbildend. Patton selbst sah sich als eine Reinkarnation eines 'alten Kriegers'. In einer der nachhaltigsten Szenen betritt der General mit seinen Adjutanten einen ehemaligen Kriegsschauplatz der Antike, auf dem die Römer mit ihren Legionen gegen die Karthager antraten. Patton rezitiert ein Gedicht und im Hintergrund hört man die Trompeten, die leise ein Echo von sich geben und verhallen. Ein genialer Effekt um das auszudrücken, was Patton in diesem Moment empfindet. Das ist ein Beispiel für höchst effektive Filmmusik. Die musikalische Erinnerung an eine vergangene martialische Epoche im Selbstverständnis eines Generals der Neuzeit. Der ganze Score ist sehr kurz und beinhaltet natürlich einen Marsch, aber diese kleine Idee des Komponisten setzte einen Meilenstein.
'Patton' ist ein in jedem Fall sehenswerter Film, der alle Zeiten, Stile und Zeitgeist überdauern wird, weil eben Könner mit grosser Leidenschaft am Werk waren. Es ist schwierig diesen Film in eine Kategorie zu drücken, das fiel mir gestern nochmals beim Betrachten auf. Er ist weder ein Kriegs- noch ein Antikriegsfilm, eher das Porträt eines höchst anachronistischen Menschen, dessen einziger Lebensinhalt der Krieg ist, was auch in der eigenen Historie dieses Menschen begründet ist. Er stammt aus einer der wohlhabendsten Familien Amerikas, ging auf die bekanntesten Militärakademien, war ausserordentlich gebildet, beherrschte mehrere Sprachen und war zudem auch belesen. Auch diese Facetten seines Charakters werden im Film ausgeleuchtet. Seine gewollt einfache aber auch dadurch höchst effektive Rhetorik kam bei denen an, die bei diesem Krieg unsägliche Opfer an der Front erbringen mussten, den einfachen Soldaten. Gerade in der Eröffnungsszene wird dies deutlich. Diese Einstellung wurde in den nachfolgenden Jahren zuhauf kopiert.
Im Film wird ausserdem der Kampf zweier Narzissten gezeigt, die auf Biegen und Brechen ohne Rücksicht auf menschliche Verluste Deutschland erobern wollen - Montgomery und Patton. Während ersterer auch ein gewiefter Politiker ist, kann letzterer sein loses Mundwerk nicht in den Griff bekommen und wird darum ein ums andere mal seines Postens enthoben.
In der (tragischen) Schlussszene sieht man Patton, dem im Gegensatz zu Montgomery die Ehre einer königlichen Huldigung verwehrt bleibt, mit seinem Hund auf einem Feld spazieren gehen. Im Off hört man seinen inneren Monolog ..., Bilder, Monolog und die Kameraeinstellung sind episches Kinos vom feinsten und ein perfektes Ende. Grosse Kunst!
Eindeutig bezieht der Film keine Stellung. Man ist sich nicht sicher, ob es hier um Heldenverehrung oder Kritik am Heldentum geht, aber er ist eines der gelungensten Porträts eines Menschen im Kino und darüber hinaus absolut sehenswert.
Im 60'er und 70'er Jahre Rausch,
R.D.
Bildquelle: Copyright 20'th Century Fox, Advameg Inc. 2008, DVD Beaver.com