Stan Getz - Café Montmartre

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  6. Juni 2022, 11:39  -  #Jazz

Stan Getz - Café Montmartre

Stan Getz hat recht.

 

Ein gutes hatte die Serie American Gods, wie so häufig vieles schlechtes etwas gutes in sich trägt: Bei der Filmmusik war im Hintergrund immer wieder ein Saxophon zu hören, häufig solo, gelegentlich mit Percussion. Der Ton dieses Saxophons stiess irgendwo in den Tiefen meines Gehirns, in einem Komplex aus Neuronen, in dem ich scheinbar Töne abgespeichert habe, auf Resonanz:

 

Stan Getz.

 

Nicht, dass der das Saxophon spielt, aber der Ton kam meiner Erinnerung an seinen sehr nahe.

 

So gab es gestern Abend ein Double Feature:

 

What The World needs Now - Stan Getz Plays Bacharach And David.

 

Cafe Montmartre. 

 

Getz' Interpretationen einiger Klassiker von Bacharach & David waren der perfekte Appetizer, wenn man so will. Kein Wunder, mit von der Partie waren unter anderen Chick Corea, Herbie Hancock, Jim Hall, Ron Carter und Roy Haynes. Doch das "icing on the top" sind die fantastischen Arrangements von Richard Evans und dem legendären Claus Ogerman. Wer sich einen Eindruck verschaffen will, dem seien Titel Nr. 4 (Any Old Time Of The Day) und Nr. 11 (Walk On By) empfohlen.

 

Ich höre so gut wie überhaupt keine Musik auf digitalen Streaming Plattformen und gestern Abend kam es mir erneut in den Sinn, warum: Die CD ist greifbar, das Einlegen der CD in den Player ist ein Akt der Bewegung. Das Gleiten der Augen über das Cover ein Reiz für die Sinne. Doch am meisten schätze ich das Lesen des Booklets, insofern es das gibt. Auf der Rückseite die Original Liner Notes von Morgan Ames, die innen nochmals besser lesbar abgedruckt sind. Auf Seite 5 des Booklets ein kleiner Infotext zum Verve Label und am Ende eine Auflistung mit der Überschrift: "Other CDs by Stan Getz you may enjoy".

 

Liebe Leserinnen und Leser: Hand aufs Herz: Machen Sie diese sinnlichen Erfahrungen, wenn Sie auf Ihrem Computer, Ihrem Smartphone mit der Maus oder Ihrem Finger einen Track anklicken?

 

Es gibt drei Musiker, bei deren Musik ich auf Resonanz stoße, die mein Seelenleben in Musik übersetzen:

 

  • Ludwig van Beethoven

 

  • John Williams

 

  • Burt Bacharach
Stan Getz - Café Montmartre

Das Highlight gestern Abend war Café Montmartre.

 

Man würde ja meinen ein Café in Paris. Nein, in Kopenhagen, Dänemark. Getz war bereits 1951 in dieser Stadt und Ende der 50er, Anfang der 60er erneut.

 

Die einzelnen Stücke wurden 1987 und 1991 live im Café Montmartre in Kopenhagen aufgenommen.

 

Grossartiger Jazz!

 

Die Musik ist aus einem Guss, der Flow nimmt den Hörer mit auf eine Reise. Es sind zumeist langsame, stimmungsvolle, impressionistische Stücke und bereits nach den ersten Takten spürte ich, warum ich diese Töne abgespeichert hatte.

 

Getz' Ton ist sanft, leicht, lyrisch, weich, voller Hingabe an Gefühle. Er erinnert, und das ist immer die erste Assoziation, wenn ich Getz höre, an die Schönheit der Musik, das Einnehmende der Melodie. Pure Ästhetik.

 

Man sagt, das Saxophon kommt im Ausdruck der menschlichen Stimme sehr nahe, dass ein Jazz-Musiker, der Saxophon spielt, über dieses Instrument "spricht". Wenn dem so ist, dann geht Stan Getz' Vermögen darüber hinaus, er kommuniziert non-verbal, klingt paradox, aber hören Sie selbst.

 

An seiner Seite sind sein langjähriger Begleiter und Pianist Kenny Barron, der scheinbar über die Tasten zu gleiten scheint, statt sie anzuschlagen, ein wundervoller Künstler, ich liebe sein Spiel, Rufus Reid am Bass und ein weiterer Kompagnon am Schlagzeug, Victor Lewis.

 

Die eindringlichsten Momente auf dem Album sind die, auf denen Getz alleine mit Barron spielt. Es sind wunderbare Momente voller Harmonie, Ruhe, Gelassenheit. Beide sind in ihren eigenen Welten, verlieren sich im Strom und sind doch eng beieinander. Pure Schönheit!

 

Auf der Innenseite des Covers ist zu lesen:

 

"I believe you should try to make music as beautiful as you can. It should not be done with ugliness. There's so much hate in the world; you have to counteract it with loveliness."

Stan Getz.

 

Er hat recht.

 

Aus Kopenhagen,

 

Rick Deckard.

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