Jane Birkin - Oh! Pardon Tu dormais

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  18. Februar 2021, 16:12  -  #674.fm, #Alan Lomax Blog, #Album Review, #Essay, #Feuilleton, #Jazz, #Kommunikation, #Popmusik, #Populäre Musik, #album

Jane Birkin - Oh! Pardon Tu dormais

In der arte.tv Musikshow ECHOES (die von der wundervollen Jehnny Beth SAVAGES moderiert wird), sehen wir einen Showcase von Jane Birkin, mit neuer Band zum neuen Album Oh! Pardon Tu dormais. Gleich beim ersten Track wird klar was hier passiert. Und es ist nicht nur das Duett mit Etienne Daho, welches einen umhaut, es ist auch der Song und es sind die Musiker. Ab dem ersten Takt wird sofort klar, dass die englische Schauspielerin und Serge Gainsbourg Witwe hier einen zarten künstlerischen Neuanfang wagt.

Nach mehrmaligen Hören des Albums steht fest, dass hier die superben Werke der Herren Biolay und Godin aus dem letzten Jahr, im Sinne einer französischen Gesamtüberlegung fortgesetzt werden.

Im Jahr 2018 hatte ich das große Privileg Jane Birkin mit großem Orchester Gainsbourg Songs spielen zu hören und am gleichen Wochenende Charlotte Gainsbourg zu sehen. Das war in Barcelona beim Primavera Festival. Beide Auftritte werden unvergesslich bleiben.

Die Stimmung, der Zeitpunkt, der Ort und Jane Birkin mit Orchester wird in der Kombination jemals schwer zu toppen sein. Aber man merkte auch eine gewisse Müdigkeit bei der alten Damen. Denn sie hatte schwere Zeiten hinter sich. Ihr Tochter Kate war einige Jahre zuvor unglücklich gestorben. Bis heute ist nicht geklärt, ob freiwillig oder durch einen Unfall. Und natürlich lag da auch immer der Schatten von Ikone Serge Gainsbourg auf ihr. Klar, sie hat den Mann geliebt und die schönsten Songs hat er für sie selbst geschrieben, aber dennoch, etwas Autonomie musste her.

Gut, also dass der große französische Popmusiker Etienne Daho bereits häufiger bei ihr angefragt hatte. Dann raffte sie sich auf, nahm ihren Mut zusammen und produzierte, dieses zweite Album ihres Lebens mit eigenen Songs.

Einen wie Gainsbourg werden wir nicht vergessen. Dieser Versuch wird auch gar nicht erst unternommen. Und Jane Birkin verpasst es ja auch nicht in jedem Interview zu betonen, wie wichtig der Mensch Gainsbourg und seine Chansons für beide (und uns!) gewesen sind.

Jane Birkin hat immer ihren eigenen charakteristischen Stil bewahrt und so wirkt sie noch immer jugendlich, hübsch, verzweifelt, wild, schüchtern und suchend. Es sind die scheinbaren Widersprüche in meiner Aufzählung, aber auch die versuchte Abnabelung von den Gainsbourg Songs, hin, zu eignen, die dann doch wieder die gleiche Welt erschließen. Vielleicht eines der Geheimnisse dieser furiosen Sammlung 11 französischer Chansons und zwei englischen sprachigen Titeln.

Die Texte sind dann eben auch sehr persönlich. Beschäftigen sich mit Trauer, Verlust, Geistern und dem Tod ihrer Tochter Kate Berry. Birkins älteste Tochter stammt aus erster Ehe mit Filmkomponisten John Berry. Ob einige der Songs dann auch eine oftmals dramatische filmische Atmosphäre haben und sich diese auf die Kompositionen des Engländers beziehen, ist fraglich. Da diese aber auch oftmals eine gesprächige Tonalität, wie z. B. „Cigarettes“ und eine sehr lebhafte Poesie haben, sind sie eben auch immer voller filmischer Spannung.

Aber es gibt auch diese wunderbaren Popsongs, die wir immer suchen. Da ist z. B. „Te Sentinell“ schon fast verspielt und das ebenso großartige „Lex jeux interdits“, welches fast komisch daherkommt. Songs die bleiben werden.

Kunst kann tiefe Wunden heilen. Insbesondere wenn diese von einer großen Künstlerin wie Jane Birkin vorgetragen werden. Ganz, ganz groß und bis hier die Platte des Jahres 2021

Aus einem kleinen Haus in der Bretagne, spazierengehend mit einem kleinen Hund, im Sturm…

Alan Lomax

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