GODLESS - Serie - Netflix
Wenn Netflix auf diesem Niveau weitermacht, dann schaue ich gerne weiter Serien. Die Miniserie bedient sich aus einem ausgiebigen Fundus bekannter US-amerikanischer Western-Mythen und Kenner werden unzählige Verweise auf Western-Klassiker entdecken. Allein schon deswegen lohnt sich das Anschauen: Erinnerungen an die Sternstunden des Western werden lebhaft!
Sowieso: Beachtlich genug, dass Geld in das Western-Genre investiert wurde, welches ja mäandernd tot gesagt (geschrieben) wird, um dann plötzlich wieder aufzuerstehen. Es ist wie mit der anderen ureigenen Kunstform der Amerikaner, dem Jazz, auch der wird permanent zu Tode geredet. Alles Unsinn. Sowohl der Jazz, als auch das Western-Genre entwickeln sich permanent weiter und in Zeiten, in denen sie sich inhaltlich verändern, darf man nicht alle Nase lang weltbewegende Innovationen erwarten.
Insofern macht es der Streaming Anbieter richtig und erzählt in der Mini-Serie eine klassische Geschichte und wie sollte es da anders sein, als dass das archaische Thema Rache das narrative Fundament für eine spannend erzählte Geschichte bietet?
Die Serie bietet bei allem eine gute Qualität, Schauspieler, Story telling, Settings etc. sind erster Güte, aber herausragend ist die Fotografie: Nicht das biedere Fernsehformat sondern bestechende Aufnahmen in grandioser Cinemascope Qualität flimmern über den Apparat. Bereits Anthony Mann sagte zurecht: In einem Western ist die Landschaft der Hauptdarsteller. Er behielt recht, bis heute. Ein Western ohne dazugehörige Panoramen der einzigartigen Landschaft des Westens ist nutzlos.
Die Macher haben genau das beherzigt. GODLESS bietet aber einen weiteren Clou: Zwar gibt es wie stets zwei sich bekämpfende Protagonisten, aber die wahren Heldinnen in der Serie sind die Frauen. Frauen verstorbener Minenarbeiter, die sich nicht von skrupellosen Geschäftemachern verdrängen lassen wollen. Sie sind standhaft, wehren sich und können (fast) genauso schnell ziehen wie Männer. Sie erwehren sich der harten und unbarmherzigen Landschaft und wenden sich vom Schicksal nicht ab. Es wurde längst Zeit den Frauen dieser Ära zu huldigen!
Ein weiterer Pluspunkt der Serie ist, dass, wie so häufig in jüngerer Vergangenheit, nicht versucht wird den Mythos zu zerstören, sondern ihn am Leben zu erhalten. Seien wir doch ehrlich: Deswegen lieben wir das Kino. Wir lieben Helden, Aufrichtigkeit, einen Moralkodex und den Drang nach ausgleichender Gerechtigkeit. Wer blickt schon gerne hinter die Fassade des Zauberers? Ich lasse mich lieber verführen.
Wie heisst es in John Fords Western-Klassiker Der Mann, der Liberty Valance erschoss:
"Wenn die Legende zur Tatsache geworden ist, druck die Legende!"
Genau darum geht es.
GODLESS bietet hochwertige Serienunterhaltung, zum Teil der Extraklasse und mit "zum Teil" kommen wir zu dem einzigen Wermutstropfen: Die Serie ist zu lang, einige Folgen weniger hätten der ansonsten straffen Dramaturgie besser getan. Das ist aber auch das einzige Manko.
Das Finale, der finale shoot out ist grandios und einer meiner Lieblingsregisseure, Sam Peckinpah, hätte seine grosse Freude daran gehabt zu sehen, welches Erbe er der filmischen Nachwelt noch immer hinterlassen hat.
Die Sahnehaube kommt aber zum Schluss: Das wortlose Ende und die Fotografie erinnern daran, welche Macht das Kino und Bilder besitzen.
Was für ein schönes, episch ausformuliertes Ende!
Rick "The Westerner" Deckard