Vergessene Helden – Bernard „Pretty“ Purdie
Bei Berichten wie diesen wird man schnell in so einem Muckerecke gedrängt!
Definiere Muckerecke:
Männlich, Alter 18 – 60, Vokabular ausschließlich ausgerichtet auf Musiksprache und Instrumente, Medien: Gitarre & Bass, Modern Drummer etc, Lieblingseinkaufsstätten: Musicstore, Thomann etc., selbst Musikmachen steht im Vordergrund, Musikalische Vorlieben: Harter Rock und Jazz (denn nur hier sind die guten Techniker am Werk) Ganz klar, ein Schubladendenken!
Was die Muckerecke noch auszeichnet? T
echnische Versiertheit, meisterliches Können und gutes Handwerk, steht vor der Kunst des kreativen Prozesses. Bevorzugte Künstler: Dave Weckl, Joe Satriani, Eric Clapton, Michael Anthony usw. Diese Musiker zeichnet ohne Frage ein großes Talent aus. Sie sind aber auch oftmals für die Musikindustrie unterwegs, geben Workshops oder spielen auf Musikmessen endlose Solos, während die Muckerecke in den Stühlen sabbert und nicht glauben kann, dass jemand so schnell greifen, umgreifen oder Beats wechseln kann. Nicht falsch verstehen, dies ist nur eine Beschreibung der Muckerecke! Bisher! Schlimm finde ich persönlich diese DVD’s die den Musiker dann in einer Selbstdarstellung ohne Gleichen, bei mindestens 100 Solos aus 10 Kameraperspektiven zeigt. Jedem das seine und seinem eigenen Glück. Keine Frage. Bernard Purdie gehört auch zu diesen Künstler. Bei youtube.com gibt es jede Menge Videos die dies bezeugen.
Aber Purdie ist nachweislich (auch) der am häufigsten aufgenomme Schlagzeuger der Welt. Hört sich auf englisch besser an: The World’s most recorded Drummer.
Herbie Mann, Miles Davis, Cat Stevens, B.B. King, Brecker Brothers, Steely Dan, Aretha Franklin, Issac Hayes, Quincy Jones, Roberta Flack, Bobby Hebb, Louis Armstrong, Percy Sledge, Frank Sinatraaaa usw.
In der Dokumentarserie “Classic Albums” gibt es bei der Steely Dan Folge eine bemerkenswerte Szene, bei der Purdie in die Geschichte eingeführt wird. Er wird nicht vorgestellt, sondern bellt die ganzen Namen selbstbewusst in die Kamera. Cut. Man sieht Fagen und Becker am Mischpult sitzen. Sie nicken mit dem Kopf. Becker sagt sinngemäß: „Mit Bernard Purdie war es sehr schwer, aber auch erfolgreich. Er hat seinen eigene Stil und macht was er will.“ Eine bemerkenswerte Aussage, wenn man bedenkt, dass die beiden in den vorherigen 30 Minuten der Dokumentation jeden erdenklich besten Studio- und Sessionmusiker der Welt durch den Kakao gezogen haben. Man hat den Eindruck, dass die beiden Angst vor Purdie gehabt haben. Verzichten konnten sie nicht auf ihn. Maßgeblich hat Purdie einen großen Anteil an dem besonderen Groove der Steely Dan Songs. Dies hört man insbesondere bei dem groovenden „Black Cow“ und dem unfassbaren „Aja“.
Was Bernard Purdie besonders am Schlagzeug macht sind zwei Tatsachen:
Die Erfindung des „Rolling Shuffle Beat“, den Purdie selbst „Purdie Shuffle“ nennt. Ein Shuffel hört sich eigentlich wie ein durchgängier Beat oder wie eine leise Dampflock an. In Wirklichkeit werden zwischen zwei betonten Beats (z. B. auf einer Snare-Drum), zwei unvertonte Noten gespielt. Der Rhythmus wird primär im klassischen Blues und im swingenden Jazz angewandt. Galt in den Siebzigern als total out, bis Purdie ihn wiederbelebte und dem binären Gerüst Soul gab.
Die zweite Tatsache ist seine nachweisliche Erfindung des „Open Doubletime-Offbeat“. Dahinter steckt letztendlich die Idee „Luft ins Hi-Hat“ zulassen und etwas verzögert draufzuhauen. Dieser Offbeat ist heute immer noch Grundlage für jede Dancenummer! Musiktheorie ist meist langweilig. Ich spiele selbst Gitarre und versuche weitestgehend nicht in dieser Sprache zu denken und zu üben. Es ist fürchterlich!
Purdie hat damit aber die Musikwelt verändert. Und wenn man den alten Mann heutzutage so schlagen, reden und spielen hört, muss man sich verneigen. Vor so viel Können, Relevanz und Angeberei. Denn auch das sagt Fagen:
„Purdie ist selbstbewusst und so muss ein Soulmusiker sein“!
Word! Alan Lomax