William Friedkin

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  4. November 2023, 15:28  -  #Filme, #Kino

William Friedkin

Was für eine herbe Enttäuschung!

 

Das soll es gewesen sein? Das Ende?

 

Was nach Ende der ersten Betrachtung von THE FRENCH CONNECTION mit Unverständnis und Enttäuschung endete, wurde bei der wiederholten Betrachtung zu einem Triumph, zu einem Wandel in der Rezeption von Filmen.

 

Wenn ich es mir bewusst vor Augen führe, dann war William Friedkins Klassiker der Beginn einer schrittweisen Veränderung in der Bewertung und Verarbeitung von Filmen. Der Wandel, der mit „New Hollywood“ einherging, wurde auch zu einer persönlichen Weiterentwicklung.

 

Es darf nicht verwundern, weshalb Enttäuschung als Empfindung am Ende von THE FRENCH CONNECTION resultierte. Gene Hackmanns Gesichtsausdruck als „Popeye“ Doyle spricht Bände. Aufgewachsen mit den Filmen der „Goldenen Ära“ Hollywoods wurde man nahezu indoktriniert mit dem Duell „Gut gegen Böse“, aus dem am Ende – natürlich – das Gute als Sieger hervorging. Der Cowboy, der in den Sonnenuntergang reitet, Elliot Ness, der Al Capone besiegt. Immer gewannen die Guten. Lediglich Fred Zinnemanns HIGH NOON und Robert Aldrichs Meisterwerk VERA CRUZ waren Vorreiter einer sich anbahnenden Veränderung.

 

Nun also das: In einem verzehrenden Kampf gegen Drogenhändler ziehen „die Guten“ den Kürzeren und der Bösewicht triumphiert! Ein Schock. Ich war perplex. Das trostlose Ende ließ mich fassungslos zurück.

 

Wie kann es dann sein, dass bei den Wiederholungen im Fernsehen und mit dem Aufkommen der Videokassetten und digitaler Medien der Film trotzdem immer wieder einen Reiz auslöste und zum erneuten Anschauen einlud?

 

Die Antwort ist: Es liegt in der Kunst des Regisseurs William Friedkin (geb. 29. August 1935), der dieses Jahr am 07. August verstarb und dem dieser Beitrag gewidmet ist.

 

Mit der Änderung des persönlichen Umfeldes, der eigenen Weiterentwicklung (durch Aneignung von Wissen in der Literatur, durch Medien), durch den Zugang von Informationen wandelte sich das Bild und THE FRENCH CONNECTION wurde zu einem persönlichen Klassiker.

 

Filme wie dieser waren es, Regisseure wie Friedkin, die u.a. ein enormes Interesse für das Medium Film entfachten und für alles und für alle, die mit der Entstehung eines Filmes zu tun hatten. Sicherlich wurde der Grundstein für das Interesse am Film, am Kino, bereits viel früher angelegt (LAWRENCE OF ARABIA – F.A. Young und Anne V. Coates), aber THE FRENCH CONNECTION befreite einen aus der rosaroten Bubble. Das hier war die Realität und sie war anders als eine Traumwelt.

 

Das Faszinierende an THE FRENCH CONNECTION war und ist, dass er trotz des Aufzeigens der bittereren Realität als „Traum“ funktioniert. Warum das so ist, lässt sich nur schwerlich erklären. Insbesondere, weil der Film desillusionierend ist.

 

Ein Grund, warum der Film bis heute fasziniert ist die Art seiner Inszenierung. Filme sind für mich Kunst und ich habe immer schon ein grosses Interesse an der Analyse von Kunst gehabt, sei es Musik, Literatur, Malerei, Kino. Wie schafft es der Künstler (s)eine Wirkung zu erzielen?

 

An dieser Stelle motivierte THE FRENCH CONNECTION (neben vielen anderen Filmen dieser Ära) sich eingehender mit der Filmkunst zu beschäftigen: Kamera, Ausleuchtung, Musik, Schauspiel, Schnitt, Handlung, Geschichte usw.

 

Furios inszeniert und auch heute noch Begeisterungsstürme hervorrufend, ist die spektakulär inszenierte Verfolgungsjagd, in der Gene Hackman einen Verbrecher durch New York jagt. Ich bekomme Gänsehaut, wenn ich an diese Szene denke! Was für eine virtuos fotografierte und geschnittene Sequenz!

 

Gene Hackman als Jimmy „Popeye“ Doyle und Fernando Rey als sein Widersacher Alain Charnier – ein zeitloses Duell. Hackmans Schauspiel ist beeindruckend und das Ganze gebettet in ein New York ohne Schlittschuhlaufen am Rockefeller Plaza, ohne schicke, teure Einkaufsstrassen und beeindruckende städtische Baukunst. Dieses New York ist nicht schön, es ist dunkel, kalt und abweisend.  Erstaunlicherweise war es dieser Realismus, der anfing an diesem Film zu faszinieren.

