Under Fire - Roger Spottiswoode
Der 1983 von Roger Spottiswoode inszenierte Politthriller ist aus vielerlei Hinsicht sehenswert. Gibt es noch gute und mutige Politthriller, in denen Künstler Stellung beziehen? Spontan fällt mir keiner ein. Regisseur Spottiswoode bezog klar Position, in den Vereinigten Staaten floppte der Film, wurde international ein grosser Erfolg. Ob man der gleichen Ansicht ist, wie die der Autoren und des Regisseurs mag dahingestellt sein, maßgeblich ist, dass Spottiswoode in einem Politthriller Position bezieht. Das gelang zuvor meines Erachtens nur Costa-Gavras, Oliver Stone und Henri Verneuil mit seinem Meisterwerk I WIE IKARUS.
Geschickt bezieht der Regisseur den Zuschauer in die Handlung ein, in dem die Geschehnisse durch die Linse des von Nick Nolte gespielten Fotografen abgebildet werden. In doppelter Hinsicht wird der Zuschauer zum Beobachter: Zum einen durch die Linse des Kameramanns und zum anderen durch die des Protagonisten. Dadurch kommt -zumindest mir erging es so - ein mulmiges Gefühl beim Betrachten auf, man kann sich nicht nur entspannt zurücklehnen und den Film als bloße Unterhaltung betrachten. Sehr kluge Art des Filmemachens! Dadurch bekommt UNDER FIRE den Charakter eines Dokumentarfilms. Dass der Regisseur durch diesen Trick den Zuschauer jedoch auch manipuliert, ist seinem Können geschuldet und durchaus berechtigt bei der Kunst.
Eine andere Frage, die der Film aufwirft und die für den von Nick Nolte gespielten Fotografen Russel Price nach reiflichen und schwierigen moralischen Überlegungen schwer zu beantworten ist: Kann er sich als neutraler (beobachtender) Journalist einer Wertung entziehen? Zu Beginn des Films mutet der Beruf des Kriegsfotografen fast zynisch an, was auch für die Berichterstatter vor Ort gilt. In dem Film geht es um den Sturz des Diktators Somoza durch die Sandinistische Befreiungsbewegung in Nicaragua 1979.
Er und seine Kollegin Claire, gespielt von Joanna Cassidy, werden Zeugen von Mord und Tod, dessen Ursachen und deren Beobachtung beide eine fatale Entscheidung treffen lassen. Doch Spottiswoode lässt den Zuschauer bei dieser Entscheidungsfindung nicht außen vor, was die Qualität von UNDER FIRE ausmacht. Die Einbeziehung des Zuschauers als neutraler Beobachter in die Handlung und Lösung komplexer moralischer Fragen macht den Film zeitlos. Insbesondere auch, was das Thema Medien und deren Art der Präsentation betrifft, was auch heute noch hoch aktuell ist.
Ein weiterer Aspekt, der UNDER FIRE gelingen lässt ist, dass die Autoren und der Regisseur es verstehen in diese politische Problematik der Handlung auch eine zarte Romanze einfliessen zu lassen, in deren Mittelpunkt eine Ménage-à-trois zwischen Gene Hackman, Joana Cassidy und Nick Nolte steht und die keinem Selbstzweck dient gemäß dem Motto 'eine Liebeshandlung gehört in jeden Film'. Vielmehr bauen die Macher um Spottiswoode diese Beziehung subtil im Laufe der Handlung aus und führen sie - soviel darf verraten sein - in ein tragisches Ende.
Die Gleichgültigkeit und Seelenlosigkeit, die Entmenschlichung im Zusammenhang mit den Taten, Handlungen und Ereignissen wird äusserst zynisch durch den von Ed Harris gespielten Söldner Oates porträtiert, der im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen geht. Auch Gene Hackman als sensationslüsterner Reporter steht dem in Nichts nach, wenn auch ohne Waffen. Als Dritter im Bunde agiert - für mich immer mehr zu einem meiner absoluten französischen Lieblingsschauspieler neben Delon und Belmondo werdend - der legendäre Jean-Louis Trintignant, der den zwielichtigen französischen Geheimdienstler Marcel Jazy als kalten, maliziösen und berechnenden Opportunisten spielt.
Jerry Goldsmith schrieb eine seiner besten Filmmusiken zu UNDER FIRE. Ihm zur Seite stand Pat Metheny bei den Gitarrensoli. Die Musik ist charakterisiert durch die Verwendung einer Panflöte, Gitarre, Synthesizern und eines Orchesters. Gemäß dem Thema des Films erwartet hier den Hörer keine typische Hollywood-Romantik, obwohl ein schönes Liebesthema erklingt, sondern eine den Emotionen angepasste Musik, die perfekt die Komplexität des Films unterstützt.
UNDER FIRE ist ein ausgeprägt subjektiver, anspruchsvoller Film, der auch nach fast 40 Jahren hochaktuell in seiner Aussage ist, sehr gut zu unterhalten weiß und den Zuschauer bis zum Ende fordert. Großes Kino!
Aus Managua,
Rick Deckard