PARFUM - ZDF

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  18. Januar 2019, 09:56  -  #Fernsehen, #serien, #ZDF, #Parfum

Quelle: https://www.zdf.de/serien/parfum

Quelle: https://www.zdf.de/serien/parfum

Dieser Januar 2019 ist hart. Er ist grau! Regen, Kälte, Dunkelheit. Beruflich und privat? Läuft es auch nur schleppend für Sie? Zudem noch der ständige Ärger mit sich selbst. Fehlender Antrieb, dauerhafte Depression, schlechter Sex und die Frage nach einem Sinn? Leere und Verdammnis? Selbstmitleid? Wie soll es nur besser werden?

Nun, eine Lösung gibt es in diesem Text nicht. Aber vielleicht die Erleichterung, dass es anderen noch schlechter geht? Dann lernen Sie schnell Nadja Simon kennen. Die Profilerin, gespielt von Friederike Becht, ist wirklich, wirklich schlecht gelaunt. Die Ermittlungen am ständig nebeligen und gruselig grauen Niederrhein zwischen Kleve und Goch sind dabei kaum ihr Hauptproblem. Denn obwohl es eine Kinderleiche aus der Vergangenheit gibt und weitere aktuelle Morde, die natürlich alle zusammenhängen, wendet sie in den sechs Folgen wenig Zeit dafür auf. Auch die Tristesse aller Verdächtigen (und das sind viele), frauenfeindlicher Kollegen und sonstigen armen Wichten beeindrucken sie wenig. Da! Einmal beschäftigt sie sich mit ihrer schwierigen Vergangenheit. Mit asozialer Mutter und Erziehung im Kinderheim, aber auch das scheint sie nicht weiter glücklich oder unglücklich zu machen, denn sie hat nur Augen für den Staatsanwalt (Wotan Wilke Möhring).

Und es wäre ja nun zu einfach, wenn dieser verheiratete Mann, diese schlecht gelaunte Frau einfach nur lieben würde. Und natürlich wird sie auch nicht richtig glücklich, als sie von ihm ein Kind erwartet. Und das wo er ihr doch anbietet, sich um alles zu kümmern! Verdammt; …die Frau kann einem wirklich, wirklich leidtun. Und weshalb sollte sie auch nur Ansatzweise glücklich sein?

Staatsanwälte küsst man nicht. Aber das ist ein anderes Thema. Ebenso wie der Charakter von Nadja Simon. Denn eigentlich geht es in dem Neo-Serie-Thriller PARFÜM um, tja, um was eigentlich?

Die Adaption von Süskinds Buch, denn der gute Schauspieler August Diehl mischt und philosophiert da eifrig Substanzen und Textzeilen zusammen, dass sich einem, zumindest bei den lyrischen Passagen zum Thema riechen, die Fußnägel absorbieren, während die Kamera tief über die Weideflächen um Kleve fährt. Riechen kann man den Scheiß ja zum Glück nicht. Oder handelt es sich doch um die „komplex“ angelegte Story, um einen verschworenen Freundeskreis, der inhaltlich und dramaturgisch versagt. Oder es handelt sich doch oberflächlich gesehen, um diese echt total „krasse“ und „mega-radikalen“ Sequenzen, die „neue Maßstäbe“ setzen?

Nun ich gehöre echt nicht zu den Leuten, die alle deutschen ARD und ZDF Produktionen kritisch sehen. Es ist einfach! Die ewig hinkenden Vergleichskarten zu alten Produktionen (Tatort etc.) zu ziehen und sich über die merkwürdige Behäbigkeit der Produktionen lustig zu machen. Insbesondere da es auch wirklich einige gute aktuelle Beispiele gibt. Aber immer dann, wenn die sog. „Öffentlich-Rechtlichen- Sender“ versuchen uns etwas verkaufen zu wollen, was angeblich „Serielles Erzählen in drei Dimensionen“ ist, fahren meine Signalantennen aus.

