So war das Calexico-Konzert in der Kölner Philharmonie am 30.10.2024

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  31. Oktober 2023, 12:38  -  #Calexico, #Konzertkritik, #Kölner Philharmonie, #Desertrock, #Joey Burns

Fotos by Alan Lomax FoundationFotos by Alan Lomax Foundation

Fotos by Alan Lomax Foundation

Ein Konzert in der Kölner Philharmonie zu erleben, ist auch nach all den Jahrzehnten immer noch etwas Besonderes. Die Fahrt in das Herz von Köln, die beeindruckende Architektur, die herausragende Akustik sowie die Gelegenheit, hier die ganz großen Bands und Musiker zu sehen, erinnert einen an die gesamte Schönheit des Musikgenusses.

Die US-amerikanische Band Calexico existiert bereits seit 1996 und trägt den Namen der gleichnamigen Stadt in Tucson, Arizona. Es ist offensichtlich, dass die beiden Hauptmitglieder, Joey Burns und John Convertino, die Atmosphäre der Grenzregion zu Mexiko und die Wüstenlandschaft in ihrer künstlerischen DNA haben. Ihr neues Album ist gerade erschienen, und nach den ersten Durchläufen fällt auf, dass es an starken Melodien und oft auch an den vielschichtigen Arrangements früherer Alben, wie meinem Favoriten "Carried To Dust", dem sechsten Studioalbum aus dem Jahr 2008, mangelt. Aber eine kurze Reise in ihr musikalisches Geheimlabor erinnert daran, dass es nicht nur um ein einzelnes Album geht, sondern um die beeindruckende Diskografie der Band und die intime Atmosphäre, die Burns und Convertino schon immer meisterhaft vermittelt haben.

Trotz all dieser Worte gibt es ein Gefühl des Nachhausekommens. Calexico sind eine echte Konsensband, die schon vor langer Zeit gelernt hat, zu bleiben. Und das aus einem einfachen Grund: Calexico macht die Menschen glücklich!

Das Glück beginnt an diesem Montagabend bereits mit dem Support-Act Brian Lopez. Lopez überzeugt zunächst als Solokünstler, covert "Killing Moon" von Echo & The Bunnymen und vermischt Flamenco-Noten mit psychedelischen Elementen. Bei "Static Noise" erinnert er sogar stimmlich kurz an Jeff Buckley oder vielleicht treffender formuliert, er hat den Touch von Roy Orbison. Der sympathische Kalifornier wird zu Beginn von den Mitgliedern von Calexico begleitet, übernimmt jedoch später auch die Rhythmusgitarre als Mitglied von Calexico. 

Es gibt viele Bezeichnungen für die Musik von Calexico. Die Bandbreite ist beeindruckend. Vor einigen Wochen habe ich über die Vielfalt von Ben Lamar gesprochen, aber Calexico verstehen sich auch als klassische Rockband, die durch verschiedene Rockeinflüsse surft und dabei Ausflüge in Jazz, Dub, Mariachi, Latin und Walzer-Rhythmen unternimmt.

Zu Beginn fehlt mir ehrlich gesagt etwas an Geschlossenheit. Andererseits fühlt sich die erste Stunde an, als würde ein lokaler FM-Radiosender in Arizona laufen, einschließlich Ansagen und wunderbaren, kurzen Instrumentals und Stomps.

Natürlich ist Frontmann Joey Burns politisch korrekt, wie er es schon immer war, und natürlich ist die Band keine Musik, die auf die Wüste oder Arizona festgelegt ist. Die großen Momente sind dafür zu intensiv und weitsichtiger. Atmosphärisch ging es schon immer um die Szenerie eines Autoverwertungshofs am Abend, vor einer brennenden Tonne, auf der ein paar Eichhörnchen brutzeln und das ein oder andere Bier getrunken wird. Allerdings sollte erwähnt werden, dass die Band aufpassen muss, nicht in die Kategorie des "ZDF Fernsehgarten" abzurutschen. Gerade hier in Köln erinnern einige Counter-Melodien an örtliche Karnevalsbands. Wenn dann 2.000 Menschen in der Philharmonie Joy Divisions wichtigsten Popsong aller Zeiten, "Love Will Tear Us Apart", mitsingen und im 2/2-Takt babylonisch mit klatschen, fragt sich der interessierte Zuhörer, ob die Zeit für den ZDF Fernsehgarten gekommen ist.

Aber so schlimm ist es noch nicht. Calexico finden immer wieder in die richtige Spur und aus Spaß wird Ernst. Die Stimmungswechsel, die grandiose Finesse der Band und die nostalgische Feier einer der besten Bands der neunziger Jahre sind bemerkenswert.

Ein furioses Highlight war das Cover von "Alone Again Or" von Love. Der Song stammt aus dem Jahr 1967 und fasst gekonnt die kommenden 50 Jahre Rockgeschichte zusammen. Das Album gehört zu den Höhepunkten der Rockgeschichte. Übrigens wurde "Alone Again Or" von Bryan MacLean geschrieben, nicht von Arthur Lee. Bryan MacLean war Roadie bei Love, und die Band war nie virtuos, sondern schrammelig und genial. Ich frage mich immer, warum die Leute der sechziger und später immer zwischen den Beatles und den Stones wählen. Die grundlegende Frage ist eigentlich: Beach Boys oder Love! Oder Joey Burns oder John Convertino? Hier gibt es keine Entscheidung, da beide Musiker kreativ und leidenschaftlich sind. Die Band ist auf dem Höhepunkt ihres Schaffens, und Überraschungen dominieren den Abend.

Abschließend sei noch erwähnt, dass der Song "Crumble" eine unglaublich treibende Jazzschönheit ist, bei der Convertino zeigt, dass er einer der besten Standardschlagzeuger und gleichzeitig vielseitigsten Schlagzeuger der Szene ist. Der treibende Beat, ohne die Verwendung eines "rolling shuffle", ist beeindruckend. Er spielt auf einem kleinen Schlagzeugset und setzt so herausragende Akzente, dass man immer wieder darauf wartet. "Crumble" zeigt, wie groß diese Band wirklich ist.

Es war ein gelungener Abend, der nachhaltig in Erinnerung bleiben wird. Das Wort "Evergreen" fällt mir ein!

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Alan Lomax"

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