True Detective – Staffel 3

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  6. Juni 2019, 09:14  -  #Fernsehen, #serien

True Detective – Staffel 3

Damals (2014)

„Ein Meisterwerk!“, „10 pro argumentative Punkte!“  All‘ das schrieb der junge Alan Lomax im Herbst 2014. Er muss wohl sehr aufgewühlt gewesen sein, nachdem er die Geschichte von Marty Hart und Rust Cohle von HBO erzählt bekommen hat. Die zehn Punkte die er damals aufführt sind nachvollziehbar, aber eben auch etwas übertrieben. Allerdings ist Punkt 7. (Nic Pizzolatto) sehr bemerkenswert und nachhallend: „Ein neuer Stern am Showrunner-Himmel…blabla…von ‚Philosophie‘ und ‚Existentialismus‘ ist da zu lesen und davon wie alte Geschichten in neuen Schläuchen erzählt werden“.

True Detective – Staffel 3

Ein Jahr später (2015)

Direkt nach den ersten Folgen ‚True Detective II‘ war klar, dass ein Vergleich mit der ersten Staffel überhaupt kein Thema sein wird. Colin Farrell und Rachel McAdams, sowie Taylor Kitsch hatten bereits im Vorfeld das Casting im Vergleich zur ersten Staffel  (Matthew McConaughey und Woddy Harrelson) verloren. Serienschöpfer und Autor Nic Pizzolatto war offensichtlich total ‚lost‘ mit der Aufgabe, an der Einzigkeit seiner eigenen Erzählweise festzuhalten, zeitgleich aber überfordert, mit dem Asset jeder Episode, seine Dramaturgie neuerfinden zu müssen. Das Resultat war dann leider eben auch ein einziges Dilemma. Unnötige Brutalität, ein schlechter Erzählfluss, endlose Dialoge, kein ‚gut‘, kein ‚böse‘, die Zusammenhänge übermäßig konstruiert und wenig originell. Teilweise war das sogar annähernd peinlich, (Deckard würde es als Trash bezeichnen) besonders im Spiel von Colin Farrell, der hier ständig hinter sich herläuft und sich mit seinem Overacting verblödet präsentiert. Achten Sie einmal darauf, wie er es schauspielerisch umsetzt zu rauchen. Aber! Die Story war immer noch besser als manch skandinavischer Thriller. Was bleibt ist ein guter Krimi, der die Genialität der ersten Staffel leider nicht ansatzweise erreicht.

True Detective – Staffel 3

Gegenwart (2019)

Ein neuer spannender Fall und neue Darsteller: Willkommen bei der lang erwarteten tatsächlichen qualitativen Anknüpfung an Teil 1. Mühelos würde mir nun „20 pro argumentative Punkte“ für die komplexe und stimmungsvolle dritte Staffel einfallen. Um aber auch meine Euphorie etwas zu drosseln und zumindest etwas objektiv zu bleiben, konzentriere ich mich, auf die Drei wesentliche Punkte, die den hier geneigten Leser motivieren könnten sich diese mit Brillanz beim Casting, bei der Cinematographie und bei der Erzählung ausgestatteten Serie neu zu versuchen.

Wissen Sie, Nic Pizzolatto, ist seit der ersten Staffel von True Detective einer meiner schriftstellerischen Helden geworden. Allerdings sind seine Veröffentlichung rar und ich kann mich somit lediglich auf seinen mit dem ‚Edgar Allan Poe Award“ ausgezeichneten Roman ‚Galveston‘, einigen Kurzgeschichten und den beiden Staffeln von True Detective beziehen. Als Drehbuchautor zeigt er sich noch für das Remake von „The Magnificent Seven“ verantwortlich, aber ehrlich gesagt ist das nicht der Rede wert.

Die dritte Staffel von True Detective ist eine Offenbarung. Erzählerisch wagt es Pizzolatto uns Zuschauer ständig zu überfordern. Er erzählt die Geschichte von den wahren Detektiven auf drei zeitgleich spielenden Ebenen. „Zeitgleich“? Genau! Zeitgleich! Die Versatzstücke der Geschichte die über einen Zeitraum von über 30 Jahren stattfindet ist spektakulär und fordern uns mal richtig aufzupassen. Denn nicht immer ist klar, ob die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft für den Verlauf der Story zuständig ist. Der Autor torpediert den Zuschauer sozusagen in eine literarische Zeitmaschine, um den Fall aufzuklären.

