Destroyer - Düsseldorf Capitol Club 19.11.2017 New Fall Festival

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  20. November 2017, 12:54  -  #Konzerte, #Populäre Musik

Destroyer - Düsseldorf Capitol Club 19.11.2017 New Fall Festival

„I was a dreamer, watch me leave“, heißt es in dem wunderschönen Popsong und gleichzeitiger Hommage an die großen Bands wie New Order und The Cure in dem Song „Tinseltown Swimming in Blood“. Später, dann: „I couldn’t see, I was blind, off in the corner now, doing poets work, that’s ok for me now“.

Solche Zeilen sprechen Schwärmer und Liebhaber der Popkultur natürlich sofort an. Denn oft ist man ja doch alleine mit seiner Musik, die man so hört und den Bands die man so liebt. Auch wenn man das Glück, wie ich hat, dass es im eigenen Sozialkreis viele gleich Interessierte und Enthusiasten gibt, aber man sieht und hört die Sachen, dann doch immer auf seine eigene Weise.

Mir ging es gestern bei dem DESTROYER Konzert im Rahmen des New Fall Festivals 2017 in Düsseldorf genauso. Und in kurzen Momenten des Beobachtens anderer Zuschauer, hatte ich das Gefühl, dass der Empfang der DESTROYER Kunst bei jedem einzelnen Beobachter eine sehr persönliche und wichtige Erfahrung ist.

Dan Bejar ist mit dem neuen und inzwischen zwölften Album –KEN- etwas wunderbares gelungen. Und zwar die Vermittlung eines geheimen Wissens, dass in radikaler Weise nur ein Musiker vermitteln kann, der das Veto gegen die materialistischen Konzeptionen (Christian Wolff), als die Erkenntnis des Idealismus und somit als Realität der Seele versteht.

Mastermind Bejar selbst erklärt das im Interview mit der Musikzeitschrift INTRO natürlich viel besser und resümiert über die Protagonisten seiner Songs, die natürlich eins werden mit den Zuhörern so: „Ich glaube, dass die Menschen, die meine Songs bewohnen, alle irgendwie Romantiker in einer Welt ohne Hoffnung sind, die trotzdem aus irgendwelchen Gründen noch in der Lage sind, Erwartungen zu haben. Romantische Idealisten, wenn man so will.

Viele Idealisten sind es leider nicht die gestern Abend im Düsseldorfer Capitol waren. Erstaunlich, dass der recht große Saal nur halb voll war (idealistisch gesehen, nicht halb leer). Dafür, war natürlich die Andacht, die Stille und die Konzentration im Auditorium und auf der Bühne desto intensiver.

Der Kanadier Bejar selbst wirkt ja immer wie ein aus dem bürgerlichen westlichen Stadtleben entflohener Intellektueller, der nun auf einer südlichen Insel wohnt. Er taummelt zwischen extrem entspannt -und ist meist sommerlich mit Leinenhemd und heller Chino bekleidet- strahlt trotzdem ehr eine innere Anspannung und Unruhe aus.

Er wirkt fast schüchtern, sagt kein Wort zu viel und versteckt sich bei längeren Instrumentalpassagen seiner sieben-köpfigen Band gerne hinter der Monitorbox und beschäftigt sich intensiv mit seinen zahlreichen gebunkerten Flaschen Bier und weiteren Getränken.

Die Songauswahl der 90-Minuten Show hat für alle die Gültigkeit einer der temporär besten DESTORYER Compilations zu sein, wenn man selbst die Band einem guten Freund oder einer neuen Freundin vorstellen möchte. Lediglich die Songs des eigentlich schönsten Albums „Trouble in Dreams“ wurden komplett ignoriert, was der gesamten Dramaturgie der Setlist aber überhaupt nichts antat.

Für jemanden wie mich, der nicht nur Idealist ist, sondern auch Melodienfetischist, wikt ein DESTROYER Konzert wie eine gelesene Messe. Zwischen den Ebenen könnte man sich selbstverflüchtigen und zwischen gleitenden Gitarren und Keyboard Riffs einfach nur wegschweben,  

Den, ja, oftmals ebenfalls wegfliegenden Wall-Of-Melodie-Sound holt sehr beeindruckend der junge Schlagzeuger Joshua Wells zurück, der bereits länger mit Bejar kollaboriert. Diese Eingängigkeit und das kantig rockige der Drumpatern hält vieles zusammen was sonst entgleiten würde.

Merkwürdiger Weise fühle ich mich in vielen dieser schwebenden Momenten der Melodienkaskaden an die denkwürdigsten SWAN Konzerte erinnert. Natürlich hat Michael Gira andere Ansätze mit seiner experimentellen Musik, aber gefühlsmäßig ist man als Zuhörer doch in einem ähnlich schwebelosen und hilflosen schönen Zustand, wenn da nicht die ganzen Texturen zu Lieblingsbands bei DESTROYER wären.

Ziemlich mittig im Set wird „Saw You at the Hospital“ gespielt, einer ehr düstern Nummer, die sich aber später in wunderbare Shoegazer Mitten auflöst. Das alles fühlt sich sehr, sehr richtig an. Unverständlich wie man sich weigern kann dem blubbern der Synthies, der Melancholie des Schwelgens der an jede schöne Smiths, New Order, Cocteau Twins erinnernden Gitarren-Platte, dem immer wiederkehrenden Sequencer, der uns mehr als zum Kopf-Wissend-Nickend auch zu dem ein oder anderen Ausfallschritt verleitet und natürlich dem wunderbaren Dialog der total akustisch entwurzelten Trompete hin zum Delaymonster und dem sehr klassisch und sauber schön gespielten Saxophonemelodien, nicht zuhören zu wollen.

Und so bleibt die weitere Überlegung nicht daran hängen was mit den anderen ist und warum man selbst offensichtlich sehr alleine als Beobachter bleibt, sondern erfreut sich inzwischen wieder daran, dass man auch den Witz hinter der ganzen schönen Irritationen des Kanadiers begreift, sich nicht auf Textzeilen wie: „Wasting Our Days, Chasing Some Girls, alright / Chasing Cocaine, Through The Backrooms Of The World All Night“ verlässt, sondern sich gerne diesem bemerkenswert entstanden Universum erfreut und sich im Zweifel nochmal hinterfragt, weshalb es sein kann, dass diese ergreifend schöne Musik einen solch bitteren Hintergrund hat:

„Bombs In The City, Should Have Seen It Coming, Should Have Taken Care.“

Nun sind wir ehrlich: Alles ist endlich. Und schließlich ist dann doch die schmerzhafte und durchaus Spannungsgeladene Musik von DESTROYER, die sich erkenntnisreich, eben ehr mit einem selbst, als Zuhörer und Fan beschäftig, als mit dem Künstler, Alben und der bedeutungsvollen Frage, ob dies alles überhaupt eine Allgemeingültig hat! Nein! Denn bleibt damit und allem sehr alleine…

Sehr private, intensive und fast intime Musik ist das! Man sollte das alleine hören, ebenso, wie man halbe Hähnchen alleine essen sollte, weil man weder die Art und Weise

Alan Lomax

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