Green Book
Ein Klassiker in Hollywood: Zwei Menschen mit unterschiedlicher ethnischer Herkunft auf engem Raum, die sich zwangsweise näher kommen und am Ende ihre Vorteile überwinden und Freunde werden. Flucht in Ketten (The Defiant Ones) mit Sidney Poitier und Tony Curtis kommt einem in den Sinn oder auch Driving Miss Daisy. Sozialdramen mit Botschaft. Die "erhobene Zeigefingernummer" (Zitat Alan "The Blog" Lomax) funktioniert nicht in jedem Fall.
Lange hielten mich solche Vorbehalte davon ab, Green Book zu sehen, obwohl ich ein grosser Fan von Viggo Mortensen bin, zu gross die Sorge vor moralinsaurem Hollywood-Kino. In Covid-19 Zeiten allerdings fallen auch diese Vorbehalte, weil die freie Zeit andere Optionen eröffnet. Siehe da, ganz das Gegenteil war der Fall.
Viggo Mortensen spielt Tony "Lip" Vallelonga, einen US-Amerikaner italienischer Herkunft, der als Türsteher und Raußschmeisser in einem bekannten Nachtclub in New York arbeitet. Als dieser vorübergehend wegen Renovierungsarbeiten schließt, steht der Familienvater auf der Strasse.
Auftritt Dr. Don Shirley. Der Musiker mit klassischer Ausbildung braucht einen Fahrer für eine bevorstehende Tour von New York in die Südstaaten. Shirley ist Pianist und spielt in einem Trio, dem ein Bassist und ein Cellist angehören. Die Plattenfirma instruiert Tony über seinen Job und übergibt ihm ein grünes Buch (Negro Motorist Green Book), in dem alle öffentlichen Orte aufgelistet sind, einschliesslich Unterkünften, in denen auch Afroamerikaner akzeptiert bzw. bedient werden. Gemeinsam fahren die beiden gen Süden.
Green Book ist ein faszinierender Film geworden, weil er die Moral hinter dem Rassismus gar nicht thematisiert, gar den mahnenden Finger hebt, sondern ihn eher am Rande beiläufig zeigt. Dadurch erzielt er eine grössere Wirkung als durch offenkundige Kritik. Regisseur Peter Farrelly und seinen Autoren Currie und Nick Vallelonga (Sohn von Tony "Lip") gelingen dadurch Szenen mit einer solchen Absurdität, dass sie fast komisch wirken. Die schwierige Gratwanderung gelingt den Autoren ausgezeichnet.
Im Film geht es aber gar nicht so sehr um ethnische Unterschiede oder Rassismus, sondern der Film bezieht seinen (überaus grossen) Reiz durch die beiden unterschiedlichen Charaktere aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Milieus mit unterschiedlicher Herkunft, Kultur und Bildung. Das macht Green Book (für mich persönlich) bereits nach dem ersten Anschauen zu einem Klassiker, sogar Kultfilm.
Das liegt vor allem an der famosen Leistung von Viggo Mortensen (und das schreibe ich neutral abseits meiner Bewunderung für den Schauspieler). Der Mime spielt den Italoamerikaner mit einer nahezu berührenden Menschlichkeit und in dieser Darstellung ist einem der Charakter des Tony "Lip" Vallelonga sofort über Maßen sympathisch, so, wie seine italienische, in Brooklyn lebende Familie.
Grossartig die Körpersprache von Mortensen, seine mit Bedacht gewählten Kostüme, seine Frisur. Sein ganzer Habitus strahlt pure Sympathie aus. Das liegt nicht zuletzt daran, dass er, als ein in seinem eigenen Universum lebender und denkender Mensch, die Welt klar und einfach sieht. Diese Menschen sind glücklicher als denkende Menschen. Mortensen gelingt es mit seinem präzisen und sehr ökonomischen Spiel die Facetten seines Charakters perfekt auszuleuchten. Super sympathischer Charakter, den man gerne zum Freund hätte. Hervorragende Synchronisation nebenbei bemerkt!
Jeder Schauspieler braucht einen Gegenpart und das ist in diesem Fall der ebenfalls perfekt agierende Mahershala Ali. Ali spielt den äusserst kultivierten, gebildeten und mit vortrefflichen Manieren ausgestatteten klassischen Musiker Dr. Don Shirley. Ebenso wie Mortensen versteht es Ali sehr subtil und nuanciert Gefühle zu vermitteln und das Innenleben dosiert nach außen zu kehren. Nur einmal findet so etwas wie eine reinigende Katharsis auf einem Freeway statt, ansonsten sind es die Gesten, die Mimik, die einen Blick in die Seele erhaschen lassen.
Aus dieser Gegensätzlichkeit bezieht der Film seine grosse Sogwirkung.
Green Book ist nahe an einem Meisterwerk und das aus folgenden Grund: Er ist bei einem so bedeutsamen Thema leicht wie eine Feder, sehr humorvoll und verzichtet auf alle gängigen filmischen Stereotypien. Gerade, weil er es nicht zwischen den Zeilen durchblicken lässt, ist er ein Fanal für Menschlichkeit.
Grossartiger Film.
Aus dem Orange Bird,
Rick Deckard
The Road - John Hillcoat - www.lomax-deckard.de
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