Chick Corea - Return To Forever
Jazzrock war einmal ein verbotenes Wort! Damals als Musikhören noch etwas mit Haltung zu tun hatte und wir alle einer anderen Genrepolizei angehörten.
Ich gehörte schon in frühen Jugendjahren zur Jazzpolizei. Ein Grund dafür, dass ich Mitte bis Ende der Achtziger Jahre Anderen sehr arrogant gegenüberstand, die nicht meinen Musikgeschmack hatten. Oftmals lag ich in dem Jahrzehnt, als nur regnete, in meinem Jugendzimmer, hörte RETURN TO FOREVER u. a., fühlte mich besonders schlau, obwohl ich kaum etwas von der Tiefe, Komplexität und der Tatsache, dass Leute wie Chick Corea, Keith Jarrett oder Bill Evans, den Jazz in dieser Zeit massgeblich veränderten, verstanden habe. Ich fand das cool und hatte das Gefühl, dass ich mit Platten wie MY SPANISH HEART, WHERE HAVE I KNOWN YOU BEFORE oder ROMANTIC WARRIOR etwas entdeckt hatte, was kein Anderer, in meiner Umgebung hörte.
Aber neben dieser jugendlichen Arroganz gefiel mir auch das was ich hörte. Nach und nach entdeckte ich durch CHICK COREA einen ganz neues musikalisches Universum. So bekam ich z. B. auch einen Zugang zur klassischen Musik. 1982 spielte Corea mit dem begnadeten Pianisten Friedrich Gulda das Album THE MEETING und einige Jahre zuvor, mit Béla Bartok weitere Duette ein. Ich verstand, dass Chick Coreas handwerkliche Kunst Klavier zu spielen, dass selbst beigebrachte und seine klassische Ausbildung, die Grundlage für die totale Freigeistigkeit in der Improvisation bedeutet.
So lernte ich durch den Komponisten, Bandleader, Schlagzeuger, Pianisten und Keyboarder, auch HERBIE HANCOCK kennen. Ein weiteren nachhaltigen Helden, den ich später und auch heute, aufgrund vieler Anhaltspunkte, menschlich ein wenig mehr schätze als Corea. Im Laufe der Zeit! Denn Chick Coreas frühe Nähe zu L. Ron Hubbard und auch spätere ständige Zugeständnisse zu Scientology haben es stets verhindert, dass CHICK COREA einer meiner ganz, ganz großen Helden wurde. Dies gilt z.B. für die Tatsache, dass ich mir kein Bild oder ein Konzertplakat von ihm aufhängen würde.
Für mich selbst habe ich diesen ganzen Science-Fiction und Hubbard Nähe immer als Drogending im Rahmen von zu viel LSD Einnahme des Genies und seiner ebenso genialen Mitmusiker abgetan. Denn jeder der diese ganzen großen Platten mal gehört, wird bestätigen, dass dort ehr Sphären erreicht werden, die sehr, sehr abgehoben in jeglicher Beziehung sind.
Chick Corea war einer der bedeutsamsten Musiker, die jemals auf dieser Welt gelebt haben. Er hat und wurde von Stan Getz, Miles Davis, Dizzy Gillespie und später Giganten wie Al Di Meola oder Stanley Clarke beeinflusst und somit die zweite Lebenshälfte der Jazzmusik nicht nur wesentlich, sondern massgeblich beeinflusst.
Chick Coreas Musik und Welt zu entdecken, kann ich nur jedem Menschen empfehlen und vorschlagen. Denn die ist Vielfältig, wie kaum ein anderes Werk von einem Musiker. Komplexität, Anspruch, Grenzüber-schreitungen, Freigeistigkeit ja, aber auch Harmonien und einfache Melodien neu gehört, immer variiert und immer weiter gedacht in Varianten und -tja- definiert mit dem Wort Jazz. Von einem der selbst Jazz gewesen ist. Diese ureigene und einzige amerikanische Kunstform, hat nun einen seiner wichtigsten Vertreter verloren.
Es ist ein Jammer, ein echter Verlust, auch weil seine Musik bis zum Schluss aufregend, inspirierend und niemals mit dem erhobenen Zeigefinger daher kam, so wie ich kleiner Ignorant, dass erstmalig in den achtziger Jahren verstanden hatte, nun aber milde unter dem Kapitel "Schule des Lebens" ablege. Und auch für so einen Lernprozess, steht ein Künstler, der einen normalen Menschen, wie mich, ein Leben lang begleitet hat und so vieles indirekt und direkt zu verstehen gegeben hat.
Ich hatte das Glück einige Konzerte von Chick Corea zu sehen. Massgeblich erinnere ich mich an ein Konzert in den neunziger Jahren. Es war glaube ich die Beneath The Mask Tour. Auf jeden Fall mit der Electric Band. Es war in Hamburg, Schauspielhaus. Es war ein Rausch. Frank Gambale an der Gitarre, Eric Marienthal am Saxophone, John Patitucci am Bass und Dave Weckl an den Drums. Chick selbst hinter Moogs, Klavier und Mischpult. Ich sags mal so: ALTER! ...es sind diese Abende, diese Magie, diese ungeheuerliche Erkenntnis wozu wir Menschen in der Lage sind und in welche Welten wir durch die Musik versetzt werden können, die ich vermisse und ja, wirklich....zu pathetisch? ...ich lebe!!!
Return To Forever Check…forever
Aus dem ECM RECORDS Museum des Lebens
Alan Lomax