Vergessene Helden: Hans Georg Brunner-Schwer
Stellt Euch folgendes vor:
Von Geburt an gibt es viel Geld in Eurem Leben. Da ihr eine bodenständige Erziehung genossen habt, führt Ihr Euer post-materielles Leben genauso wie jetzt. Ihr habt allerdings die Möglichkeit Eure Leidenschaft weiter zu entwickeln. Ihr gründet ein Plattenlabel. Ihr holt Euch gute Bands und feiert kleine Erfolge. Ihr wohnt in einem großen Haus. Dort ist alles vorhanden, was man für Musik hören, Musik machen und Musik aufnehmen benötigt. Eure Bands kommen vorbei. Ihr ladet Eure Freunde ein. Alle feiern und erfreuen sich an exklusiven Konzerten, gutem Essen und schicken Drinks. Du sitzt in einem anderen Zimmer und beobachtest das Konzert via Videokamera. Zeitgleich schneidest Du es mit. Darum geht es Dir: Die gelungene Atmosphäre eines Konzertabends einzufangen, aufzunehmen und zu erhalten.
Genauso gemacht hat es Hand Georg Brunner-Schwer. Seine Mutter war die Erbin der Firma SABA. 1963 begann Brunner-Schwer, für SABA Schallplatten zu produzieren. In seinem eigenen Tonstudio produzierte er überwiegend Jazzscheiben unter dem Label SABA-Schallplatten. Mit der späteren Firma MPS gründete er das wahrscheinlich erste deutsche Jazz-Label.
1963 war Oscar Peterson bei ihm im Wohnzimmer! Brunner-Schwer zahlte die übliche Konzertgage und Peterson kam tatsächlich in den Schwarzwald.
„Als ich ausstieg“, schreibt Peterson in seiner Autobiographie, „kam ein Mann mit kurz geschnittenem, rötlich braunem Haar, einem runden Gesicht und einem bübischen Grinsen auf mich zu. „Oscar“ rief er überschwänglich und sichtlich aufgeregt. „Willkommen bei mir zu Hause. Ich bin Hans Georg, und ich freue mich so, dass Sie hier sind!“
Bert Noglik beschreibt in der Jazzeitung (09/2005) folgendes:
„ Die kalten Büffets waren erstklassig, die Cocktails exquisit, die Gäste platzierten sich zwanglos um Piano, Bass und Schlagzeug, die Stimmung war entspannt. Ein Gigant des Jazzpianos in einem privaten Ambiente, das ein wenig an die Salons des 19. Jahrhunderts denken lässt, an Hauskonzerte mit Frédéric Chopin oder Franz Liszt. Aus der neuen Welt brachte Oscar Peterson einen mit Swing und Blues imprägnierten Stil des Jazzpianos mit nach Europa. Und Hans Georg Brunner-Schwer hat ihn aufgezeichnet – in einer Atmosphäre, in der sich der Pianist besonders wohl fühlte.
Dabei war der Gastgeber, wie uns der Peterson-Biograph Gene Lees wissen lässt, bei den Konzerten nur zu Beginn im Raum anwesend. Er stellte die Mikrophone auf, ging dann in sein Aufnahmestudio in einem Obergeschoss des Hauses und verfolgte von dort aus das Geschehen über einen Monitor.
Brunner-Schwer war Jazz-Produzent, Mäzen und einer der großen unbekannten prägenden Gestalten der deutschen Jazz-Szene.
Vergesst diese Männer nicht!