Cherry (2021) – Anthony Russo, Joe Russo
Es ist nun 2 Tag her! Und ich habe fast vergessen, dass ich den Film CHERRY gesehen habe. Gerade eben musste ich mich einige Minuten konzentrieren, um mich an das Drama, welches auf der Romanvorlage von Nico Walker basiert, zu erinnern.
Walker hatte in seinem halbautobiographischen Roman erzählt, wie er als Sanitäter der US-Armee im Irak diente. Danach im richtigen Leben seinen depressiven und traumatisierten Zustand nicht mehr in den Griff bekam und heroinabhängig wurde. Letztendlich verbrachte er elf Jahre in Haft, da er seinen Drogenkonsum mit einer Vielzahl von Banküberfällen finanzierte. Ein amerikanisches Trauma, welches insbesondere nach Vietnam, aber eben auch in der Gegenwart gilt und somit immer noch eine Relevanz hat, erzählt und verarbeitet zu werden. Insbesondere weil sich das Motiv, nach tatsächlichen Gesichtspunkten des Humanismus nicht wiederholen dürfte, da offensichtlich niemand aus der Geschichte gelernt hat.
Der Film ist hervorragend besetzt: Tom Holland spielt Cherry und Ciara Bravo brilliert als seine Freundin Emily.
Der Film ist wie der Roman in Kapitel unterteilt. Das visuelle Konzept des Filmes ist, dass jedes Teilstück eine cinematografische Eigenheit hat. So sind z. B. die Seitenverhältnisse unterschiedlich, um eine Enge und Weite zu erzeugen oder in den Drogensequenzen Objekte eingesetzt worden, die eine psychedelische Stimmung der Verzerrung erzeugen. Der Film ist als großer Kinofilm angelegt worden. Apple TV+ hat ihn nun für das Wohnzimmerkino übernommen. Die Gründe sind bekannt.
Die Vermutung, dass der Film ehr im Kino auf der großen Leinwand funktioniert ist naheliegend. Leider aber wird aus der Dramaturgie der Erzählung im Einklang mit der sehr linear erzählten Struktur nie wirklich klar, weshalb nun dieses oder jenes Produktionsdesign gewählt wurde. Und das hat leider nichts mit dem Unterschied Leinwand oder Display zu tun. Der künstlerische Effekt gelingt somit leider nicht und die Abstimmung zwischen Realismus und Fiktion bleibt sehr unklar. Insbesondere was die gleichzeitige Entfaltung der Rolle des Cherry angeht. Tom Holland vielleicht ist einer der wichtigsten Schauspieler unserer Zeit und ich glaube auch an ihn was die Zukunft angeht. Inzwischen ist er soweit, dass er einen Blockbuster alleine tragen kann. Als Cherry wird ihm allerdings nicht Freiheit gelassen, sich zu entfalten. Die Inszenierung erdrückt die eigentlich gute und nachvollziehbare Geschichte und die Entwicklung des sympathischen Helden, wird zu einer Fratze des Grauens, anstatt zu einer nachvollziehbaren Lebensgeschichte. Ein schönes Vergleichsbeispiel könnte hier Forrest Gump sein. Zemeckis ist es nämlich damals gelungen eine brachiale überbordende Geschichte zu erzählen und Tom Hanks trotzdem als Star des Films geltend zu machen. Tom Holland verschwindet leider hinter dem visuellen Konzept von Cherry. So wirkt vieles absolut unbegründet. Ein menschliches Drama ist eben keine Comicverfilmung. Die Russo Brüder sind ja vorrangig mit ihren Verfilmungen für das Marvel Cinematic Universe bekannt geworden. Ihre Avenger Filme gehören mit zum Besten des Genres.
Die wesentliche Komponente -vom Übergang Superhelden Filme zur Realität- ist leider nicht gelungen. Überhaupt ist diese Fragestellung nach der Herausforderung von Regisseuren im gegenseitigen Wechsel dieser beiden Genres ein spannendes Thema. Und Vergleiche lassen sich Vis á Vis ziehen.
Zu guter Letzt muss ich noch Frage nach der Notwendigkeit der Verfilmung stellen! Die Vorlage ist eine Art Selbsttherapie. Aber diese ist häufig und viel besser erzählt worden. Diese Geschichte ist leider weder originell noch besonders klug.
Aus der Shitty Bank (die gefakten Namen der überfallenden Bank, sind allerdings sehr lustig!)
Alan Lomax