La La Land - Damien Chazelle
Ich möchte die Variation eines Marcel Proust Klassikers aus der Moderne bemühen:
Auf der Suche nach dem verlorenen Film.
Die Suche nach Filmen in Zeiten der Corona-Pandemie treibt ungeahnte Blüten. Nicht, dass ich das Musical-Genre als nicht weiter beachtenswert erachte, der Umstand, dass ich mir überhaupt den vor 5 Jahren erschienenen Film angesehen habe, überrascht mich selbst. Das Virus verändert uns alle. Für Insider: Genau an dieser Stelle bitte ein asthmatisch klingendes Lachen vorstellen.
Früher war ich sofort Feuer & Flamme. Ein fettes Opfer der Werbung. Ich sprang unweigerlich auf, wenn in einem Feuerwerk des Framing neue Filme angekündigt wurden. "14 Oscar Nominierungen!". "Die Wiedergeburt des Musical!". Und so weiter. Das Herz raste.
Nach langer Beschäftigung mit dem Medium Film, nach dem Verständnis der Mechanismen das Interesse der Zuschauer zu wecken, nach dem Platzen aller Illusionen und rosaroten Blasen wird jedem neuen Hype, jedem Spektakel mit einer gesunden Portion Skepsis begegnet. Ein Grund dafür, warum ich mir diesen Film erst 5 Jahre später angesehen habe.
Ich will es nicht leugnen: Neben all den Western, Actionfilmen, Thrillern, Dramen und Science Fiction Filmen wurde ich auch mit Walt Disney und Musicals sozialisiert. Revue-Filme, Musicals! Was für ein Eskapismus! Leuchtende, bunte Traumwelten! Esther Williams. Fred Astaire, Gene Kelly. Hollywood pur. Hollywood in seiner vielleicht ehrlichsten Form.
Ich will es nicht leugnen, Teil II: Ich habe aber niemals verstanden, warum plötzlich von irgendwo her Musik in diesen Filmen erklingt, die Protagonisten anfangen zu singen und zu tanzen, die sie umgebenden mitmachen oder es sein lassen. Warum in aller Welt? Dieses irreale, surreale und hochgradig künstliche ist faszinierend und abstoßend zugleich.
Faszinierend, weil Artistik und Choreografie mit wunderbarer Musik und Melodien in Perfektion dargeboten wurden. Selbst renommierte professionelle Tänzer bewundern heute noch die Eleganz eines Fred Astaire, der nicht tanzte, sondern wider der Schwerkraft über dem Boden zu schweben schien oder die ungeheure Dynamik, Athletik und Geschmeidigkeit eines Gene Kelly. Cyd Charisse und Leslie Caron nicht zu vergessen.
Wenn diese begnadeten Tänzer anfingen synchron zur Musik zu steppen, dann war das ein Höhepunkt des Hollywood Kinos. Absolute Perfektion.
Die beiden Streber Damien Chazelle (Regie) und sein Harvard Kommilitone Justin Hurwitz (Musik) haben das alles nicht verstanden. Sie haben nicht begriffen, worum es beim Musical geht, sie haben nicht verstanden, was der Kern des Musicals ist.
Auf der anderen Seite muss man beiden ein großes Lob aussprechen, für den Mut, dieses Genre zu bedienen und für den Mut ein Musical mit zwei Schauspielern - Mrs. Lomax hatte das treffend in ihrem Beitrag kommentiert (siehe unten) - zu drehen, die weder singen noch tanzen können! Diese Aussage muss man erstmal wirken lassen ... die weder singen noch tanzen können. Das aber liebe Herren Chazelle und Hurwitz ist doch die Essenz eines Musicals! Mir wird schon schwindelig bei dem Gedanken, dass Steven Spielberg (!) gerade eine neue Fassung der WEST SIDE STORY gedreht hat.
Zu Beginn nimmt einen LA LA LAND gefangen. Es ist alles fröhlich, bunt, laut, leicht, lustig und entspannt. Wir werden Zeuge eines Hollywood Klassikers: Girl meets Boy, Boy meets Girl. Das ist wirklich bezaubernd und mit viel Sinn für Leichtigkeit inszeniert. Es macht Spaß den Anfang von LA LA LAND zu sehen.
Je weiter die Handlung aber voranschreitet, desto problematischer, schwieriger wird es. Der Grund ist, dass die Chemie zwischen Ryan Gosling und Emma Stone nicht stimmt. Der Grund dafür wiederum ist, dass Ryan Gosling schlicht fehlbesetzt ist und dazu noch ein schlechter Schauspieler.
Wunderbar, bezaubernd und hinreißend dagegen Emma Stone, die man einfach gern haben muss. Sie ist es vor allem, die diesen Film trägt, die ihn wärmt und für einen großen Sympathiefaktor sorgt. Wunderbar interpretierte Rolle, zurecht mit einem Oscar geehrt!
Ryan Gosling spielt dagegen so, als sei er gezwungen worden die Rolle zu spielen. Ihm fehlt Charme, ihm fehlt die Ironie, ihm fehlt die Überzeugung in dieser Rolle. Natürlich sind die ihm in den Mund gelegten Dialoge, in denen er Emma Stone den Jazz erklärt, wunderbar, aber man nimmt ihm die Leidenschaft dafür nicht ab. Zuschauer spüren das intuitiv. Um zu verstehen was ich meine: Eine ähnliche Szene gibt es in COLLATERAL von Michael Mann, in der Tom Cruise Jamie Foxx mit viel weniger Worten die Faszination des Jazz erklärt und der Funke springt auch auf den Zuschauer über.
LA LA LAND ist kein schlechter Film, aber ihm fehlt die Reife und Erfahrung eines altgedienten Regisseurs. Das sorgt einerseits für Frische, andererseits verpufft aber der Effekt wie ein Brausebonbon. Das ist zu wenig für dieses Genre. Mir ist bewusst, dass man nicht stets und ständig in jedem Gerne Filme "over the top" drehen muss, nicht immer müssen es Kultfilme oder Meisterwerke werden, aber eines müssen sie sein: Hochprofessionell. Daran führt kein Weg vorbei, denn Hollywood handelt mit Träumen, für die man bezahlt (!).
Und genau an dieser Stelle begehen die beiden den wohl grössten Fehler.
SPOILER ANFANG
Sie lassen den Film nicht mit einem Happy End ausklingen!!! Ich könnte schreien. In jedem anderen Genre würde ich das gut heissen, aber nicht im Musical und dazu noch in einem so farbenfrohen, schönen und Hoffnung weckenden. Gegen die Regeln des Genres zu verstoßen bedarf höchsten Könnens (Robert Wise) und - mit Verlaub - über das verfügt Damien Chazelle nicht. Dieser bittere Nachgeschmack macht den Film mit einem Schlag zunichte. Was hätten Regisseur und Autoren für eine Möglichkeit gehabt, LA LA LAND mit einem Feuerwerk und Happy End zu beenden! An der Stelle spürt man den Mangel an Inspiration am deutlichsten.
Boy meets girl, boy loses girl, boy gets girl again.
Diese Regel ist unumstößlich.
SPOILER ENDE
Der Film wurde im Cinemascope-Verfahren gedreht und muss auf großer Leinwand vermutlich viel Spaß bereitet haben. Die Musik ist gut. Die Atmosphäre zu Beginn grossartig. Leider schaffen es die Macher nicht, die Geschichte (wie so häufig) zu Ende zu erzählen. Das ist sehr schade!
Lesen Sie auch den Beitrag von Mrs. Lomax.
Aus Los Angeles nunmehr die WEST SIDE STORY aus New York "erwartend",
Rick Deckard