So ist das neue BRIGHT EYES Album Five dice, all threes

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  25. September 2024, 12:22  -  #Album Review, #Alan Lomax Blog

So ist das neue BRIGHT EYES Album Five dice, all threes

Die neue Bright Eyes-Platte „Five dice, all threes“ wirkt wie ein Spiegel unserer Zeit, und zwar ein gnadenloser. Es ist kein Album, das wir einfach so hören, um uns abzulenken oder zu entspannen. Es fordert von uns, uns selbst zu reflektieren und Stellung zu beziehen. Conor Oberst, wie immer der unerschrockene und wortgewandte Chronist des Chaos, hat uns einen Soundtrack geliefert, der das Gefühl von Aufruhr und Verwirrung in dieser weltpolitischen Lage einfängt – und er macht dabei keine halben Sachen.

Die Frage, wie man sich angesichts von Kriegen, dem Anstieg von Autoritarismus und der Spaltung der Gesellschaft positionieren soll, durchzieht das Album. Oberst spricht die Dinge direkt an – er versteckt sich nicht hinter metaphorischen Schleiern oder andeutenden Texten. Im Song „HATE“ bringt er es auf den Punkt. Hier darf Hass als Gefühl existieren, weil er das Ergebnis von Angst, Überforderung und Ungerechtigkeit ist. Man könnte meinen, er geht zu weit, doch gleichzeitig stellt er uns damit die Frage: Warum dürfen wir nicht hassen, wenn das Leid so präsent ist?

Während Yoda, der weise Jedi-Meister, uns vor dem Hass warnt, macht Oberst uns klar, dass wir in dieser komplexen Welt der Widersprüche und Gefühle nicht immer der Weisheit eines Science-Fiction-Gurus folgen können. Wir müssen unser eigenes Verhältnis zu Furcht, Wut und Hass erkunden, ohne uns dabei in den moralischen Grauzonen zu verlieren. Und genau das ist der Punkt, den Oberst so meisterlich trifft: Die Unmittelbarkeit unserer Reaktionen auf das Weltgeschehen und die Frage, wie wir damit umgehen.

Es ist ein Album, das von seinen großen Gefühlen lebt – Gefühle, die wir in Zeiten wie diesen oft unterdrücken. Bright Eyes erlaubt uns, an diese Gefühle zu erinnern und sie zu akzeptieren. Wer sich der Musik verschließt und lieber im Status Quo bleibt, verpasst die Möglichkeit, die Welt durch eine ehrliche Linse zu betrachten. Aber für uns, die Romantiker und Träumer, die immer noch an die Macht der Musik glauben, sind Bright Eyes der Leuchtturm im Sturm. Das Album Five Dice, all Threes bedient sich auf faszinierende Weise an den ikonischen Momenten der amerikanischen Kulturgeschichte. Die drei Musiker greifen dabei immer wieder auf den Film Suddenly aus dem Jahr 1954 mit Frank Sinatra zurück, der als permanente Quelle für Samples und Zitate dient. Durch diese Verweise schaffen sie nicht nur eine nostalgische Verbindung, sondern integrieren auch den düsteren und spannungsgeladenen Ton des Films in ihre Musik. Suddenly selbst, als ein Thriller über ein geplantes Attentat auf den US-Präsidenten, bietet eine ideale Leinwand für die experimentellen und narrativen Elemente der Band, die so auf einzigartige Weise Vergangenheit und Gegenwart verschmelzen lässt.

Conor Oberst hadert mit der Welt. Und das ist großartig. Seine gebrochene, zitternde Stimme wird erneut zu einem regelrechten Beben, das tief in mir nachhallt. Schon immer wollte ich Conor Oberst an meiner Seite haben – das ist eben so mit alten Helden. Natürlich wäre es großartig gewesen, ihn während so mancher Lebensphase, die ich durchschritten, gelitten und gefeiert habe, tatsächlich an meiner Seite zu wissen. Irgendwie war er ja auch da. Immer. Sicher! Aber nie körperlich. Und gerade jetzt spüre ich umso deutlicher, wie notwendig es wird, jemanden wie ihn im Rücken zu haben, wenn ich erneut in den Kampf ziehe. Den Kampf für das Gute, das Notwendige, für die Träume, die nur wir Romantiker verstehen. Bright Eyes sind im November auf Deutschland Tour. Am 14. November 2024 im Kölner Carlswerk.

Aus Omaha

Alan Lomax

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