Merci, Monsieur Delon!

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  18. August 2024, 13:17  -  #Filme, #Kino, #Popkultur

Merci, Monsieur Delon!

Das Bild von Delon hat sich bei mir eingebrannt: Hut. Hochgeschlagene Krempe. Trenchcoat. Der Inbegriff von Souveränität und Gelassenheit. Ein Vorbild. Nur Bogart tat es ihm gleich.

 

Als heranwachsender Jugendlicher ist Eskapismus ein beliebter Zeitvertreib. Bücher, Comics, Musik und Filme. Das Selbstwertgefühl und auch das Selbstbewusstsein sind bei jedem Menschen in dieser Phase labil. Wenn in dieser Lebensphase Jef Costello als eiskalter Engel auf dem Bildschirm erscheint, ist das Staunen groß, die Identifikationsfigur da. Mit einem Schlag.

 

Alain Delon ist heute im Alter von 88 Jahren verstorben und mit ihm stirbt auch ein großer Teil meiner Leidenschaft für das Kino.

 

Ich habe Delon bewundert und tue es noch immer.

 

Das lag nicht nur an seinem fabelhaften Aussehen. Delon war einer der wenigen Schauspieler, dem es nicht nur mit seinem Aussehen gelang zu beeindrucken, sondern auch mit seinem Schauspiel und der viel gerühmten Leinwandpräsenz, mit der nur ganz wenige Schauspieler und Schauspielerinnen gesegnet sind.

 

Wenn er auf der Bildfläche erschien, wollte ich so sein, wie er: Lässig, cool, unnahbar. Eine weitere, noch lebende Schauspielikone, verkörperte eben das: Clint Eastwood.

 

Ich habe mit Alain Delon unzählige schöne Kinomomente erleben dürfen, emotionale Achterbahnfahrten und Resonanz auf Träume.

 

Seine Durchtriebenheit als Tom Ripley habe ich ihm verziehen, wer nicht? In der Schlussszene des spannenden Kriminalfilms von René Clement schlägt man die Hände über den Kopf zusammen, so groß die Identifikation mit einem Verbrecher.

Merci, Monsieur Delon!

Doch die große Bewunderung für Delon entbrannte in einem der für mich schönsten Filme: LES AVENTURIERS (Die Abenteurer). Robert Enricos Film aus dem Jahr 1967 ist von einer solchen Leichtigkeit und zarten Melancholie, dass man den Film wieder und wieder sehen möchte. Delons Mitstreiter waren der wunderbare Lino Ventura und die bezaubernde und wunderschöne Joanna Shimkus. Was für ein Film!

 

Und dann kam er, im gleichen Jahr, der Film, mit dem Delon, nicht nur für mich, zur stilbildenden Ikone wurde: LE SAMOURAI (Der eiskalte Engel). Mit diesem Film wuchs und entbrannte auch die Leidenschaft für einen der für mich besten Regisseure Frankreichs: Jean-Pierre Melville.

 

Das erste Mal, als ich Delon in diesem desillusionierenden Film sah, war ich wahnsinnig enttäuscht. Nichts entsprach der heldenhaften Welt Hollywoods und es entstand zunächst eine große Distanz zu dem von Delon verkörperten Charakter. An diesen, für mich als Betrachter, sensiblen Umbrüchen begann zeitgleich das Erwachsenwerden mit Delon. Erst viele Jahre später erkannte ich den künstlerischen Wert dieses Films und eine andere Art der Identifikation mit Delon (seinen Charakteren) begann.

 

Ende der 60er Jahre und Anfang der 70er folgten dann zwei weitere Filme, mit denen Delon zum Superstar und Kult (für mich) wurde:

Merci, Monsieur Delon!

Der Kultklassiker LE CLAN DE SICILIENS von Regie-Genie Henri Verneuil (unfassbar schöne Musik von Ennio Morricone!) und die Meditation LE CERCLE ROUGE (Vier im roten Kreis) von dem ebenfalls gesegneten Jean-Pierre Melville.

 

Die Rollen des Roger Sartet (LCDS) und des Corey (LCR) machten Delon für mich unsterblich. Unnachahmlich, mit welcher Eiseskälte und Skrupellosigkeit Delon Sartet verkörperte und mit welcher Ruhe und Introvertiertheit den Corey. Zwei Meilensteine des französischen Kinos, nicht zuletzt wegen Alain Delon.

 

Zu den Eigenheiten des Kinos des vergangenen Jahrhunderts gehörte die Tatsache, dass Schauspieler:innen über Jahre und Jahrzehnte hinweg immer wieder in guten und sehr guten Rollen als auch Filmen zu sehen waren. Es gab eine gewisse Beständigkeit, die heute so nicht mehr anzutreffen ist. Filme, „Stars“ und „Sternchen“ verglühen und verpuffen gleich nach der Entstehung. Gleiches gilt für Regisseure.

 

Delons Karriere umspannte einen Zeitraum von mehr als einem halben Jahrhundert!

 

Seine Karriere endete nicht nach 10 Jahren, was uns als Zuschauer natürlich erfreute und so folgten weitere Klassiker in den legendären 70er Jahren, zum einen UN FLIC (Der Chef), Melvilles letzter Film und SCORPIO (großartiger Thriller!), diesmal unter der Regie von Michael Winner mit Burt Lancaster als Gegenpart.

 

1977 folgte Delons letzter großer Film für mich, Georges Lautners DER FALL SERRANO (mit einer hörenswerten Filmmusik!).

 

In den 80er und 90er Jahren folgten noch einige Filme, aber wie auch andere Stars der vergangenen Ära musste Delon der Zeit Tribut zollen. Die Zeiten, Sehweisen und auch die Generationen änderten sich.

 

Alain Delon ist untrennbar mit meiner Leidenschaft für das Kino, den Film verbunden. Ohne ihn wäre mein Leben um einiges ärmer gewesen, in jeglicher Hinsicht. Ein Schauspieler, der mir mit der Darstellung vieler Charaktere geholfen hat, den Alltag zu bewältigen, der eine künstliche Welt mit seinen Filmen geschaffen hat, die ich wieder und wieder gerne betreten habe und betrete, um mich treiben zu lassen.

 

Diese Welt lebt zwar in seinem filmischen Vermächtnis weiter, aber nun ohne ihn.

 

Merci Monsieur Delon!

 

Au revoir!

 

Rick Deckard

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