Benjamin Biolay – Grand Prix
Diese Platte spricht mich allumfassend an: Musikalisch, künstlerisch, aber ganz insbesondere, weil der französische Chansonnier sich mit einer Welt beschäftigt, die ich zufälliger Weise auch vor kurzem für mich wiederentdeckt hatte.
Zuerst sah ich das Cover von „Grand Prix“ und tatsächlich! Das Coverfoto ist eine geniales Mosaik aus dem gleichnamigen John Frankenheimer Film von 1966, einem bekannten Pink Floyd Album und natürlich einer Huldigung an das Album "Grand Prix" der Band Teenage Fanclub (Creation) . Das Biolay hier vor bestimmt einer schwierigen Wahl stand, belegt Rick Deckards Artikel über den Film „Le Mans“ (Lee H. Katzin 1971) mit dem sehr passenden Steve McQueen in der Hauptrolle. Lesen Sie selbst:
Ich hatte schon immer einen romantischen Blick auf diese Ära des Motorsports. Im Sommer 1978 war ich mit meinem Vater, als acht jähriger, bei dem großen Preis der Niederlande. Mario Andretti, Ronnie Peterson (s.u.), James Hunt, Niki Lauda, Jacques Laffite waren meine Helden. Wissen Sie, damals durfte man noch mit einem normalen Ticket an die Fahrerboxen. Ich weiß noch, dass mir Keke Rosberg zu gezwinkert hat, als ich verzweifelt versuchte ein Autogramm von ihm zu bekommen.
Meine damalige Begeisterung für den Motorsport lässt sich vielleicht aus der Sicht eines Erwachsenen damit erklären, dass sich „Kinder“ ja immer für Autos interessieren!? Habe ich aber gar nicht so! Denn meine 'Ikone' damals war kein Auto oder ein Sport oder ein echter Rennfahrer.
Mein Held war Michel Vaillant. Eine Comicfigur des Zeichners und Autors Jean Graton.
Während andere in den 1970ziger Jahren Helden aus dem Marvel Universum hatten, waren es bei mir die Helden aus dem ZACK Universum. Einem damaligen sehr erfolgreichen Comicmagazin. Die Abenteuer des Rennfahrers Michel Vaillant, der auf und jenseits der Piste als heldenhafte Figur gegen Gegner aller Art kämpfte, hatte mich gefangen. Aber auch die klare Linie des Zeichners Graton hatte es mir angetan und prägte dann auch später meinen Kunstgeschmack und auch meine Liebe zu Hergés Tim & Struppi.
Die gesamte Ästhetik nahm mich damals gefangen, ähnlich wie es noch heute bei der Tour De France ist, aber leider in der Formel 1 schon lange, abhanden, gekommen ist.
Diese Faszination zur Ästhetik des Sports, aber auch der danyeske Blick Biolays auf die damalige Zeit mit seinen Helden, „die noch echte Männer“ waren und jeden Renntag dem Tod ins Auge schauten, in Zeiten, als sowas gar nicht diskutiert wurde, Umweltthemen ignoriert wurden und den Zuschauern weltweit das gegeben wurde, was sie verlangten: Nämlich Brot & Spiele, machen das Album auch zu einem reinen Vergnügen. Aus heutiger Sicht, kann man dazu stehen wie man will, aber meine Leidenschaft lasse ich mir deswegen bestimmt nicht nehmen. Und Bejamin Biolay entfacht mit dieser nostalgischen Note und dem Wissen um moderne Popmusik als Kontextuellen Zusammenhang eine unglaublich wunderbare Hommage.
Biolays Platte ist dann auch ein komplettes Kunstwerk, welches ich schon jetzt und auch zukünftig betrachten werden. Obwohl „Grand Prix“ auch musikalisch der Hit des Sommers 2020 sein wird. „Virtual Saftey Car“ ist eine ausgewachsene Daft Punk Nummer und „Dragostea Din Tei“ wird wahrscheinlich in jeder Süd-Französischen Disko der Welt laufen, wo hoffentlich Menschen (Einhalten der Hygieneregeln) in geringelten T-Shirts und einem lässigen Drink locker tanzen, bevor sie wieder auf ihren Yachten in die Nacht verschwinden.
Nicolas Godin legte mit dem Album „Concrete und Glass“ ja bereits eine erste Vorlage für die Platte des Jahres bereit. Auch das kann der geneigte Leser hier verfolgen:
Biolay versteht sich ja mehr als Chansonnier, ist daher auch ehr vielleicht etwas dramatischer und hängt der Ballade nach. Vom Coolness Faktor aber steht dem Air Bassisten aber in nichts nach und warten wir noch einmal ab, denn die Pariser Band Phoenix hat auch noch ein neues Album für 2020 angekündigt.
Ich würde eine Lücke hinterlassen, wenn ich nicht den Film „Superswede“ von Henrik Jansson-Schweizer erwähnen würde, der das Leben des 1978 verstorbenen Rennfahrers Ronnie Peterson feiert. Der Film stellt auf einzigartige Weise den Rennzirkus der sechziger und siebziger Jahre dar, wie es den eben heute nicht mehr gibt.
Die Tatsache, dass Peterson 3 Wochen nach meinem Holland Erlebnis in Monza bei einem spektakulären Startunfall verstarb, erwähne ich beiläufig, aber mit einer bewegten Träne in meinem Auge.
Und in der Auflistung meiner ganzen Referenzen, fällt mir langsam auf, dass nicht nur ich ein unheilbarer Romantiker bin. Es gibt ein ganzes Revival welches der „guten alten Zeit“ nach trauert. So schrieb Rick Deckard im April des Jahres über den wirklich außergewöhnlichen Film „Le Mans 66 – Gegen jede Chance“ aus dem Jahr 2019 von James Mangold, mit Matt Damon und Christian Bale.
Für Deckard der Film des Jahres so far. Vielleicht ist Grand Prix die Platte des Jahres für mich. Dann hätten wir den Rennsport der alten Tage, endgültig neu entdeckt. Bleiben wir gespannt.
Aus Le Mans (treffe mich gleich mit Rick Deckard)
Alan Lomax