 

Aus einer herben Enttäuschung wurde ein Klassiker der Filmgeschichte und ein früher Entwicklungsschub für die langsame zunehmende Erkenntnis, dass man selbst nicht immer reif für Veränderungen ist und offen bleiben muss für neues.

 

In der Hinsicht gilt es William Friedkin seinen Dank auszusprechen. Ohne ihn wäre die Filmkultur eine andere. Ich habe ihn damals bewundert und tue es noch heute.

William Friedkin

Alfred Hitchcocks Meisterwerk PSYCHO und Richard Donners THE OMEN waren und sind für mich herausragende Beispiele aus dem Horror-Genre, erweitert um Ridley Scotts Meisterwerk ALIEN. Alle drei mehr oder minder Paradebeispiele für die subtile und virtuose Inszenierung in diesem Genre und PSYCHO und ALIEN persönliche „Angst-Filme“. „Angst“ nicht im Sinne von „Angst haben“ beim Anschauen, sondern aufgrund ihrer Finalität: Danach geht nichts mehr.

 

Ein solcher Film ist THE EXORCIST.

 

Als ich ihn das erste Mal sah, war ich – wie bei PSYCHO und ALIEN – schockiert. Die brillante Eröffnung des Films mit Verweis auf die Historie und dadurch Eröffnung einer Epik ist unübertroffen. Die Ruhe zu Beginn ist Angst einflößend, das Spiel der Darsteller beeindruckend.

 

Das Faszinierende an diesem Film ist, dass sich Friedkin eigentlich lustig macht über Aberglauben und Teufelsaustreibung, aber in der Darstellung dessen unsere Urängste auf fast obszöne Art und Weise befeuert. Trotz des Glaubens an die Rationalität ist THE EXORCIST absolut furchteinflößend! Hier haben wir ihn wieder, den Kampf „good versus evil“ und wieder beleuchtet ihn Friedkin aus einer gänzlich neuen Perspektive.

 

Dass es William Friedkin gelingt, aus einer im Grunde lächerlichen Geschichte, virtuos inszeniertes Horror-Kino zu erschaffen, liegt eben in seinem Talent, seiner Kunst. In heutiger Zeit ist diese Kunst verloren gegangen und auch wenn Friedkin in der Darstellung des Teufels explizit vorgeht, so geht das nicht einher mit einer Lust am pornografischen, wie es heute im Horror Genre nahezu Gang und gebe ist.

 

Linda Blair gegen Max von Sydow! Ein weiteres Duell für die Ewigkeit!

 

Wie effektiv einzelne Aspekte bei der Inszenierung eines Filmes sein können, zeigen sehr häufig Horror Filme und in dieser Hinsicht auch THE EXORCIST. Allein die Idee „Tubular Bells“ von Mike Oldfield als ein Thema zu verwenden, war brillant! Was aber beeindruckend ist und in Erinnerung bleibt, ist die Kameraarbeit von Owen Roizman.

 

Er erschafft einen ikonografischen Moment der Filmgeschichte und es zeigt sich in diesem, was Kameraarbeit bedeutet: Die Kunst in der Verwendung des Lichts, Kameramänner und –frauen sind Lichtkünstler! Die Szene, in der Max von Sydow vor dem Haus steht, in dem er den Exorzismus betreiben soll, ist ein Beispiel für meisterhafte Ausleuchtung und Kameraarbeit: Merkwürdiges helles Licht scheint aus dem Haus auf die Strasse, die Szene ist fast schwarz-weiß, wir sehen den Pater in der Rückansicht, der zu diesem Zeitpunkt bereits todkrank ist. Er steht seinem letzten Kampf bevor und tritt gleichermaßen hinüber in die andere Welt.

 

Grandios!

 

Ein Meisterwerk des Horrorfilms.

 

Ich vermisse dieses Kino so sehr, nicht allein aus einer nostalgischen Sicht, vielmehr wegen der Kunst, der Art und Weise, wie diese analogen Filme gedreht wurden.

 

In meiner persönlichen Entwicklung in der Rezeption von Kinofilmen nahm William Friedkin (neben Michael Cimino) stets einen großen Platz ein. Ich erinnere mich, wie oft ich seinen Namen in unzähligen Diskussionen über das Kino erwähnte. Bis weit in die Achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts drehte er sehenswerte Filme, die mit TO LIVE AND DIE IN L.A. seine Kunst mit einem weiteren filmischen Höhepunkt beendete.

 

"I tend to be attracted to characters who are up against a wall with very few alternatives. And the film then becomes an examination of how they cope with the very few options. And that’s, I guess, what interests me in terms of human behavior."

William Friedkin (29.08.1935 – 07.08.2023).

 

Aus Brooklyn,

 

Rick Deckard

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