Ein Film von Brendan Canty & Christoph Green

von Alan Lomax und Rick Deckard  -  6. Mai 2009, 08:13  -  #Populäre Musik

Auf das wesentliche reduzieren ist hier die Massgabe. Jetzt fügt sich alles zusammen: Nach Jahren schließt sich der Kreis der mit 'Yankee Hotel Foxtrott' begonnen hatte und nun (vorübergehend) mit diesem Konzertfilm endet. Wer einmal auf amerikanischen Highways unterwegs war, der wird verstehen warum das Cover so fantastisch ist und einlädt die Musik dieser Band zu hören: 1/3 Erde und 2/3 Himmel, Fotografen wählen bewusst einen solchen Bildausschnitt, um "Unruhe" zu erzeugen, umgekehrt hätte das Foto für mehr Bodenständigkeit und Ausgeglichenheit gesorgt. Nichts ist dem Zufall überlassen.

Der Film beginnt im Gegensatz zur Unruhe des Covers sehr verhalten und ruhig. Die Band spielt in einer (für Cineasten) sehr schönen Titelsequenz in einer leeren Halle in Tulsa, Oklahoma im Cain's Ballroom. Man sieht die Zuschauer draussen warten und den Ballroom von aussen. Jeff Tweedy, der einen immer an die C-Helden aus den Western eines Sam Peckinpah erinnert, ist zurückhaltend präsent im Film. Die Band tourt weiter nach New Orleans in's 'Tipitina's und spielt dort mit 3 Bläsern, die schmunzelnd als Vollprofis angekündigt werden. Weiter über Mobile, Alabama über Nashville, Tennessee nach Washington, DC in den 09:30 Club. Zwischen den Gigs Bilder von der Tour, den Strassen, den vorbeiziehenden Häusern, aber alles sehr unspektakulär und unaufdringlich, jede Erwartungshaltung des Zuschauers bewusst umschiffend. Dazu Statements der Bandmitglieder über Ihre Musik und Gedanken zur Tournee.

Der Fokus liegt auch weniger auf dem Film oder die filmischen Inhalte, sondern auf der Musik und die ist in Worten nicht greifbar, das muss ich als erstes einmal konstatieren. Um ehrlich zu sein, mich hat es selbst etwas überrascht, denn ich habe versucht bereits gestern beim Sehen des Filmes Begriffe zu finden um die Musik von Wilco zu umschreiben ohne in die üblichen Fallen zu tippen. Ich möchte es mal so umschreiben, weil mir das nötige PoP-musikalische Vokabular fehlt: ich liebe diesen 'Sound' den diese Band produziert. Er ist "elitär" auf der einen und "kühl-distanziert" auf der anderen Seite. Oder um es anders zu formulieren: mir gelingt es nicht diese Riffs, Melodien in ein Schema zu pressen und das macht es so verlockend. Live sind Wilco eine absolute Wucht: die Gitarren-Soli von Nels Cline sind atemberaubend und Glenn Kotche am Schlagzeug ist seit gestern ein "Mini-Held" für mich. In einer Szene im Film sieht man Ihn im Tour-Bus Schlagzeug spielen. Die Konzentration mit der er das tut und die Hingabe später auf der Bühne sind alles sagend. Die Auswahl der Stücke zeigt eine grosse Spannbreite und fühlt man sich gerade mollig-wohl flackern von der einen auf die andere Sekunde die Lichter auf der Bühne und Dissonanzen versuchen orkanartig die Harmonien zu sprengen ohne ins atonale abzugleiten. Tweedy indes lässt sich nicht davon beeindrucken und spielt lässig in seinem Country Outfit weiter (ein weisser Anzug mit roten Blumen/ Ornamenten). Beeindruckend! Druckvolle Live Musik.

Der Ton und der Sound sind kristallklar, die Optik einem solchen Film mehr als angemessen. Gerade zu Anfang des Films fühlte ich mich an die Konzert-Aufnahmen eines Herbert v. Karajan erinnert, der die These vertrat und auch umsetzte, dass Musik optisch auf eine besondere Art eingefangen werden muss um Ihre Wirkung und Eigenheit verständlich zu machen. Der Ton muss "gesehen" werden. In extremen Close Ups werden die Instrumente und der Sänger gezeigt.

'Ashes of American Flags' ist ein grossartiger Konzertfilm, den man unbedingt bis über den Titelabspann hinaus sehen sollte und 'Wilco' für mich eine der besten Bands der letzten Jahre. 

Sehr empfehlenswert in diesem Zusammenhang ist auch die Doppel CD: 'Kicking Television' - Live in Chicago, wer sich für diese Musik interessiert.

Keep movin',

R.D.

Bildquelle: Copyright 2009 Nonesuch Records Inc., Warner Music Group 
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