Kulturabstimmung 2020 Alan Lomax - Teil III Serien
Auf diesem Blog lesen Sie seit 2008 über unsere kulturellen Erlebnisse und wie wir diese subjektiv Wahrnehmen. Dabei gehen wir immer wieder durch das lodernde Feuer und sind zu himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt. Die Idee zu diesem Unterfangen hatte damals unser gemeinsamer Mentor Martin Scorsese. Der auch heute noch davon spricht, dass die Kunst an vielen verschiedenen Orten und in ebenso vielen Formen zu finden ist. Und dabei ist dieser Blog nur ein Nebenformort unserer anderen Aktivitäten, die zum Beispiel im Radio (674FM) stattfinden oder in den Filmmusikforen dieser Welt. Jedes Jahr wieder stellen wir uns die Frage nach einem Poll = Umfrage der besten, liebsten, coolsten, furiosesten neuen und alten Kulturaufläufe des Jahres. Nach tagelangem Überlegungen zu dem Song Sometimes Yes, Sometimes No unserer liebsten christlichen Popsängerin Jill Paquette, haben wir uns zu einem YES entschieden, weil wir die Paquette echt nicht mehr ertragen konnten. Fragen beantworten wir immer gerne unter: oliver.joerns@674.fm
Teil III Serien
Interviewer: Guten Morgen Herr Lomax!
Alan Lomax: Guten Morgen Herr Interviewer! Welches war die letzte Serie, die Sie gesehen haben?
Interviewer: …aber ich stelle doch hier die Fragen! Aber, nett, dass Sie nachfragen. Es war eine Serie in der ZDF Mediathek, ich glaube die hieß, Dunkelstadt, war sehr unterhaltsam, spannend. Und Sie?
Alan Lomax: Derzeit sehe ich die HBO Serie The Undoing mit Nicole Kidman und Hugh Grant, außerdem habe ich mit der vierten Staffel der Anthologie-Serie Fargo angefangen.
Interviewer: Sie wirken müde!
Alan Lomax: Was gar nicht mal an den drei genannten Serien liegt, sondern ehr an der Tatsache, dass mich die Überlegung, welche der vielen Serien ich gesehen habe, wirklich, wirklich herausragend war. Ebenso herausragend, dass Sie den Platz in einer Liste verdient hätte.
Interviewer: Aber wir erwarten eine Top5..
Alan Lomax: Aber Sie bekommen nur eine einzige. Denn alles andere war leider Durchschnitt, runtergedrehter liebloser Terror oder sog. Übergangsfolgen, um das „Werk“ noch länger zu machen. Rick Deckard hat mich zum Aufmerken angeregt. Mein Name ist Alan Lomax und ich bin ein Serienabhängiger. Aber seit dem ich Deckard als Sponsor habe, ist es besser geworden. Weniger! Kritischer! Aber, ich muss sagen, trotz aller Durchschnittlichkeit, dass serielle Erzählen bleibt für mich eine riesige Faszination!
Defending Jacob – Apple TV+ - Morten Tyldum
Die Miniserie (8 Teile – geschlossenes Ende) ist erstmal gar nichts so besonders. Eine sog. True-Crime-Geschichte. Wir lernen eine öde, aber glückliche Familie kennen. Vater Andy ist Amtsanwalt, seine Frau Laurie arbeitet mit sozial schlecht gestellten Kindern und ihr Sohn Jacob ist kein sonderlich auffälliger Teenager. Doch alles ändert sich, als eines Morgens im Park nahe der Schule, ein Schüler tot aufgefunden wird.
Der Plot ist zwar dauerhaft in Zahlreiche anderen Werken durchgespielt worden. Trotzdem bleibt er ein Alfred Hitchcock Plot. Denn dem Zuschauer wird die Gewissensfrage gestellt. War es dieser unschuldige, sympathische Junge oder war es doch das unbekannte Grauen. The Evil! Und wir alle wissen, sehr gut wird so eine Geschichte erst dann, wenn, wir Zuschauer nicht mehr wissen, was und wem wir glauben sollen. Aber dennoch die Hoffnung haben, dass das Gute nicht schuldig ist. Aber was ist das Gute? Diese spießige, aber nette Familie? Was ist das Böse und weshalb, wird es hervorgerufen…
Damit das alles, global, im Mainstream und somit objektiv bei mehreren Millionen Zuschauern funktioniert, müssen jede Menge Attribute der Film- und Erzählkunst stimmen. Ich könnte diese nun aufführen, erspare es ihnen aber. Denn Sie wissen bereits, dass es nicht nur eine gute Geschichte sein muss (William Landay) und ein guter Showrunner benötigt wird (Mark Bomback). So ein Hitch Klassiker Thema, benötigt einen guten Regisseur (Morton Thyldum) und natürlich Schauspieler, mit denen sich wir Zuschauer uns identifizieren können.
Hitch hatte für solche Geschichten z. B. Joseph Cotton http://www.lomax-deckard.de/article-26225429.html. Wir sehen Chris Evans, Captain America! Evans strahlt eine gewisse Vertrautheit aus. Und er hat somit einen ständigen Vorsprung. Egal, was passiert, egal, wie klar es ist, dass er nicht richtig gehandelt hat. Wir Zuschauer sind manipuliert und denken: Nö, Evans nicht. So nicht! Downton Abbey Star Michelle Dockery hat ebenfalls ihr Kostüm ausgezogen. Die englische Schauspielerin ist wahnsinnig hübsch, wirkt leicht arrogant. Genau, Unsicherheit! Eine feine Zutat. Und dann ist da Jaeden Martell. Bekannt aus der ES Verfilmung. Er wirkt latent verdächtig. Aber eben nur, weil Teenager ebenso sind. Plus seiner Arglosigkeit, glaubt ihm bald keiner mehr. Wir nicht, seine Eltern nicht und er sich selbst auch nicht mehr…
Der Achtteiler hat einige wunderbare Momente, die wirklich bleibend sind! So z. B. der Anfang von Folge 5 unterlegt mit dem Joni Mitchell Song Circle Game, gesungen vom Chor der in der Geschichte stehenden Schule. Circle Game wurde schon häufig in großen Serien eingesetzt und hinterlässt immer wieder Gänsehaut, so z. B. in der Highlight-Folge von MAD MEN, wir erinnern uns. Diese Auflösende Rückwendung, erklärt zur Serienmitte, was passiert ist. Das bisher erzählte wird für den Zuschauer aufgeholt. Es ist fast, als wenn wir uns ein altes Fotoalbum aus unserer Kindheit ansehen und in dem Moment wissen, wie es weitergehen wird. Ein altes Stilelement, hier aber wirkungsvoll wie nie! Kein Spoiler! Unbedingt ansehen...
Die ständig in dunkelblau getauchten Bildern, die aufkommende Panik der Familie, die sich mit Bestätigungen der Unschuld abwechseln, sind eine Achterbahn der Gefühle für uns. Eine klassische Geschichte, ein bekannter Plot und dennoch Bilder, Momente, Musik, Einstellungen und der Wunsch die Serie ein zweites Mal zusehen, treiben DEFEDING JACOB an die alleinige Spitze der Seriencharts….and the rest will follow!
Großes, großes Kino!
Alan Lomax