Dabei sind nicht nur die einzelnen Puzzleteile faszinierend die den Mord an einem kleinen Jungen und das Schicksal seiner etwas älteren Schwestern aufklären, sondern es sind auch die verschiedenen Lebensphasen der beiden Detektive und ihrem Umfeld, die verschlüsselten Botschaften und schließlich die philosophische Frage nach dem Sinn des Lebens, der essentiellen Wichtigkeit einer Freundschaft und der Verrücktheit sich mehr mit anderen Menschen und deren Schicksalen zu beschäftigen, als mit sich selbst.

Das Leben von Kommissar Wayne Hays (Mahershala Ali) ist davon sogar so stark betroffen, dass er Haus & Hof & Familie aufs Spiel setzt und letztendlich erst ganz am Ende versteht, was er falsch gemacht hat in seinem Leben und worauf es tatsächlich ankommt. Marershala Ali in diesen 30 Jahren mit all‘ seinen inneren & äußerlichen Veränderungen zu sehen, ist ein Geniestreich, insbesondere in den Momenten, in dem von Sequenz zu Sequenz in den Zeitscheiben hin und her gesprungen wird. Man muss dafür unbedingt einen solch klugen und brillant zurückhaltenden Schauspieler haben, wie es Ali ist. Neben ihm spielt Carmen Ejogo ebenso furios seine Frau Amelia. Auch hier setzt Pizzolatto auf die Entweihung eines Hollywood Stereotyps. Und zwar schlüsselt er gekonnt, die Rolle der schwarzen, emanzipierten und intellektuellen Ehefrau auf. Nicht um den Zuschauern einen Spiegel vorzuhalten, um zu sagen, seht ihr, Euer ganzer Me Too und Gender Kram ist Scheiße. Sondern um klar zu machen, dass das alles völlig unnötig, spießig und korrekt wäre, wenn ihr endlich mal verstehen würdet, dass wir alles Menschen sind, die ihre Fehler und Guten Seiten haben, unabhängig von Herkunft, Neigung oder Farbe. Völlig egal, frei nach Funny Van Dannes großartigen Song „Auch Lesben, Behinderte, Schwarze können Arschlöcher sein“. Hätten die Menschen immer so gedacht, wären wir heute frei von Rassistischen Gedanken, weil jeder Jeden, als Gleich betrachtet hätte.

Und dann ist da Hays Partner Roland West, gespielt von Amerikas Gossip Liebling Stephen Dorff. Wer Dorff bisher als drittklassigen Schauspieler verstanden hat, wird seine Meinung ändern müssen. Was aber vielleicht auch an dieser gnadenlos überragend angelegten Rolle des Roland West liegt. West interessiert sich überhaupt, rein gar nicht, um Hays Hautfarbe. Alle anderen tun das in der Geschichte ständig und der permanente der Rassismus der Personen in der Story ist häufig unerträglich. West reguliert das ständig grandios und tritt dabei auf wie ein alter Westernheld. Überhaupt ist seine Loyalität über den ganzen Zeitraum zu seinem schwarzen Partner atemberaubend erfüllend und ergreifend. Für den Neo-Cowboy zählen alte Werte, wie Freundschaft und Verlass. Sensationell, wie dann in der letzten Episode, diese Werte geballt aufeinandertreffen und uns brutal vor Augen gehalten wird, dass wir Zuschauer auch vergessen haben, worauf es ankommt…

Drei Jahre warten hat sich gelohnt und wenn Nic Pizzolatto nun weitere 6 Jahre braucht, um True Detective V zu schreiben dann soll es so sein. Aber es ist dann jetzt schon klar, dass die Latte für vergleichbare Erzählungen einen neuen Weltrekord erreichen wird.

Auf einem Schaukelstuhl sitzen, von meiner Terrasse im mittleren Westen der USA, auf die Straße blickend um darüber nachzudenken, dass ich das Leben verstanden habe und natürlich aus der Zukunft;-)

Alan Lomax

True Detective – Staffel 3
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