Dick Dale – The Victor
Vergessen Sie erstmal alles was in den letzten Jahren als „Surfmusik“ hochgespült oder in popkulturelle verklärte Kontexte gesetzt wurde. Um sich einer subkulturellen Gattung des Rock’n’Roll anzunehmen, muss als interessierter Musiknerd meist weit in die Vergangenheit gereist werden. Selten gibt es den Ursprung oder die Single, die einen Hype oder eine Popkultur ausgelöst hat. Dennoch ist es häufig einfacher, als schwierig zu verstehen, was ein sogenanntes Initial gewesen ist.
Dick Dales Song „Misirlou“ von 1962 muss genannt werden in diesem Zusammenhang. Und natürlich hat dieser Track dem Genre einen temporären nachhaltigen Kick versetzt als er in Tarantinos Film „Pulp Fiction“ 1994 auftauchte.
Die Frage „Was ist Surfmusik?“ muss eigentlich erst gar nicht gestellt werden. Denn diese Musik ist kein Begriff, sondern umfasst letztendlich eine spezifische Spielart. Instrumental ist als Attribut zu nennen, das Stakkato-Picking ein weiteres und wer sich mit Gitarren etwas auskennt, wird den Fender-Reverb und den Showman Verstärker nennen müssen.
Liebe Radiokollegen hier können Sie dann auch direkt den Übergang zu Dick Dale finden. Der hat sich nämlich bis zu dem Zeitpunkt, als beide letztgenannten Attribute ins Spiel kamen, mehr oder weniger schlecht als drittklassiger Country-Highwayman seinen Drink verdient. Crazy Heart, aber keine Stimme. Leo Fender baute ihm ein kleines Kästchen, mit dem er ein Vibrato auf seine verstärkte Gesangsstimme legen könnte. Und das ist noch nicht mal die wirklich kluge Idee gewesen, denn die war folgende: Dale baute das Gerät einfach zwischen Gitarre und Verstärker und erfand so diesen unvergleichbaren Gitarrensound, der ihn unsterblich machen sollte. Dick Dale wurde der zweite King des Rock’n’Roll‘s. Zu Recht? Elvis Fans würden „nein“ sagen, Dale Aficionados rufen laut „ja“! …aber es bleibt egal, denn auch Dick Dale hat keinen Wert auf diese Auszeichnung gelegt. Er wollte lieber weiterspielen und spielen und live auftreten und auf Tour gehen und spielen…
Dick Dale war ein grandioser Typ und so etwas wie das Role Model der Surfmusik. Er hat die Idee des Surfsounds auf die Bühnen der Welt hinausgetragen und dem Klischee eine menschliche Komponente zum Anfassen gegeben. Das hat ihn zum Helden gemacht!
Und –ja– er war von Anfang dabei und hat somit auch eine musikhistorische Bedeutung. Die Gelehrten werden sich streiten, ob „Tequila“ von den Champs (1958) oder vielleicht doch „Apache“ (1959) von den Shadows der erste Surfhit war. Es bleibt aber schwer nachzuvollziehen, denn zu dieser Zeit gab es fast mehr instrumentale Hits in den Charts, als gesungene Songs. Und nicht jeder instrumentale Rock’n’Roll Song ist Surfmusik. Da gibt es Verirrungen und ich selbst musste verdammt aufpassen, dass ich von dieser falschen Annahme nicht zerlegt wurde.
Denn auch ich unterlag dem cleveren Musikmarketing der Mad Mens. Träumte von Aloha! und den höchsten Wellen, hörte dabei lange, lange Zeit „The Ventures“ und stellte später fest, dass das aber nur eine weitere Instrumental Rock Band gewesen ist. Surfmusik ist also nicht gleich Surfmusik. Und Musiker ist nicht gleich Musiker. Was egal ist, solange die Musik unsere Träume unterstützen. Ich liebe „The Ventures“ und meine ca. 35 Platten von ihnen, die ich mir für eine Mark fünfzig auf zahlreichen Flohmärkten zusammengekauft habe. So stehen diese auch direkt, aber anmutig, hinter den Dick Dale Scheiben.
Dick Dale gehörte aber zu den Musikern, die man getrost für dieses Genre vorschieben kann und auch in 400 Jahren noch erwähnen wird, wenn die Welle direkt in der Kölner Bucht steht und es wunderbare warme Sonnenuntergänge zu bewundern gibt, wie es die sonst nur an Ozeanen gab.
Hang Loose Dick Dale
Alan Lomax