THEM: Convenant – Amazon Prime – Little Marvin

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  29. April 2021, 07:58  -  #Essay, #Fernsehen, #Feuilleton, #Filme, #Kommunikation

THEM: Convenant – Amazon Prime – Little Marvin

Anfang der 50er Jahre zieht die Familie Emory von North Carolina nach Los Angeles. Der Kriegsveteran Henry (Ashley Thomas), die ehemalige Lehrerin Lucky (Deborah Ayorinde) und ihre beiden Kinder (Shahadi Wright Joseph, Melody Hurd) lassen ein tragisches Erlebnis zurück und hoffen auf ein besseres Leben im sonnigen Südkalifornien. Leider werden alle Hoffnungen auf einen reibungslosen Umzug schnell zunichte gemacht. Die Bedrohung außerhalb des schönen neuen Hauses ist real und furchterregend und leider erweist sich auch das Innere des Hauses nicht als der sicherste Ort.

 Der Vorort im sonnigen Kalifornien ist: Compton, und liegt ca. 20 km entfernt von der Innenstadt Los Angeles. In der Gegenwart ist Compton auch die Hauptstadt für die Definition von sozialer Segregation geworden. Gleichsam ist der Vorgang der „Segregation“ zu einer alltäglichen Worthülse verkommen. Die Begrifflichkeit wird zwar häufig THEMatisiert, aber wissen die meisten Menschen auch um die komplexen geopolitischen, gesellschaftlichen und historischen Zusammenhänge?

 Neben all‘ den erzählerischen, inhaltlichen und dramaturgischen Coups der Serie, zeigt THEM wie es nach der Einführung der Jim-Crow-Gesetze in den USA zur räumlichen und sozialen Trennung in Compton und gleichen Wohngebieten kommen konnte Der Autor und ausführende Produzent Little Marvin nutzt Compton als Exklusions Ground Zero.

 Das Horrorgenre folgte ebenso wie die gelebte Ungleichheit dem Prinzip der Exklusion. In dem Genrefall THEM liegt diese Betonung bei der Ausschließung von konservativen Parteien und Traditionalisten. Und folgt somit der Idee, diejenigen, die Horror vor dem Horror haben, zu provozieren. Stephen King hat einmal auf die Frage, ob Horror Grenzen in Bezug auf Schock und Ekel überschreiten sollte, geantwortet, dass Horror im besten Fall eine Herausforderung ist, die uns zwingt unseren Platz in der Welt zu überdenken.

 Die Phalanx von Gewalt, die in THEM gezeigt wird, führt das Thema systemischer Rassismus und Gewalt zu neuen Extremen und will Kontroversen auslösen. So ist die Folge 5 auch sicherlich die umstrittenste Folge einer Serie überhaupt. Was aber nicht wichtig ist, denn Autor Little Marvin bietet den Zuschauer*innen hier eine einmalige und seltene Gelegenheit auf Selbstreflektion unter unerträglichen Ereignissen.

THEM: Convenant ist von großer, bleibender Wichtigkeit und Nachhaltigkeit. Jede Folge ist voller beunruhigender Momente und wirklich entsetzlichen Szenen. Aber damit auch der letzte Mensch auf dieser Welt versteht, dass Humanismus nicht verhandelbar ist, ist es aus meiner Sicht die richtige Entscheidung gewesen, das eigentliche „NoGo“ in Folge 5 tatsächlich zu zeigen. Unter der Voraussetzung, dass das kein Spektakel wird, sondern als Kontroverse verstanden wird, so wie es Little Marvin auch in einem Interview formulierte:

 "If you're able to come away from the show with a greater understanding that the word segregation is not from the distant past but is, in fact, part and parcel of the way we live today, there's no greater hope I have than that for creating the show."

 "Wenn bei John Ford jemand ein Fenster aufmacht, blickt er in eine strahlende Zukunft. Wenn er dasselbe bei mir macht, wird er erschossen." Sergio Leone

 Kunst ist immer subjektiv und hängt auch von der eigenen Lebenseinstellung ab. Mir ist natürlich klar, dass Gegenstimmen behaupten, die Serie sei gewinnorientiert. Die Journalistin Nia Simone McLeod spricht sogar von einer Ausnutzung des schwarzen Traumas, um den Weißen eine Lektion zu erteilen.

Little Marvin hat alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um seine zeitgemäße, relevante, provokante und kontrovers überhöhte Vision des täglichen Horrors der unter Menschen stattfindenden Diskriminierung anzubieten.

 #blacklivesmatter

Alan Lomax

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