Nachruf: Quincy Jones – Das Ende einer Ära und die letzten großen Ikonen

Von Alan Lomax

Inspiriert von Rick Deckard http://www.lomax-deckard.de/2020/03/quincy-jones-mann-kunstler-vater-netflix.html

Mit Quincy Jones verabschiedet sich eine der letzten wahren Ikonen unserer Zeit. Wenn es noch Zweifel gab, dass die Musikindustrie sich in einem radikalen Wandel befindet, dann hat der Verlust dieses Genies ihnen den letzten Hauch der Romantik genommen. Quincy war nicht nur ein Produzent, sondern ein Architekt, ein Visionär, der Musik in ihrer reinsten Form begriff – als Ausdruck der Seele, der Gesellschaft, der Menschlichkeit. In ihm verband sich die Dringlichkeit der Straße mit der Raffinesse des Studios; eine Balance, die heute – das ist der bittere Geschmack des Fortschritts – kaum noch existiert.

Doch Quincy wäre nicht Quincy gewesen ohne den Einfluss von Frank Sinatra, der ihm den Spitznamen Q gab und ihm „eine neue Welt“ eröffnete. „Frank führte mich in ein Land der Träume, ein Leben voller Genuss ... und voller Musik, die wir beide liebten,“ erinnerte sich Quincy einst. Sinatra war für ihn nicht nur ein Mentor und Wegbereiter, sondern auch ein Freund, dessen unbändige Großzügigkeit Quincy zeitlebens bewunderte: „Niemand erwähnt die 500-Dollar-Trinkgelder, die unbändige Großzügigkeit, die Hypotheken und Beerdigungen, die er für gescheiterte Künstler bezahlte,“ sagte Quincy. „Das ist das wahre Wesen von ihm.“ Diese Seite von Sinatra – ein Mensch voller Herz und Mitgefühl – formte auch Quincy und zeigte ihm die Verantwortung, die eine Ikone tragen kann, fernab von Ruhm und Reichtum.

Jones selbst stand ein Leben lang im Hintergrund, und doch ist sein Einfluss auf die Musikgeschichte nicht zu übersehen. Wer sind die Macher hinter den Musikern? Die Menschen, die den Klang prägen, die Visionen umsetzen, die das Potenzial eines Songs erkennen und hervorbringen. Quincy Jones war einer dieser Macher, vielleicht sogar der Größte von ihnen. Für uns bleibt es eine Faszination und ein Rätsel zugleich, was das Produzieren im Detail ausmacht – wir als Konsumenten sehen das Endprodukt, doch die Magie dahinter bleibt verborgen.

Als ich meine Radiosendung Recording Trips #10 – No Icons Left aufnahm, dachte ich oft an Künstler wie ihn. Es wird uns in Zeiten, in denen Streaming und Algorithmen die Kreativität dominieren, immer schwerer gemacht, den echten Kulturschaffenden, den echten Ikonen zu begegnen. Quincy Jones war ein Solitär in dieser Welt, ein Mann, der das Unvollkommene perfektionierte und uns damit eine Welt der Sehnsucht und der Tiefe hinterlässt.

Vielleicht liegt Jones’ wahre Größe nicht nur in seiner Musik, sondern in seiner Fähigkeit, zu inspirieren. Für ihn war das Talent Geschenk und Verantwortung zugleich. Als Rick Deckard und ich damals anfingen, unsere Track des Tages-Listen auszutauschen und uns über Arrangements, Komposition und Produktion auszutauschen, führte uns das immer wieder zu ihm, zu Quincy Jones, zu den legendären Arrangements wie Smackwater Jack und dem unvergesslichen Ironside Thema. Die Kreise schlossen sich und Quincy wurde zu einem unserer Helden.

Die Dokumentation Quincy auf Netflix gewährt einen berührenden Einblick in sein bewegtes Leben – ein Lebenswerk voller Hingabe, voller Größe und bescheidenem Genie. Ein Mann, der sich, gebeutelt von den Jahren und gesundheitlichen Rückschlägen, immer wieder erhob, um neue Meisterwerke zu schaffen. Quincy Jones: Mann, Künstler, Vater. Ein musikalischer Titan, der ein Universum aus Klängen schuf und selbst darin lebte.

Er war einer der letzten. Er bleibt eine Inspiration, und mit ihm verlässt uns nicht nur eine Ikone, sondern ein Freund der Menschlichkeit, ein Pionier des Sounds und ein Held unseres musikalischen Gedächtnisses.