Der elektrische Reiter
Was für ein Auftakt! Ein Cowboy sitzt auf einem Pferd. Das Kostüm des Reiters ist kunstvoll mit kleinen Glühbirnen beleuchtet, die wie Sterne am Nachthimmel funkeln. Mensch und Tier stehen auf einer Showbühne in Las Vegas umgeben von einer Tanzgruppe, die zu einer Disco-Nummer tanzt. Reiter und Pferd setzen sich langsam in Bewegung, verlassen die Bühne und reiten durch das neonhelle Las Vegas.
The Electric Horseman.
Die Eleganz und ungewöhnliche Perspektive mit der Sydney Pollack seinen Film eröffnet ist zeitlos. Auf dem Pferd sitzt kein geringerer als Robert Redford, fotografiert werden beide von Kameramann Owen Roizman, der mit French Connection und der furios gefilmten Verfolgungsjagd in die Geschichte einging.
Redford spielt einen abgehalfterten ehemaligen Rodeo Champion, der der Trinksucht erlegen ist und in dem was er tut keinen Sinn mehr sieht. Als sein Stern zu sinken beginnt, verkauft er sich an einen Konzern und geht für Frühstücks-Cerealien auf Werbetour. Bis er auf der Showbühne in Las Vegas erkennt, dass es Zeit wird seinem Leben eine neue Wendung zu geben.
Sehenswert ist dieser Anfang aufgrund des Kontrastes. Auf der einen Seite Show und Kommerz, auf der anderen der Wunsch nach Natur und Freiheit. Aus dieser Gegensätzlichkeit bezieht der Film auch seinen weiteren Reiz. Die Kritik am Kommerz und Kapitalismus kommt plakativ daher und hat über die Jahrzehnte ihren Atem ausgehaucht. Aber das macht den Film nicht schlechter.
Sonny Steele, so der Charakter des von Redford gespielten Charakters, beschliesst das mit Drogen und Medikamenten zum Zwecke der Ruhigstellung vollgepumpte Tier in die Freiheit zu entlassen und macht sich auf in die Berge. Der Konzern wittert Umsatzeinbußen und versucht Steele zu finden, bevor er mit jemandem reden kann. Auftritt Jane Fonda als Reporterin, die sich an die Fersen des elektrischen Reiters heftet, weil sie ein Story wittert.
Manch einer, der das ruhige Tempo, mit dem die Geschichte erzählt wird, nicht gewohnt ist, mag sich langweilen. Menschen, die gerne eine schöne Geschichte erzählt bekommen und die Zeit aufbringen zuzuhören, nicht. Es war eine andere Zeit, eine andere Ära, in der dieser Film gedreht wurde und in diesem Zusammenhang sollte man solche Filme sehen und deuten.
Willie Nelson singt zu Beginn einen Song, in dem er von Cowboys singt, Männern aus einer anderen Zeit, die in einer anderen Welt lebten. Der Film bedient den berühmten Mythos des Westens, das ist unübersehbar und Pollack versucht auch nicht diese Legendenbildung zu kaschieren, im Gegenteil, er fördert sie. Mit offenem Visier blicken er und sein Kameramann in die Weiten der beeindruckenden amerikanischen Landschaft, nehmen uns mit ans Lagerfeuer und lassen uns träumen von einer Welt, die es nicht mehr gibt.
Ich liebe solche Geschichten, eben weil sie von Träumen handeln und uns am Traum teilhaben lassen. Ruhe. Unberührte Natur. Unendliche Weiten. Es ist ein Ritt zurück zu den Anfängen, in die Zeit, in der die Leidenschaft für das Kino erwachte, für den Western, dieser neben dem Jazz ureigensten Kunstform Amerikas.
Auch in Der elektrische Reiter gibt es eine Verfolgungsjagd, in der Redford von Motorrädern und Polizeiautos gejagt wird und in genau diesem Moment steigert sich die Euphorie, das Verlangen nach Helden, wenn Roizman Pferd und Reiter fotografiert, wie sie in einer halsbrecherischen Geschwindigkeit über einen Damm jagen. Grandios. Jede Sekunde zum geniessen!
Der einsame Cowboy. Glen Campbell hat ihn besungen. Wir kennen ihn, diesen Mann, der nur seiner eigenen Wahrheit verpflichtet ohne Ziel die Weiten der Landschaft durchstreift. Das macht die Schlusseinstellung überdeutlich und es ist Pollack anzusehen, wie sehr er dieses mythenreiche Land, seine Vergangenheit und die romantische Verklärung liebt.
Sechs Jahre später lässt er Redford erneut in die Wildnis zurück, diesmal mit einem Flugzeug und die Sequenz, in der Denys Finch Hatten mit Karen Blixen zu der majestätischen Musik von John Barry über die Steppe Afrikas fliegt, ist in die Geschichte eingegangen.
Ich vermisse Romantiker wie Pollack im heutigen Kino.
Rick Deckard