Plattenbesprechung: The Cure – Songs of a Lost World

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  6. November 2024, 13:47  -  #Album Review

The Cure live at Troxy, London. Credit: Tom Pallant

The Cure live at Troxy, London. Credit: Tom Pallant

Von Alan Lomax

Es ist da. Das neue Album von The Cure – ein Werk, das sich wie ein weiteres Kapitel in einem unvollendeten Roman liest, eine Ode an die Vergänglichkeit und die Schönheit des Endlichen. Robert Smith, der große Dichter unserer düsteren Sehnsüchte, hat in den letzten Jahren die Nähe des Todes intensiv gespürt und verarbeitet. Songs of a Lost World ist eine Sammlung von Liedern, die diese existenziellen Fragen auf den Punkt bringen, die sich mit einem Leben voller Abschiede, Erinnerungen und schmerzhaften Erkenntnissen befassen.

Am 1. November 2024, während der ersten Klänge dieses Albums im ehrwürdigen Troxy-Theater in London, wurde nicht nur ein neues Kapitel aufgeschlagen – es wurde ein Stück Musikgeschichte geschrieben. 16 Jahre mussten wir darauf warten, doch das dreistündige Release-Konzert bewies, dass sich jede Sekunde dieser Geduld gelohnt hat. In einem epischen Konzert zelebrierte The Cure die Songs, die ein Manifest der Verlorenheit und Akzeptanz zugleich sind, von vorn bis hinten, mit einer Spielfreude, die den Raum fast zum Überlaufen brachte.

Smith sagte kürzlich, er habe den Tod mittlerweile akzeptiert – ein Thema, das ihn seit jeher begleitet, doch heute anders berührt als zu den Tagen von Pornography oder Faith. Damals war die Auseinandersetzung mit dem Tod ein romantisches Spiel, eine literarische Pose, die sich vor dem Dunkel und der Distanz nicht fürchten musste. Heute, da der Tod ihm näher gekommen ist, gewinnt dieses Thema an greifbarer Tiefe. Smiths Worte an die Times treffen ins Mark: „Ich fühle mich überhaupt nicht alt, aber ich bin mir dessen bewusst, und wenn man älter wird, wird diese Angst realer. Der Tod wird alltäglicher.“

Das Album, das Smith live vollständig vortrug, ist eine Reise durch die Emotionen eines Mannes, der unzählige Verluste verarbeiten musste. Ein Song wie I Can Never Say Goodbye, den er seinem verstorbenen Bruder Richard widmete, lässt uns diesen Schmerz miterleben. Richard, der ihm das Gitarrenspiel beibrachte und die Liebe zu Bowie und Beefheart, wurde zum Ursprung und zur Inspirationsquelle dieses Stückes. Es ist ein monumentales Abschiedslied, das Smith seit 2019 live spielt – und an diesem Abend weinte er, als er es vortrug, ein zutiefst menschlicher Moment, der die Katharsis seiner Musik greifbar macht.

Ein Song wie Nothing Is Forever hebt das Album auf eine neue Ebene. Hier trägt Robert Smith heilend das Thema Verlust vor, eine Meditation über das Endliche und das Loslassen. Eingeläutet von wunderschönen Synthie-Pads und einer verspielten Pianomelodie, brechen seine ersten Worte nach fast drei Minuten sanftes Intro mit einer Wucht durch die stille Traumsequenz: „Promise you will be with me in the end.“ Diese Worte reißen aus dem Vertrauten, sie sind tröstend, streichelnd und bauen auf, wie eine umarmende Geste. Doch dann die ernüchternde Wende: „But it really doesn't matter if you say we'll be together.“ Der Klang dieser Zeilen tropft vor ungestillter Sehnsucht und Tränen – „and nothing is forever.“

Doch das Konzert war nicht nur eine Reise ins Neue, sondern auch ein Rückblick in die musikalische Seele von The Cure: Plainsong, Fascination Street, From The Edge Of The Deep Green Sea, und das epische Disintegration wurden zelebriert. Der Abend gipfelte in einem weiteren Meilenstein, als Seventeen Seconds seinen 45. Geburtstag feierte und Klassiker wie A Forest und At Night noch einmal auflebten. Die Show endete mit den Hymnen Friday I’m In Love und Boys Don’t Cry – ein emotionaler Bogen vom Verlorenen hin zum Unvergesslichen.

Wenn man diese Performance sieht, erkennt man: The Cure sind zeitlos. Die ewig junge Stimme von Robert Smith, sein Herzblut und die Leidenschaft, mit der er diese Lieder singt, machen Songs of a Lost World zu einem Meisterwerk. Ein Album, das die Frage nach Leben und Tod stellt und zugleich den Raum für die kleinen, intensiven Freuden des Daseins lässt. Robert Smith und seine Band erinnern uns daran, dass Musik uns immer ein Anker sein kann, ein Wegweiser im Nebel des Lebens. Und so bleibt uns nur zu sagen: The Cure, bleibt für immer!

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