Liebe (2012) - Michael Haneke
Eine Pariser Altstadtwohnung. Ein Salon mit Flügel, Gemälden und Bibliothek. Ein Flur, eine kleine Küche. Badezimmer und ein großes Schlafzimmer. Dann ein altes Paar. Beide aus der Zeit gefallen. Anne ehemalige Klavierlehrerin, Georges ein französischer, konservativ gebildeter Mann. Ein paar wenige Nebenschauspieler und eine Sterbegeschichte.
Der von Rick Deckard und mir bewunderte Regisseur MICHAEL HANECKE benötigt nicht mehr, um uns in seinem Kinofilm LIEBE ganz genau klar zu machen, dass es durchaus ausreichend ist, ein paar Wahrheiten auf den Grund zu gehen, um die tägliche Banalität, den Wahnsinn, die Hektik und die Sinnlosigkeit des eigenen Tuns auszublenden und um zu beweisen, wie mächtig das Kino sein kann und um uns unausweichlich klar zu machen, wie unaufhaltsam die Wahrheit in Form von Liebe, Leben und Tod uns sehr nüchtern und direkt zum wesentlichen zurückführen kann.
Am Anfang zeigt uns der österreichische Regisseur das Ende. Dann ein Schnitt und wir sehen als Zuschauer von einer Pariser Theaterbühne eine gefühlte Ewigkeit in das wartende Publikum. Nach der Aufführung, sehen wir das ältere Paar im Bus sitzend nach Hause fahrend. Zu hause angekommen, geht die Frau ermüdet ins Bett, der Mann trinkt noch ein Glas. Dies sind die letzen Momente ihres alten Lebens.
Wir, die nun den unglaublichen Jean-Louis Tritignant erleben, wie er sich liebe- und würdevoll um seine nach einem ersten Schlaganfall sterbende Frau Anne (außergewöhnlich und sehr gezielt gespielt von Emmanuel Riva) kümmert und bis zur letzten Bedingungslosigkeit pflegt, sich selbst komplett ohne Gefühlsdusseligkeit zurückstellt, staunen!
Und klar nun wird man als der Zuschauer der diesen Film noch nicht gesehen hat, ehr abgeschreckt sein, da man ein tief trauriges Kammerspiel beschrieben bekommt. Aber auch das wäre zu plump und zu banal für einen wie Hanecke. Denn der seziert lieber die Atmosphäre der Wohnung und geht den Geschichten des Lebens nach die die Bühne, also der Raum über diebeiden Menschen zu erzählen hat. Er blendet gekonnt die Außenwelt aus, in dem er nur die hilflose Tochter (Isabelle Huppert) als nervendes Relikt unser Zeit in die Pariser Wohnung lässt, die natürlich alles besser weiß als ihr besonnener Vater und somit auch ein Gegenpol zu den wirklichen Werten darstellt.
In einem Kammerspiel spielt der Raum häufig die heimliche Hauptrolle. Das Theater weiß das nicht zu schätzen, mit seiner Bühne. Das Kino macht Kunst draus, wenn man es beherrscht und klare strenge Handlungsräume schafft, die Kamera zu seiner Verbündeten macht und nicht als technisches Aufnahmeinstrument verstanden wird.
Es sind dann eben diese Souveräne und ganz insbesondere die Würde, mit der uns hier eine Geschichte erzählt wird, die völlig normal, selbst erlebt und alltäglich ist und durch diese Offenheit und Klarheit einen mehr als großartigen Film macht, denn hier werden wir aufgefordert nachzudenken und uns vielleicht in Zukunft etwas zu reduzieren und zu fokussieren.
Rick Deckard und ich haben uns in letzter Zeit häufig, fast desillusioniert gegeben, wenn wir über das Kino gesprochen hatten. Kein Wunder, wenn einem weder die Wahrheit, noch die Schönheit in dieser Welt gezeigt wird. Wir sind müde geworden. Satt von HD-Bildern und den Möglichkeiten der modernen Technik, die aber fast immer inhaltslos und ungenutzt bleibt.
Am Ende des Films verliert sich die Kamera in Landschaftsbildern die bei dem alten Paar an der Wand hängen. Eine entscheidende Szene, die auch mit unserer ewigen Skepsis bzgl.. dem gegenwertigen Kino einhergeht.
Kann uns das denn alles, was wir sehen, sammeln, lieben und für große Kunst erachten, irgendwann mal als Trost dienen?Anne will nichts mehr davon wissen, auch nicht von den großen Komponisten, was ihr als letzte Freude bleibt ist die einfache Melodie von Sur le pont d’Avignon und ein Mann der sie bis zur letzten Sekunde liebt…
Dieser Film gehört zu den ganz großen Filmen der Kinogeschichte und wird auch wegen derGroßartigkeit der Umsetzung, der verborgenen Schönheit der Liebesgeschichte und der unglaublichen Würde und Wahrheit der Menschheit gegenüber, immer ein Platz in den Herzen der Menschen finden.
Alan Lomax