SCHECKS KANON - Denis Scheck: Die 100 wichtigsten Werke der Weltliteratur
Denis Scheck hat Kultstatus erreicht.
Wenn Sie am Sonntagabend den Tatort überstehen, das Geplauder bei Anne Will ertragen, sich Inspirationen bei ttt holen, die Tagesthemen sich selbst überlassen, dann erwartet Sie Denis Scheck mit seiner grossartigen Sendung Druckfrisch.
Ich habe Druckfrisch zufällig entdeckt und war sofort gefangen. Sendungen über Literatur haben mich seit jeher fasziniert, nicht wegen der Belletristik, sondern wegen der Art und Weise, wie die Menschen versuchen, die Geschichten, die andere zu Papier bringen, uns schmackhaft zu machen (was sie alles hineininterpretieren!).
Ich habe, wie so viele andere, Das literarische Quartett geliebt. Was für eine herrliche Unterhaltung! Keines der besprochenen Bücher habe ich jemals gelesen, weil meine Liebe dem Sachbuch gehört, aber zu sehen, wie Menschen Dinge in etwas hineininterpretieren, das war fabelhaft. Der Nachfolger dieser Sendung ist leider furchtbar bieder, langweilig und spiessig.
Nicht so Scheck: Der kommt selbst frisch daher, guten Mutes und v.a. mit einem unbändigen Selbstbewusstsein. Das imponiert. Achten Sie mal auf seine Kleidung, seine Körpersprache, seinen Gang, die Umgebung, in der die Interviews geführt werden. Das alles unterscheidet diese Sendung von anderen.
Scheck geht unbeirrbar seinen Weg. Kaum, dass die Sendung begonnen hat, geht er in medias res, ohne grosses Geschwafel. Er stellt Bücher vor und führt Interviews und das in einer Sprache und mit einer arrogant wirkenden Art, dass ich weder die Sprache verstehen, noch die "Arroganz" nachvollziehen kann, die damit endet, dass Scheck in einer Halle stehend Bücher, die ihm nicht gefallen, in die Tonne wirft.
Ich liebe polarisierende Menschen!
Vor einigen Tagen war ich in einer Bahnhofsbuchhandlung unterwegs und bog gleich in Richtung Sachbücher. Wohlwissend, dass die Händler einen Preis für den Ort der Präsentation ihrer Ware bezahlen, richtete ich meinen Blick zuerst nach unten und was sehe ich da stehen? Druckfrisch "Schecks Kanon - Die 100 wichtigsten Werke der Weltliteratur" und jetzt kommt es "von Krieg und Frieden bis Tim und Struppi". Wow! Das hat mich sofort in den Bann gezogen, dass Scheck auch Hergé einen Platz in seiner Sammlung gewährt.
Das Cover ist sehr schön gestaltet (mit einer wunderbaren Farbgebung) und lädt auch sofort zum Kaufen ein. Erst nach längerer Betrachtung sah ich ein bekanntes Lebewesen unten rechts in der Ecke und schauen Sie, was es macht! Dieser Humor ist es, der mir an Scheck gefällt!
Nun sind solche Auflistungen mit Vorsicht zu geniessen, denn was "wichtig" ist und was nicht, entscheidet schlussendlich ein jeder für sich selbst. Wie sagte einst Ferdinand von Schirach in einer Reportage: Wenn sie alles weglassen, die Sprache, die Kunst, die Literaturgeschichte, dann bleibt am Ende nur eins, nämlich ob das Buch sie berührt.
Der zweite Grund, warum ich mir das Buch zugelegt habe, obwohl ich für Belletristik nichts übrig habe, ist die Auflistung. Mir gefallen Listen.
Blättert man durch das Buch und findet am Ende, nicht am Anfang, die Inhaltsangabe, so wird einem warm ums Herz, und Scheck erscheint einem als "Seelenverwandter", u.a. finden sich als Rezensionen: Herr Karlsson vom Dach, American Psycho, Die Schatzinsel, Tim und Struppi und viele andere sehr lesenswerte Werke der Literatur, von denen einige auch den Einzug in die Popkultur gefunden haben.
Mit dem gleichen Impetus, mit dem Scheck seine Sendung moderiert, geht er auch die einzelnen Werke an, was Schecks Kanon so lesenswert macht oder um es anders zu sagen: Von der Lunge auf die Zunge! Scheck ist rigoros. Ein weiterer Pluspunkt. In weniger als 2-4 Seiten pro Werk gelingt es ihm die Essenz aus dem Werk zu filtern. Mal analytisch, mal prosaisch.
Natürlich unterliegt eine solche Zusammenstellung dem Primat der Ökonomie, schliesslich will das Produkt verkauft und eine möglichst breite Leserschaft gefunden werden, so denn sich auch z.B. Harry Potter in der Auflistung findet, über dessen Bedeutung man als "Weltliteratur" streiten mag, aber das tut der Faszination für Scheck und seinen Stil keinen Abbruch.
So abschreckend und anziehend Denis Scheck sein mag, er schafft es, wozu Menschen immer seltener in der Lage sind: Sich für etwas leidenschaftlich zu begeistern und diese Begeisterung auch zu vermitteln. Er schafft es uns zu motivieren ein Buch in die Hand zu nehmen und es zu lesen, in einer Zeit, in der immer mehr Menschen auf das Smartphone, Tablets und andere Geräte starren. Das ist ein grosser Verdienst.
Frage: Warum werden Sendungen wie Druckfrisch eigentlich nie zur Prime Time gesendet? Antwort: Weil mit ihnen keine Quote zu machen ist. Die Schlussfolgerung ziehen Sie selber.
Aus der Welt,
Rick Deckard