Die Reisen des Mr. Leary - John Williams
Ich erinnere mich noch sehr gut, als ich vor nunmehr 32 Jahren (!) die elegante Literaturverfilmung von Lawrence Kasdan nach der Vorlage von Anne Tyler sah. Zu der Zeit war ich ein grosser Fan von William Hurt, einem der renommiertesten (Theater-)Schauspieler seiner Zeit, dessen grösste Erfolge in den 80er Jahren lagen, wenn auch Hurt bis heute auf der Leinwand aktiv ist, zuletzt in Avengers - Endgame.
The Accidental Tourist, so der Originaltitel, erzählt die Geschichte von Macon Leary, dessen Ehe nach dem Tod seines Sohnes zu scheitern droht, als Leary, der Reiseführer für Geschäftsleute schreibt, die joviale Muriel Pritchett kennenlernt (Oscar für Geena Davis). Diese Begegnung verändert ihn.
Gerne würde ich den Film einmal wiedersehen, nicht nur aus Interesse am Film, sondern auch aus Gründen der Nostalgie. Es waren die ausklingenden 80er Jahre - das kulturell schlimmste Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts - die einige Hits und beeindruckende Filme hervorbrachten, von denen einige Klassiker-Status erreichten.
Die Reisen des Mr. Leary gehörte nicht dazu, was nicht verwundert, da er ein kleiner, leiser, ja fast stiller Film war, dessen Qualität verborgen "zwischen den Zeilen" lag. Insofern verwunderte es, dass John Williams als Komponist unter Vertrag genommen wurde, nachdem es zwischen Lawrence Kasdan und Bruce Broughton zu kreativen Differenzen gekommen sei.
Willams, der mit seinen Kompositionen zu Star Wars, Indiana Jones, E.T., Superman und Jaws Filmgeschichte geschrieben hatte, sah sich mit drei Charakteren und einem Wechselbad der Gefühle konfrontiert. Ein solches Sujet bedurfte stiller Töne, leiser, wenig aufbrausender Musik.
John Williams meisterte auch diese Herausforderung. Seine monothematische Komposition untermalt die Emotionen auf der Leinwand auf wunderbare Weise und springt an den Stellen ein, an denen Bilder und Sprache ihren Grenzen erreichen. Die aus einem 4-Noten Motiv und einem wunderschönen Thema (vorwiegend vorgetragen vom Klavier, begleitet von einem Holzbläser) bestehende Musik hat, wie so häufig, ja eigentlich fast immer bei Williams, einen infektiösen Charakter. Einmal gehört nistet sich die melancholisch klingende, aber doch federleichte Melodie in die Gehörgänge ein und lässt einen nicht mehr los.
Es gibt keinen lebenden Komponisten, der dermaßen genial durch seine Musik zu kommunizieren weiß, wie ein John Williams. Es ist eine Gabe. Es ist ein Talent, dass die Natur diesem Genie mitgegeben hat. Doch Talent allein reicht nicht, darauf hat Williams in unzähligen Interviews hingewiesen, es ist immer wieder harte, zähe Arbeit.
Das Ergebnis ist bei John Williams fast immer ein in Worten kaum zu beschreibender Genuss. Für mich ist und bleibt er einer der größten Komponisten aller Zeiten.
Rick Deckard