Spike Lee - Da 5 Bloods - Netflix Flimkritik
Oliver Stone hatte das Drehbuch „The Last Tour“ 2013 zuerst in der Hand, er hat es dann allerdings bevorzugt den Whistleblower Biopic Film „Snowden“ zu drehen. Ein paar Jahre später erkannte Spike Lee das Potenzial der Geschichte und schrieb das Skript zu seinem neuen Film „Da 5 Bloods“ um, der nun auf Netflix zu sehen ist.
Der Plot des Films ist einfach beschrieben: Fünf Kriegsveteranen kehren fünf Jahrzehnte nach ihrem Vietnameinsatz zurück, um eine Truhe voller Goldbarren zu bergen, die sie damals im Dschungel vergraben hatten. Ein Abenteuerfilm!?
„Wir“ …“…haben auch in diesem Krieg gedient!“, sagte Bill Lee (Amerikanischer Jazzmusiker und Vater von Spike) einst zu seinem Sohn. Gut, dass Spike sich daran erinnerte, denn so, hat „Da 5 Bloods“ auch eine persönliche Note bekommen, die zwar nicht wichtig erscheint, dem gesamten Filmen, aber ebenso wie in Sam Mendes Geschichte „1917“, eine wichtige persönliche Dramaturgie-Komponente der Filmemacher ergibt.
Spike Lees Filmuniversum ist aber kaum mit anderen zu vergleichen. Denn das eins zieht sich, nebst Kreativität und Diversität, wie ein roter Faden durch sein Werk: Die Anklage gegen den systematischen Rassismus in Amerika. Dabei ist Lee selten polemisch oder subtil. Häufig ist er wütend und fast immer „full in the face“. Und es gibt zwei wesentliche cineastische und ein persönliches Attribut die als Qualitätsmaßstab für sein Werk stehen können:
Spike Lee kann seinen Charakteren eine sehr tiefgründige Psychologisierung verleihen
Spike Lee kennt sich in der weißen und schwarzen Popkultur aus
Spike Lee ist sehr klug.
Handwerk ist erlernbar und so könnte ich ganze Abhandlungen darüberschreiben, wie Lee in „Da 5 Bloods“ Rückblenden innovativ einsetzt, Kamerapositionen für Überraschungsmomente nutzt oder das Problem „kleines Budget“ einfach für den genialen Kniff nutzt, dass alle Hauptdarsteller sich selbst auch in den Rückblenden spielen. Sie erinnern sich vielleicht an „The Irishman“ von Martin Scorsese, der vor ein paar Monaten auf Netflix erschien. Niemand mochte die digitalen Verjüngungseffekte der Hauptdarsteller.
Der Film ist voll, von wundersamen Ideen, komischen Situationen und wirklich dramatischen Texturen zu den Themen Krieg und deren Folgen, sowie zeitgeschichtlichen und aktuellen politischen Themen. Spike Lee ist ein politischer Filmemacher, aber eben auch (ich schrieb es bereits) ein Filmliebhaber. So konnte er sich künstlerische Verweise und Anleihen an Filmen von Francis Ford Coppola oder John Milius nicht verwehren.
Unbedingt zu erwähnen (und ist es nicht immer so im Werk von Spike Lee?) ist der musikalische Kontext. Diesmal bezieht er sich konsequent auf eines der wohl besten und wichtigsten Alben der Musikgeschichte – Marvin Gaye’s What‘ Going On.
Das Album von 1971 ist eine thematische Entsprechung des Films. Denn What‘ Going On wurde von Marvin Gaye als ein Konzeptalbum angelegt, welches die Sicht eines Soldaten im Vietnamkrieg schildert. Gaye selbst war zwar kein Soldat, aber sein Bruder Frankie. Er war Funker und schrieb Marvin viele Briefe, so dass er aus erster Hand, über die Schrecken aus Vietnam berichtet bekam.
Während des emotionalen Höhepunktes des Filmes, entschied sich Lee nur die Gesangsspur von „What’s Going On“ zu verwenden. Diese Entscheidung ist genial, weil in dieser Sequenz auch die gewalttätige Beziehung zwischen Vater und Sohn eine wesentliche Rolle spielt. Gaye wiederum wurde 1984 von seinem Vater erschossen.
In dem Fall ist es der starke Kontrast zwischen dem friedlichen Flow des Songs und der tosenden Wut in Delroys Charakter.
Da 5 Bloods ist eine Wundertüte. Es passiert viel und wahrscheinlich ist auch an vielen Stellen, aus filmischer Sicht, Kritik angebracht. Aber der Film ist auch ein Plädoyer für die Liebe und die Menschlichkeit und für die schwarze Popkultur. Glauben Sie nicht!? Glauben heißt wie immer nicht wissen oder kennen Sie alle fünf Vornamen der legendären Temptations?
Aus den Hitsville-Studios
Alan Lomax