Der Grund weshalb ich mich darüber ärgere ist einfach. Ich habe das Gefühl für dumm gehalten zu werden! Es gibt da ein paar Leute die tatsächlich meinen, dass dieser erzählerische Tiefpunkt auch nur Ansatzweise mit amerikanischen Produktionen mithalten kann. Obwohl es vor ein paar Jahren im ZDF noch Programmleiter gab, die auf die Frage, weshalb das ZDF keine Serien wie die SOPRANOS oder MAD MEN im Hauptprogramm zeigt, antworteten, dass man den Stoff den deutschen Zuschauern nicht zu muten kann, da er zu kompliziert ist.

Der Niederrhein ist kein US Staat aus dem mittleren Westen. Und Schauspieler wie Möhring und Ken Duken vermitteln nicht mal Ansatzweise den popkulturellen Hintergrund eines Vince Vaughn oder eines Matthew McConaughey. Autoren wie z. B. Nic Pizzolatto sind Genies und Künstler und HBO macht seit Jahrzehnten Bezahlfernsehn auf aller höchstem Niveau, für ein sehr anspruchsvolles, cineastisches Publikum.

Bei dem Anspruch des deutschen Fernsehnens und deren Produzenten wird häufig vergessen, dass ein wenig Eigenständigkeit, Selbstbewusstsein und etwas mehr Kunst durchaus zu mehr führen könnte, als die ständige Adaption des amerikanischen seriellen Erzählens, bis hin zum US Kintopp.

Wer also soll so eine Produktion wie PARFUM wirklich sehen wollen. Die ZDF Kernzielgruppe wohl kaum? Wenn diese sich pauschal unterhalten fühlt ist das gut! Da ich aber glaube, dass sie diese vorgelegte Abgründigkeit und düstere Atmosphäre nicht von einer tiefen, guten und wahrhaftigen erzählerischen Tiefe unterscheiden kann, muss man hier von der ersten Niederlage sprechen.

Versteht man die Serie auch als Produkt, um einen neue, jüngere Zielgruppe zu erreichen, muss man tatsächlich auch von einem Desaster sprechen. Denn insbesondere, wenn aus reinem Showeffekt die Abgründe der Menschlichkeit gezeigt werden und diese auf Unterhaltung, Gewalt und menschlicher Verachtung reduziert werden, muss auch von einem künstlerischen Scheitern gesprochen werden. Denn während bei Süskind der Horror zum Poetischen stilisiert wird, wird in der ZDF Serie der Zuschauer dazu erzogen sich für grauenvolle Vorgänge, ohne Sinn und Verstand zu interessieren.

Reihen Sie also Aufnahmen von Frauenleichen, toten Hunden, Sexualdelikten, Frauenfeindlichen Aktivitäten, Kindermissachtenden Vorgängen und nebligen Montagen vom Niederrhein hintereinander, setzten sich in den Keller, in dem am besten eine Puppensammlung aufgebaut ist und erfreuen sich an PARFUM. Fürchterlich! Krank! Abscheulich! Und wer hier häufiger vorbeikommt, weiß, dass ich auf Trash stehe und nicht der evangelische Kirchenvorstand für kulturelle Angelegenheiten bin.

Und ganz ehrlich! Die verzweifelte Geschichte der Ermittlerin, ist eigentlich der gute Kern dieser seriellen Katastrophe. Denn in ihrer eigenen Frustration gefangen, strahlt die Ermittlerin Nadja Simon so etwas wie Hoffnung aus. Hoffnung auch, dass diese miese frauenfeindliche Sicht der Serie, der Unfähigkeit ihrer Macher geschuldet ist, einfach nichts verstanden zu haben. Es wird Zeit, dass sich in Deutschland der Beruf des Showrunners etabliert. Einer der die künstlerische Leitung hat und im Anspann nicht mehr fünf Exekutiv Produzenten stehen und 10 ZDF Redakteure. Wer soll da auch die Übersicht behalten.

Ziemlich schlecht gelaunt!

Alan Lomax

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